Felix Dahn

Ein Kampf um Rom


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kein Stern soll ihm leuchten auf nächtlicher Fahrt, er soll verdursten im heißen Sand«, knirschte der Maure mit aufloderndem Haß. »Er schlug mich oft um nichts und ließ mich hungern. Ich schwieg und betete zu meinem Gott um Rache. Er zürnte, daß ich so ruhig seine Wut ertrug.

      Er wußte nicht, daß Syphax seinen Gott bei sich trug in Gestalt einer Schlange. Da trat er eines Morgens an mein Lager und fand sie um meinen Hals geringelt. Er erschrak: ich sagte ihm, seine Zähne seien nicht tödlich, aber seine Rache. Da ergrimmte er, schlug nach mir und sagte: ‘Töte den Wurm!’ Umsonst flehte ich und wand mich auf den Knien vor ihm. Er schlug mich und schlug nach dem Gott: und als ich den deckte mit meinem Leibe, schrie er noch wilder: ‘Töte das Tier.’ Wie konnt’ ich gehorchen! Da rief er seine Sklaven und befahl: ‘Nehmt ihm die Bestie und kocht sie lebendig. Er soll seinen Gott fressen!’ Ich erschrak zum Tode über diesen Frevel. Und sie griffen mich und haschten nach der Schlange. Aber der Gott gab mir die Kraft der Wut, die da gleich ist der Kraft des pfeilwunden Tigers, und ich sprang unter sie mit gellendem Schrei.

      Nieder schlug ich den Verfluchten mit dieser Faust und gewann die Türe des Hauses und sprang hinaus ins Freie und dreißig Sklaven hinter mir drein. Da galt es das Leben.«

      Die Gäste lauschten gespannt, selbst Balbus setzte den Becher ab, den er eben zu Munde führte.

      »Ich laufe nicht schlecht: oft haben wir, drei Vettern und ich, die windschnelle Antilope müde gejagt. Und die Sklaven waren langsam und schwer.

      Aber sie kannten die Stadt und ihre Straßen und ich nicht. So war es ein ungleich Spiel. Die Verfolger teilten sich in Scharen von drei, vier Mann und gewannen mir durch Seitengassen und Durchgänge den Weg ab.

      Zum Glück hatte ich im Vorbeirennen an einer Schmiede einen schweren Feuerhaken errafft: zwei—, dreimal braucht’ ich ihn, die Verfolger zu scheuchen, zu treffen, die mir plötzlich von vorn entgegenkamen. Ich fühlte aber, lange konnte das nicht mehr dauern: wie rasch ich war, wie langsam sie, zuletzt mußte ich doch erliegen.

      Da sandte mir der Gott, den ich fest mit der Linken an die Brust drückte, ihn«, — und sein schönes Auge funkelte, — »meinen Herrn, den gewaltigen, der mächtig ist wie der Löwe von Abaritana und klug wie der Elefant, der da gut ist wie milder Regen nach langer Dürre und herrlich wie —«

      »Jetzt erzählst du schlecht, Syphax, ich will vollenden. Ich kam gerade von den Schanzwerken am aurelischen Tor, dem Grabmal Hadrians.«

      »Deinem schönen, göttergeschmückten Lieblingsort«, unterbrach Kallistratos.

      »Und bog am Fuße des Kapitols in das Forum Trajans: da stand eine gaffende, schreiende Menge und sah der Menschenjagd neugierig zu: wie ein Pfeil schoß der Maure von dem Forum des Nerva heran, seine Verfolger weit hinter ihm. Aber siehe, dicht neben mir bogen von links fünf, von rechts sieben der Sklaven Calpurnius’ auf das Forum ein, bereit, ihn aufzufangen, sowie er auf den Platz ankam. ‘Der ist verloren!’ sagte neben mir eine bekannte Stimme, es war Massurius, der aus dem Bade des Augustus trat.

      ‘Wem gehört er?’ fragte ich. ‘Calpurnius ist unser Herr’, antwortete der Sklave neben mir. ‘Dann wehe ihm’, sprach Massurius zu mir, ‘er hängt seine Strafsklaven bis an den Hals gebunden in seinen Fischweiher und läßt sie lebendig auffressen von seinen Muränen und Hechten’. — ‘Ja’, sagte der Sklave, ‘Syphax hat ihn niedergeschlagen, und der Herr rief im Aufstehen: Zu den Muränen den Hund! Wer ihn einbringt, ist frei.’

      Ich blickte den Platz hinab auf den Mauren, der jetzt gleich heran war. ‘Der ist zu gut für die Fische’, sagte ich, ‘welch herrlicher Wuchs! Und sieh, er kommt durch, ich wette.’

      Denn eben hatte der Flüchtling die erste Kette der Sklaven, die sich ihm an der Mündung der Via julia entgegenwarf, durchbrochen und flog jetzt auf uns zu.

      ‘Und ich wette tausend Solidi, er kommt nicht durch: sieh’ dort die Lanzen’, sprach Massurius. — Gerade vor uns standen fünf Sklaven mit Lanzen und Wurfspeeren. ‘Es gilt!’ rief ich, ‘tausend Solidi.’

      Da war er heran.

      Drei Speere sausten zugleich: aber wie ein Panther duckte der Flinke unter ihnen weg und, plötzlich aufschnellend, sprang er in hohem Satz über die Lanzen der beiden übrigen. Atemlos kam er dicht vor mir zu Boden: er blutete von Steinen und Pfeilen, und schon kam jetzt vom Forum julium heran das ganze Rudel. Verzweifelnd sah er um sich und wollte nach rechts in die Friedens-Tempel-Straße, die ihn gerade nach seines Herrn Hause zurückgeführt hätte. Da sah ich vor uns das Portal der kleinen Basilika von Sankt Laurentius offen stehen. ‘Dorthin,’ rief ich ihm zu.«

      »In meiner Sprache! Er kennt meine Sprache«, rief Syphax.

      »Er kennt, glaub’ ich, alle Sprachen«, meinte Marcus Licinius.

      »’Dorthin’, wiederholte ich, ‘dort ist Asyl.’ Wie der Blitz war er die Stufen hinan, schon auf der letzten, da traf ihn ein Stein, daß er stürzte, und sein nächster Verfolger war oben und packte ihn. Aber glatt wie ein Aal rang er sich aus seinem Griff, stieß ihn die Stufen hinab und sprang in die Türe der Kirche.«

      »Da hattest du gewonnen«, sagte Kallistratos.

      »Ich wohl, aber er nicht. Denn die Priester von St. Laurentius, so eifersüchtig sie ihre Asylrechte wahren, so wenig haben sie Mitleid mit einem Heiden. Einen Tag lang bargen sie ihn: als sie aber erfuhren, daß er um der Schlange willen seinen Herrn niedergeschlagen, da stellten sie ihm die Wahl, Christ zu werden und den Götzen aufzugeben, oder Calpurnius und die Muränen.

      Syphax wählte den Tod. Ich erfuhr es und kaufte dem Zornigen seine Rache ab und das Leben dieses schlanken Burschen, des schönsten Sklaven in Rom.«

      »Kein schlechtes Geschäft«, meinte Marcus, »der Maure ist dir treu.«

      »Ich glaube«, sagte Cethegus, »tritt zurück, Syphax. Da bringt der Koch sein Meisterstück, so scheint’s.«

      ZEHNTES KAPITEL

      Es war eine sechspfündige Steinbutte, seit Jahren im Meerwasserweiher des Kallistratos mit Gänselebern gemästet. Der vielgepriesene »Rhombus« kam auf silberner Schüssel, ein goldenes Krönchen auf dem Kopf.

      »Alle guten Götter und du, Prophete Jonas!« lallte Balbus zurücksinkend in die Polster, »der Fisch ist mehr wert als ich selber.« — »Still, Freund«, warnte Piso, »daß uns nicht Cato höre, der gesagt: wehe der Stadt, wo ein Fisch mehr wert als ein Rind.« Schallendes Gelächter und der laute Ruf: Euge belle! übertönte den Zornruf des Halbberauschten.

      Der Fisch ward zerschnitten und köstlich erfunden.

      »Jetzt, ihr Sklaven, fort mit dem matten Massiker. Der edle Fisch will schwimmen in edlem Naß. Auf, Syphax, jetzt paßt, was ich zu dem Gelage beigesteuert. Geh und laß die Amphora hereinbringen, welche die Sklaven draußen in Schnee gestellt. Dazu die Phialen von gelbem Bernstein.«

      »Was bringst du Seltenes, aus welchem Land?« fragte Kallistratos. »Frag’, aus welchem Weltteil? bei diesem vielgereisten Odysseus«, sagte Piso.

      »Ihr müßt raten. Und wer errät, wer diesen Wein schon gekostet hat, dem schenk’ ich eine Amphora, so hoch wie diese.«

      Zwei Sklaven, eppichbekränzt, schleppten den mächtigen, dunkeln Krug herein: von schwarzbraunem Porphyr und fremdartiger Gestalt, mit hieroglyphischen Zeichen geschmückt und wohlvergipst oben an der Mündung.

      »Beim Styx! Kommt er aus dem Tartarus? Das ist ein schwarzer Gesell«, lachte Marcus.

      »Aber er hat eine weiße Seele — zeige sie, Syphax.« Der Nubier schlug mit dem Hammer aus Ebenholz, den ihm Ganymedes reichte, sorgfältig den Gips herunter, hob mit silberner Zange den Verschluß von Palmenrinde heraus, schüttete die Schicht Öl hinweg, die oben schwamm, und füllte die Pokale. Ein starker berauschender Geruch entstieg der weißen, klebrigen Flüssigkeit. Alle tranken mit forschender Miene.

      »Ein Göttertrank!« rief Balbus absetzend. — »Aber stark wie flüssiges Feuer«, sagte Kallistratos.