täglich eine besondere Sklavin lange Zeit.
Und doch hätte Theodora, damals noch nicht vierzig Jahre alt, auch ohne all diese Künste für ein ganz auffallend schönes Weib gelten müssen.
Edel freilich war dieses Antlitz nicht: kein großer, ja kein stolzer Gedanke sprach aus diesen angestrengten, unheimlich glänzenden Augen, um die Lippen schwebte ein zur Gewohnheit gewordenes Lächeln, das die Stelle der ersten künftigen Falte ahnen ließ: und die Wangen zeigten in der Nähe der Augen Spuren müder Erschöpfung.
Aber wie sie jetzt mit ihrem süßesten Lächeln auf Justinian zuschwebte, das schwere Faltenkleid von dunkelgelber Seide zierlich mit der Linken aufhebend, übte die ganze Erscheinung einen betäubenden Zauber, ähnlich dem süßen, einlullenden Geruch von indischem Balsam, der von ihr duftete.
»Was erfreut meinen kaiserlichen Herrn so sehr? Darf ich seine Freude teilen?« fragte sie mit süßer, einschmeichelnder Stimme. Die Anwesenden warfen sich vor der Kaiserin zur Erde, kaum minder ehrerbietig als vor Justinian.
Dieser aber schrak bei ihrem Anblick, wie auf einer Schuld ertappt, zusammen und wollte das Bild in der Busenfalte seiner Chlamys verbergen. Aber zu spät. Schon haftete der Kaiserin scharfer Blick darauf.
»Wir bewunderten«, sagte er verlegen, »die — die schöne Goldarbeit des Rahmens.« Und er reichte ihr errötend das Bild.
»Nun, an dem Rahmen«, lächelte Theodora, »ist beim besten Willen nicht viel zu bewundern. Aber das Bild ist nicht übel. Gewiß die Gotenfürstin?« Der Gesandte nickte. »Nicht übel, wie gesagt. Aber barbarisch, streng, unweiblich. Wie alt mag sie sein, Alexandros?«
»Etwa fünfundvierzig.«
Justinian blickte fragend auf das Bild, dann auf den Gesandten. »Das Bild ist vor fünfzehn Jahren gemacht«, sagte Alexandros wie erklärend.
»Nein«, sprach der Kaiser, »du irrst; hier steht die Jahreszahl nach Indiktion und Konsul und ihrem Regierungsantritt: es ist von diesem Jahr.«
Eine peinliche Pause entstand.
»Nun«, stammelte der Gesandte, »dann schmeicheln die Maler wie —« — »Wie die Höflinge«, schloß der Kaiser. Aber Theodora kam ihm zu Hilfe.
»Was plaudern wir von Bildern und dem Alter fremder Weiber, wo es sich um das Reich handelt. Welche Nachrichten bringt Alexandros? Bist du entschlossen, Justinianus?« — »Beinahe bin ich es. Nur deine Stimme wollte ich noch hören, und du, das weiß ich, bist für den Krieg.«
Da sagte Narses ruhig: »Warum, Herr, hast du uns nicht gleich gesagt, daß die Kaiserin den Krieg will? Wir hätten unsre Worte sparen können.« — »Wie? Willst du damit sagen, daß ich der Sklave meines Weibes bin?« — »Hüte besser deine Zunge«, sagte Theodora zornig, »schon manchen, der sonst unverwundbar schien, hat die eigne spitze Zunge erstochen.«
»Du bist sehr unvorsichtig, Narses«, warnte Justinian.
»Imperator«, sagte dieser ruhig, »die Vorsicht hab’ ich längst aufgegeben. Wir leben in einer Zeit, in einem Reich, an einem Hof, wo man um jedes mögliche Wort, das man gesprochen oder nicht gesprochen hat, in Ungnade fallen, zugrunde gehen kann. Da mir nun jedes Wort den Tod bringen kann, will ich wenigstens an solchen Worten sterben, die mir selbst gefallen.«
Der Kaiser lächelte: »Du mußt gestehn, Patricius, daß ich viel Freimut ertrage.«
Narses trat auf ihn zu: »Du bist groß von Natur, o Justinianus, und ein geborner Herrscher: sonst würde Narses dir nicht dienen. Aber Omphale hat selbst Herkules klein gemacht.«
Die Augen der Kaiserin sprühten tödlichen Haß. Justinian ward ängstlich.
»Geht«, sagte er, »ich will mit der Kaiserin allein beraten. Morgen vernehmt ihr meinen Entschluß.«
SECHZEHNTES KAPITEL
Sowie sie draußen waren, schritt Justinian auf seine Gattin zu und drückte einen Kuß auf ihre weiße niedre Stirn. »Vergib ihm«, sagte er, »er meint es gut.«
»Ich weiß es«, sagte sie, seinen Kuß erwidernd. »Darum, und weil er unentbehrlich ist gegen Belisar, darum lebt er noch.« — »Du hast recht, wie immer.« Und er schlang den Arm um sie. »Was hat er Besondres vor?« dachte Theodora. »Diese Zärtlichkeit deutet auf ein schlechtes Gewissen.«
»Du hast recht«, wiederholte er, mit ihr im Gemach auf und nieder schreitend. »Gott hat mir den Geist versagt, der die Schlachten entscheidet, aber mir dafür diese beiden Männer des Sieges gegeben — und zum Glück ihrer zwei. Die Eifersucht dieser beiden sichert meine Herrschaft besser als ihre Treue: jeder dieser Feldherren allein wäre eine stete Reichsgefahr, an dem Tage, da sie Freunde würden, wankte mein Thron. Du schürst doch ihren Haß?«
»Er ist leicht zu schüren: zwischen ihnen ist eine natürliche Feindschaft wie zwischen Feuer und Wasser. Und jede Bosheit des Verschnittenen erzähl’ ich mit großer Entrüstung meiner Freundin Antonina, des Helden Belisar Weib und Gebieterin.« — »Und jede Grobheit des Helden Belisar bericht’ ich treulich dem reizbaren Krüppel. Aber zu unsrer Beratung. Ich bin, nach dem Bericht des Alexandros, so gut wie entschlossen zu dem Zug nach Italien.«
»Wen willst du senden?« — »Natürlich Belisar. Er verheißt, mit dreißigtausend zu vollbringen, was Narses kaum mit achtzigtausend übernehmen will.«
»Glaubst du, daß jene kleine Macht genügen wird?«
»Nein. Aber Belisars Ehre ist verpfändet: er wird all seine Kraft aufbieten, und es wird ihm doch nicht ganz gelingen.« — »Und das wird ihm sehr heilsam sein. Denn seit dem Vandalensieg ist sein Stolz nicht mehr zu ertragen.« — »Aber er wird drei Viertel der Arbeit tun. Dann rufe ich ihn ab, breche selbst mit sechzigtausend auf, nehme Narses mit, vollende im Spiel das letzte Viertel und bin dann auch ein Feldherr und ein Sieger.«
»Fein gedacht«, sagte Theodora in aufrichtiger Bewunderung seiner Schlauheit: »dein Plan ist reif.«
»Freilich«, sagte Justinian seufzend stehenbleibend. »Narses hat recht, im geheimen Grund des Herzens muß ich’s zugestehen. Es wäre dem Reiche heilsamer, die Perser abwehren, als die Goten angreifen. Es wäre mehr sichere, weisere Politik. Denn vom Osten kommt einst das Verderben.«
»Laß es kommen! Das kann noch Jahrhunderte anstehn, wenn von Justinian nur noch der Ruhm auf Erden lebt, wie Afrika, so Italien zurückgewonnen zu haben. Hast du für die Ewigkeit zu bauen? Die nach dir kommen, mögen für ihre Gegenwart sorgen: sorge du für die deine.« — »Wenn man aber dann sprechen wird: hätte Justinian verteidigt, statt zu erobern, so stünd’ es besser? Wenn man sagen wird: Justinians Siege haben sein Reich zerstört?« — »So wird niemand sprechen. Die Menschen blendet der Glanz des Ruhms. Und noch eins« — und hier verdrängte der Ernst der tiefsten Überzeugung den Ausdruck listiger Beschwatzung von ihren schmeichelnden Zügen.
»Ich ahn’ es, doch vollende.«
»Du bist nicht nur Kaiser, du bist ein Mensch.
Höher als das Reich muß dir deiner Seele Seligkeit stehen. Auf deinem, auf unsrem Pfad zur Herrschaft, zu dem Glanz dieser Herrschaft mußte mancher blut’ge Schritt geschehn: manches Harte mußte getan werden: Leben und Schätze so manchen gefährlichen Feindes mußten — genug.
Wohl bauen wir mit einem Teil dieser Schätze der heiligen, der christlichen Weisheit jenen Siegestempel, der allein schon unsern Namen unsterblich machen wird auf Erden. Aber für den Himmel — wer weiß, ob es genügt!
Laß uns« — und ihr Auge erglühte von unheimlichem Feuer — »laß uns die Ungläubigen vertilgen und über die Leichen der Feinde Christi hin den Weg zur Gnade suchen.« Justinian drückte ihre Hand. »Auch die Perser sind Feinde Christi, sind sogar Heiden.« — »Hast du vergessen, was der Patriarch gelehrt? Ketzer sind siebenmal schlimmer als Heiden! Ihnen ward der rechte Glaube gebracht, und sie haben ihn verschmäht. Das ist die Sünde wider den heiligen Geist, die nie vergeben wird — auf Erden und im Himmel. Du aber bist das Schwert, das diese