dich Italien, Rom, die Stätte, wo der Apostelfürsten Blut geflossen, die heil’ge Stadt: nicht länger darf sie diesen Ketzern dienen. Justinian, gib sie dem wahren Glauben wieder.«
Sie hielt inne. Der Kaiser blickte schwer aufatmend zu dem Goldkreuz empor. »Du deckst die letzten Tiefen meines Herzens auf: das ist es ja, was, noch mächtiger als Ruhm und Siegesehre, mich zu diesen Kriegen treibt. Aber bin ich fähig, bin ich würdig, so Großes, so Heiliges zu Gottes Ehre zu vollenden? Will er durch meine sünd’ge Hand so Großes vollführen? Ich zweifle, ich schwanke. Und der Traum, der mir in dieser Nacht geworden, war er von Gott gesendet? Und was soll er bedeuten? Treibt er zum Angriff, oder mahnt er ab? Nun hatte deine Mutter Komito, die Wahrsagerin von Kypros, große Weisheit, Ahnungen und Träume zu deuten.« —
»Und du weißt, die Gabe ist erblich. Habe ich dir nicht auch den Ausgang des Vandalenkrieges aus deinem Traume gedeutet?«
»Du sollst mir auch diesen Traum erklären. Du weißt, ich werde irre an dem besten Plan, wenn ein Omen dawider spricht. Höre denn. Aber« — und er warf einen ängstlichen Blick auf sein Weib —, »aber bedenke, daß es ein Traum war und kein Mensch für seine Träume kann.«
»Natürlich, sie sendet Gott.« — »Was werd’ ich vernehmen?« sagte sie zu sich selbst.
»Ich war gestern nacht eingeschlafen, erwägend den letzten Bericht über Amala — über Italien. Da träumte mir, ich ging durch eine Landschaft mit sieben Hügeln. Dort ruhte unter einem Lorbeer das schönste Weib, das ich je gesehen. Ich stand vor ihr und betrachtete sie mit Wohlgefallen. Plötzlich brach aus dem Busch zur Rechten ein brüllender Bär, aus dem Gestein zur Linken eine zischende Schlange gegen die Schlummernde hervor. Aufwachend rief sie meinen Namen. Rasch ergriff ich sie, drückte sie an meine Brust und floh mit ihr: rückblickend sah ich, wie der Bär die Schlange zerriß und die Schlange den Bären zu Tode biß.«
»Nun, und das Weib?«
»Das Weib drückte einen flüchtigen Kuß auf meine Stirn und war plötzlich wieder verschwunden, und ich erwachte, vergebens die Arme nach ihr ausstreckend. Das Weib«, fuhr er rasch fort, ehe Theodora nachsinnen sollte, »ist natürlich Italien.«
»Jawohl«, sagte die Kaiserin ruhig. Aber ihr Busen wogte. »Der Traum ist der glücklichste. Bär und Schlange sind Barbaren und Italier, die um die Siebenhügelstadt ringen. Du entreißest sie beiden und läßt sie sich gegenseitig vernichten.
»Aber sie entschwindet mir wieder — sie bleibt mir nicht.«
»Doch. Sie küßt dich und verschwindet in deinen Armen. So wird Italien aufgehn in deinem Reich.«
»Du hast recht«, rief Justinian aufspringend. »Sei bedankt, mein kluges Weib. Du bist die Leuchte meiner Seele. Es sei gewagt: Belisar soll ziehn.«
Und er wollte den Velarius rufen. Doch hielt er plötzlich an. »Aber noch eins.« Und die Augen niederschlagend, faßte er ihre Hand.
»Ah«, dachte Theodora, »jetzt kommt’s.«
»Wenn wir nun das Gotenreich zerstört und in die Hofburg von Ravenna mit Hilfe der Königin selbst eingezogen sind — was — was soll dann mir ihr, der Fürstin, werden?«
»Nun«, sagte Theodora völlig unbefangen, »was mit ihr werden soll? Was mit dem entthronten Vandalenkönig geworden. Sie soll hierher, nach Byzanz.«
Justinian atmete hoch auf. »Mich freut es, daß du das Richtige fandest.«
Und in wirklicher Freude drückte er ihr die schmale, weiße, wunderzierliche Hand.
»Mehr als das«, fuhr Theodora fort. »Sie wird um so leichter auf unsre Pläne eingehen, je sicherer sie einer ehrenvollen Aufnahme hier entgegensieht. So will ich selbst ihr ein schwesterliches Schreiben senden, sie einzuladen. Sie soll im Fall der Not stets ein Asyl an meinem Herzen finden.«
»Du weißt gar nicht«, fiel Justinian eifrig ein, »wie sehr du dadurch unsern Sieg erleichterst. Die Tochter Theoderichs muß völlig von ihrem Volk hinweg zu uns gezogen werden. Sie selbst soll uns nach Ravenna führen.«
»Dann kannst du aber nicht gleich Belisar mit einem Heere senden. Das würde sie nur argwöhnisch machen und widerspenstig. Sie muß völlig in unsern Händen, das Barbarenreich von innen heraus gebrochen sein, ehe das Schwert Belisars aus der Scheide fährt.«
»Aber in der Nähe muß er von jetzt an stehen.«
»Wohl, etwa auf Sizilien. Die Unruhen in Afrika geben den besten Vorwand, eine Flotte in jene Gewässer zu senden. Und sowie das Netz gelegt, muß Belisars Arm es zuziehn.«
»Aber wer soll es legen?«
Theodora dachte eine Weile nach; dann sagte sie:
»Der geistgewaltigste Mann des Abendlands: Cethegus Cäsarius, der Präfekt von Rom, mein Jugendfreund.«
»Recht. Aber nicht er allein. Er ist ein Römer, nicht mein Untertan, mir nicht völlig sicher. Wen soll ich senden. Noch einmal Alexandros?«
»Nein«, rief Theodora rasch, »er ist zu jung für ein solches Geschäft, nein.« Und sie schwieg nachdenklich. »Justinian«, sprach sie endlich, »auf daß du siehst, wie ich persönlichen Haß vergessen kann, wo es das Reich gilt und der rechte Mann gewählt werden muß, schlage ich dir selber meinen Feind vor: Petros, des Narses Vetter, des Präfekten Studiengenossen, den schlauen Rhetor — ihn sende.«
»Theodora« — rief der Kaiser erfreut, sie umarmend, »du bist mir wirklich von Gott geschenkt. Cethegus — Petros — Belisar: Barbaren, ihr seid verloren!«
SIEBZEHNTES KAPITEL
Am Morgen darauf erhob sich die schöne Kaiserin vergnügt von dem schwellenden Pfühl, dessen weiche Kissen, mit blaßgelber Seide überzogen, mit den zarten Halsfedern des pontischen Kranichs gefüllt waren.
Vor dem Bette stand ein Dreifuß mit einem silbernen Becken, den Okeanos darstellend, darin lag eine massiv goldne Kugel. Die weiche Hand der Kaiserin hob lässig die Kugel und ließ sie klingend in das Becken fallen: der helle Ton rief die syrische Sklavin in das Gemach, die im Vorzimmer schlief. Mit auf der Brust gekreuzten Armen trat sie an das Lager und schlug die schweren Vorhänge von violetter chinesischer Seide zurück. Dann ergriff sie den sanften iberischen Schwamm, der, in Eselsmilch getränkt, in kristallner Schale ruhte, und bestrich damit sorgfältig die Masse von öligem Teig, die Gesicht und Hals der Kaiserin während der Nacht bedeckte.
Dann kniete sie vor dem Bette nieder, das Haupt fast zur Erde gebeugt, und reichte die rechte Hand hinauf.
Theodora faßte diese Hand, setzte langsam den kleinen Fuß auf den Nacken der Knienden und schwang sich dann elastisch zur Erde. Die Sklavin erhob sich und warf der Herrin, die jetzt, nur mit der Untertunika von feinstem Batist bekleidet, auf dem Palmenholzrand des Bettes saß, den feinen Ankleidemantel von Rosagewebe über die Schultern.
Dann verneigte sie sich, wandte sich zur Tür, rief: »Agave!« und verschwand. Agave, eine junge, schöne Thessalierin, trat ein; sie rollte dicht vor die Herrin den mit unzähligen Büchschen und Fläschchen besetzten Waschtisch von Citrusholz und begann, ihr Gesicht, Nacken und Hände mit weichen, in verschiedene Weine und Salben getauchten Tüchern zu reiben.
»Das große Bad erst gegen Mittag!« sagte sie.
Darauf erhob sich diese vom Lager und glitt auf den bunten, mit Pardelfell überzogenen Stuhl, die Kathedra.
Da schob Agave eine ovale Wanne von Terebinthenholz heran, außen mit Schildpatt bekleidet, gefüllt mit köstlich duftendem Wasser, und hob die zierlichen, glänzend weißen Füße der Herrin hinein. Hierauf löste sie das Netz von Goldfäden, das die Nacht über die blau glänzenden Haare der Kaiserin zusammenhielt, so daß jetzt die weichen schwarzen Wellen über Schultern und Brust wallen konnten. Sie schlang ihr noch das breite Busenband von Purpur um, verneigte sich und ging mit dem Rufe: »Galatea!«
Eine betagte Sklavin löste sie ab, die Amme und Wärterin und, leider müssen wir hinzufügen, die Kupplerin Theodoras in der Zeit,