Felix Dahn

Ein Kampf um Rom


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»keine Phrasen und keine Lügen. Sie sind nicht angewandt bei mir. Sieh, Petros, es ist wieder dein alter Fehler: du bist immer zu pfiffig, um klug zu sein. Du meinst, es muß immer gelogen sein, und hast nie den Mut zur Wahrheit. Man muß aber nur dann lügen, wenn man in seiner Lüge ganz sicher ist. Wie kannst du mich darüber täuschen wollen, daß der Kaiser Italien wieder haben will? Ob er die Regentin stürzen oder halten will, hängt davon ab, ob er glaubt, ohne oder mit ihr leichter ans Ziel zu kommen. Wie er hierüber denkt, das soll ich nicht erfahren. Aber sieh, trotz all deiner Verschmitztheit, sobald wir noch einmal zusammengewesen, sag’ ich dir ins Gesicht, was dein Kaiser hierin vorhat.«

      Ein boshaftes und bittres Lächeln spielte um des Gesandten Mund: »Noch immer so stolz, wie in der Dialektik zu Athen«, sagte er giftig. — »Jawohl, und du weißt, zu Athen war ich immer der Erste, Prokopius der Zweite, und erst der Dritte warst du.«

      Da trat Syphax ein:

      »Eine verhüllte Frau, o Herr«, meldete er, »sie wartet dein im Zeussaal.«

      Sehr froh, diese Unterredung abgebrochen zu sehen, denn er fühlte sich dem Präfekten nicht gewachsen, grinste Petros: »Nun, ich wünsche Glück zu solcher Störung.«

      »Ja, dir!« lächelte Cethegus und ging hinaus.

      »Hochmütiger, du sollst noch deinen Spott bereuen«, dachte der Byzantiner.

      Cethegus fand in dem Saale, der von einer schönen Zeusstatue des Glykon von Athen den Namen trug, eine in gotischer Tracht reich gekleidete Frau; sie schlug bei seinem Eintritt die Kapuze des braunen Mantels zurück.

      »Fürstin Gothelindis«, fragte der Präfekt überrascht, »was führt dich zu mir.

      »Die Rache!« erwiderte eine heisere, unschöne Stimme, und die Gotin trat dicht an ihn heran. Sie zeigte scharfe, aber nicht häßliche Züge: und man hätte sie sogar schön nennen müssen, wenn nicht das linke Auge ausgeflossen und die ganze linke Wange durch eine große Narbe entstellt gewesen wäre: diese Wunde schien jetzt frisch zu bluten, da dem leidenschaftlichen Weibe die Röte in die Wangen schoß, wie sie bei jenem Wort die Faust ballte. So tödlicher Haß loderte aus dem einen grauen Auge, daß Cethegus unwillkürlich von ihr zurücktrat.

      »Rache?« fragte er, »an wem?«

      »An — davon später. Vergib«, sagte sie, sich fassend, »daß ich euch störe. Dein Freund Petros, der Rhetor von Byzanz, ist bei dir, nicht wahr?«

      »Ja. Woher weißt du —«

      »Oh, ich sah ihn vor der Coena durch deine Portikus eintreten«, sagte sie gleichgültig.

      »Das ist nicht wahr«, sprach Cethegus im Geiste, »ich hab’ ihn ja zur Gartentür hereinführen lassen. Also haben sich die beiden hier zusammenbestellt. Ich soll das nicht ahnen. Aber was haben sie mit mir vor?«

      »Ich will dich nicht lange hier festhalten«, fuhr Gothelindis fort. »Ich habe nur eine Frage an dich. Antworte kurz ja oder nein. Ich kann das Weib — die Tochter Theoderichs — stürzen, und ich will’s: bist du darin für mich oder gegen mich?«

      »Oh, Freund Petros«, dachte der Präfekt, »jetzt weiß ich bereits, was du mit Amalaswinthen vorhast. Aber wir wollen sehen, wie weit ihr schon seid.«

      »Gothelindis«, hob er ausholend an, »du willst die Regentin stürzen — das glaub’ ich dir — aber daß du’s kannst, bezweifle ich.«

      »Höre, dann entscheide, ob ich’s kann. Das Weib hat die drei Herzoge ermorden lassen.«

      Cethegus zuckte die Achseln: »Das glauben manche Leute.«

      »Aber ich kann es beweisen.«

      »Das wäre«, meinte Cethegus ungläubig. — »Herzog Thulun, wie du weißt, starb nicht sofort. Er ward auf der ämilischen Straße überfallen, nahe bei meiner Villa zu Tannetum: meine Colonen fanden ihn und brachten ihn in mein Haus. Du weißt, er war mein Vetter — ich bin aus dem Hause der Balten — er verschied in meinen Armen.«

      »Nun, und was sagte der Kranke im Wundfieber?«

      »Nichts Wundfieber! Herzog Thulun traf noch im Stürzen den Mörder mit dem Schwert: er entkam nicht weit; meine Colonen suchten ihn und fanden ihn sterbend im nächsten Walde: er hat mir alles gestanden.«

      Cethegus drückte nur unmerklich die Lippen zusammen. »Nun, wer war er? Was hat er ausgesagt?«

      »Er war«, sprach Gothelindis scharf, »ein isaurischer Söldner, ein Aufseher der Schanzarbeiten zu Rom, und sagte aus: Cethegus, der Präfekt, hat mich zur Regentin, die Regentin zu Herzog Thulun gesendet.«

      »Wer hörte dies Geständnis außer dir?« fragte Cethegus lauernd.

      »Niemand. Und niemand soll davon hören, wenn du zu mir stehest. Wenn aber nicht, dann —«

      »Gothelindis«, unterbrach der Präfekt, »keine Drohung: sie nützt dir nichts. Du solltest einsehen, daß du mich dadurch nur erbittern, nicht zwingen kannst. Ich lasse es im Notfall zur offnen Anklage kommen: du bist als grimmige Feindin Amalaswinthens bekannt: dein Zeugnis allein — du warst unvorsichtig genug, zu gestehen, daß niemand sonst das Geständnis gehört — wird weder sie noch mich verderben. Zwingen kannst du mich zum Kampfe gegen die Regentin nicht: höchstens überreden, wenn du mir’s als meinen eignen Vorteil darstellen kannst. Und dazu will ich selbst dir einen Verbündeten schaffen. Du kennst doch Petros, meinen Freund?«

      »Genau, seit lange.«

      »Erlaube, daß ich ihn zu dieser Unterredung herbeihole.«

      Er ging in das Studierzimmer zurück. »Petros, mein Besuch ist die Fürstin Gothelindis, Theodahads Gemahlin. Sie wünscht uns beide zu sprechen. Kennst du sie?«

      »Ich? O nein; ich habe sie nie gesehen!« sagte der Rhetor rasch.

      »Gut; folge mir.« Sowie sie in den Saal des Zeus traten, rief Gothelindis ihm entgegen:

      »Gegrüßt, alter Freund, welch überraschend Wiedersehn.«

      Petros verstummte.

      Cethegus, die Hände auf den Rücken gelegt, weidete sich an der Bestürzung des Diplomaten von Byzanz. Nach einer peinlichen Pause hob er an: »Du siehst, Petros, immer zu pfiffig, immer unnötige Feinheiten. Aber komm, laß dich eine entdeckte List mehr nicht so niederschlagen. Ihr beide habt euch also verbunden, die Regentin zu stürzen. Mich wollt ihr gewinnen, euch dabei zu helfen. Dazu muß ich genau wissen, was ihr weiter vorhabt. Wen wollt ihr auf Amalaswinthens Thron setzen? Denn noch ist der Weg für Justinian nicht frei.«

      Beide schwiegen eine Weile. Es überraschte sie sein klares Durchschauen der Lage. Endlich sprach Gothelindis: »Theodahad, meinen Gemahl, den letzten Amelungen.«

      »Theodahad, den letzten, der Amelungen«, wiederholte Cethegus langsam. Indessen überlegte er alle Gründe für und wider. Er bedachte, daß Theodahad, unbeliebt bei den Goten, durch Petros erhoben, bald ganz in der Hand der Byzantiner stehen und die Katastrophe durch Herbeirufung des Kaisers anders, früher als er wollte, herbeiführen würde.

      Er bedachte, daß er jedenfalls die Heere der Oströmer möglichst lange fernhalten müsse, und er beschloß bei sich, die gegenwärtige Lage und Amalaswintha aufrechtzuerhalten, da sie ihm Zeit zu seinen Vorbereitungen ließen. All das hatte er im Augenblick gedacht, erwogen, beschlossen. »Und wie wollt ihr nun eure Sache angehn?« fragte er ruhig.

      »Wir werden das Weib auffordern, zugunsten meines Gatten abzudanken, unter Androhung, sie des Mordes anzuklagen.«

      »Und wenn sie’s darauf wagt?«

      »So vollführen wir die Drohung«, sagte Petros, »und erregen unter den Goten einen Sturm, der ihr —«

      »Das Leben kostet«, rief Gothelindis.

      »Vielleicht die Krone kostet«, sagte Cethegus. »Aber gewiß sie nicht Theodahad zuwendet. Nein, wenn die Goten einen König wählen, heißt er nicht Theodahad.«

      »Nur zu wahr!«