wie einen Gott des Lichts durch diese dunkle Welt schreiten zu sehen: der edle Mut siegessichrer Kraft, der Schwung, die freudige Wahrhaftigkeit deines Wesens ist mein Stolz: daß alles Kleine, Dumpfe, Gemeine versinken muß, wo du nahest, das ist mein Glück. Ich liebe dich wie eine Sterbliche den Sonnengott, der ihr in Fülle seines Lichts genaht. Und deshalb kann ich an dir nichts Heimliches, Verstecktes dulden. Auch die Wonnen dieser Stunden nicht — sie sind erlistet, und es kann nicht länger also sein.«
»Nein, Valeria, und es soll auch nicht. Ich fühle ganz wie du. Auch mir ist die Lüge dieser Mummerei verhaßt, ich trage sie nicht länger. Ich bin gekommen, ihr ein Ende zu machen. Morgen, morgen werf’ ich diese Täuschung ab und spreche zu deinem Vater offen und frei.« — »Dieser Entschluß ist der beste, denn« —
»Denn er rettet dein Leben, Jüngling!« unterbrach plötzlich eine tiefe Stimme, und aus dem dunklen Hintergrund der Grotte trat ein Mann und stieß das blanke Schwert in die Scheide.
»Mein Vater!« rief Valeria überrascht, doch in mutiger Fassung. Totila schlang seinen Arm um sie, sein Kleinod zu verteidigen.
»Hinweg, Valeria, fort von dem Barbaren!« sprach Valerius, befehlend den Arm ausstreckend.
»Nein, Valerius«, sagte Totila, die Geliebte fester an sich drückend, »ihr Platz ist forthin an dieser Brust.«
»Verwegner Gote!«
»Höre mich, Valerius, und zürne uns nicht um dieser Täuschung willen. Du hast es selbst gehört, schon morgen sollte sie enden.«
»Zu deinem Glück hab’ ich’s gehört. Gewarnt von dem ältesten meiner Freunde, wollt’ ich doch kaum glauben, daß meine Tochter — mich hintergeht. Als ich’s glauben mußte, beschloß ich, daß dein Blut deine List bezahlen sollte. Dein Entschluß hat dein Leben gerettet. Jetzt aber flieh: du siehst ihr Antlitz niemals wieder.« —
Totila wollte heftig erwidern, aber Valeria kam ihm zuvor: »Vater«, sprach sie ruhig, zwischen die Männer tretend, »höre dein Kind. Ich will meine Liebe nicht entschuldigen, sie bedarf es nicht, sie ist göttlich und notwendig wie die Sterne: die Liebe zu diesem Mann ist das Leben meines Lebens.
Du kennst meine Seele: Wahrheit ist ihr Äther, und ich sage dir, bei meiner Seele: nie werd’ ich lassen von diesem Mann!« — »Und niemals ich von ihr«, rief Totila und ergriff ihre Rechte.
Hochaufgerichtet stand das junge Paar, vom Licht des Mondes voll beleuchtet, vor dem Alten: ihre edlen Züge und Gestalten trugen im Augenblick die Weihe heiliger Begeisterung: und so schön war die Gruppe, daß ein rührendes, erweichendes Gefühl davon sich unwillkürlich dem zürnenden Vater aufdrängte. »Valeria, mein Kind!«
»O mein Vater! Du hast mit einer Liebe und Treue all meine Schritte geleitet, daß ich bisher die Mutter, die verlorene, zwar beklagte, aber kaum vermißte. Jetzt, in dieser Stunde, vermiß’ ich sie zum erstenmal: jetzt, ich fühl’ es, bedürfte ich ihrer Fürsprache. O so laß ihr Andenken wenigstens für mich sprechen. Laß mich dir ihr Bild vor die Seele führen und dich an den Augenblick erinnern, da dich die Sterbende zum letztenmal an ihr Lager rief und dir, wie du mir oft gesagt, mein Glück auf die Seele band als heiligstes Vermächtnis.« —
Valerius drückte die linke Hand vor die Stirn; seine Tochter wagte die andre zu fassen, er entzog sie ihr nicht, offenbar rang es gewaltig in des Alten Brust. Endlich sprach er: »Valeria, du hast ein mächtig Wort gesprochen, ohne es zu wissen. Es wäre unrecht, dir zu verschweigen, was du ahnungsvoll berührt. Erfahre, was deine Mutter in jener Sterbestunde mir auferlegt. Noch immer drückte ihre Seele jenes Gelübde, das wir doch lange abgelöst. ‘Soll unser Kind nicht Braut des Himmels werden’, sprach sie, ‘so gelobe mir wenigstens, die Freiheit ihrer Wahl zu ehren. Ich weiß, wie römische Mädchen, zumal die Töchter unsres Standes, in die Ehe gegeben werden, ungefragt, ohne Liebe: ein solcher Bund ist ein Elend auf Erden und ein Greuel vor dem Herrn. Meine Valeria wird edel wählen — gelobe mir, sie dem Mann ihrer Wahl anzuvertrauen und keinem sonst.’
Und ich gelobte es in ihre lebende Hand. Aber mein Kind einem Barbaren geben, einem Feind Italiens, nein, nein!« Und mit heftiger Armbewegung riß er sich von ihr los.
»Ich bin vielleicht so gar barbarisch nicht, Valerius«, hob Totila an. »Wenigstens bin ich in meinem ganzen Volk der wärmste Freund der Römer. Glaube mir, nicht euch hasse ich; die ich verabscheue, sind eure wie unsre verderblichsten Feinde — die Byzantiner!«
Das war ein glückliches Wort. Denn in dem Herzen des alten Republikaners war der Haß gegen Byzanz die Kehrseite seiner Liebe zur Freiheit und zu Italien. Er schwieg, aber sein Auge ruhte sinnend auf dem Jüngling.
»Mein Vater«, sprach Valeria, »dein Kind würde keinen Barbaren lieben. Lern’ ihn kennen: und schiltst du ihn dann noch barbarisch — so will ich nie die Seine werden. Ich fordre nichts von dir als: lern’ ihn kennen, entscheide du selbst, ob meine Wahl edel sei oder nicht.
Ihn lieben alle Götter, und alle Menschen müssen ihm gut sein — du allein wirst ihn nicht verwerfen.«
Und sie faßte seine Hand.
»O lerne mich kennen, Valerius«, bat Totila, innig seine andre Hand ergreifend. Der Alte seufzte. Endlich sprach er: »Kommt mit mir zum Grabe der Mutter. Dort ragt es unter den Zypressen. Da ruht die Urne mit ihrem Herzen. Dort laßt uns ihrer gedenken, der edelsten Frau, und ihren Schatten anrufen. Und ist es echte Liebe und eine edle Wahl — so werd’ ich erfüllen, was ich gelobt.«
VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Einige Wochen später finden wir zu Rom in dem uns wohl erinnerlichen Schreibgemach mit der Cäsarstatue Cethegus, den Präfekten, und unsern neuen Bekannten, Petros, des Kaisers oder vielmehr der Kaiserin Gesandten.
Die beiden Männer hatten unter lebhaftem Gespräch und wechselseitigem Erinnern an frühere Zeiten — sie waren Studiengenossen, wie wir erfuhren — zu einfachem Mahl einen Krug alten Massikers geleert und waren soeben aus dem Speisesaal in das abgelegene Arbeitszimmer getreten, um jetzt ungestört von den bedienenden Sklaven Geheimeres zu besprechen.
»Sobald ich mich überzeugt hatte«, schloß Cethegus seinen Bericht über die letzten Ereignisse, »daß die Schreckensnachrichten aus Ravenna nur erst Gerüchte waren, vielleicht erdichtet, jedenfalls übertrieben, setzte ich der Aufregung und dem Eifer meiner Freunde die größte Ruhe entgegen. Der Feuerkopf Lucius Licinius mit seiner törichten Begeisterung für mich hätte bald alles verdorben. Unablässig forderte er meine Diktatur, buchstäblich setzte er mir das Schwert auf die Brust und schrie, man müsse mich zwingen, das Vaterland zu retten. Er schwatzte so viel aus der Schule, daß es nur ein Glück war, der schwarze Korse — der es mit den Barbaren zu halten scheint, niemand weiß recht, warum — nahm ihn für mehr berauscht als er war. Endlich kam die Nachricht, Amalaswintha sei zurückgekehrt, und so beruhigten sich allmählich Volk und Senat.«
»Du aber«, sagte Petros, »hattest zum zweitenmal Rom vor der Rache der Barbaren gerettet — ein unvergeßliches Verdienst, das dir die ganze Welt, zunächst aber die Regentin, danken muß.« — »Die Regentin — arme Frau!« meinte Cethegus achselzuckend, »wer weiß, wie lange die Goten oder deine Gebieter zu Byzanz sie noch werden auf dem Throne lassen.«— »Wie? Da irrst du sehr!« fiel Petros eifrig ein. »Meine Sendung hat vor allem den Zweck, ihren Thron zu stützen; und bei dir wollte ich eben anfragen, wie man das am besten könne«, setzte er pfiffig hinzu.
Aber der Präfekt lehnte sein Haupt zurück an die Marmorwand und sah den Gesandten lächelnd an: »O Petros, o Petre«, sagte er, »warum so verdeckt? Ich dächte doch, wir kennten uns besser.«
»Was meinst du?« fragte der Byzantiner befangen.
»Ich meine, daß wir nicht umsonst Recht und Geschichte miteinander studiert haben zu Berytus und Athen. Ich meine, daß wir damals schon unzählige Male als Jünglinge, lustwandelnd und Weisheit austauschend, zu dem Ergebnis gelangten: der Kaiser müsse diese Barbaren austreiben aus Italien und wieder zu Rom herrschen wie zu Byzanz. Und da nun ich noch denke wie dazumal, wirst wohl auch du nicht ein andrer geworden sein.« — »Ich habe meine Ansicht der