Franz Treller

Verwehte Spuren


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— und meine Schwester?«

      »Waren dort am zweiten Tage, hatten eine blutige Frolic mit den Ottawas, suchten nach Walthers Farm — fanden sie, Walthers Leiche auch — aber von Frau und Kind keine Spur — waren verschwunden.«

      »Ihr fandet ihre Leichen nicht?«

      »Nichts — so viel wir suchten. Haben geforscht, ob die Roten sie fortgeführt hätten, haben die Regierungsmänner geforscht, haben einen hohen Preis ausgesetzt, um Gewißheit über das Schicksal von Lady Walther zu erhalten — nichts — alles nichts — konnten nichts erfahren; ob sie noch lebt — wo und wie sie ihr Ende fand — ich weiß es nicht.«

      »Mein Gott, mein Gott — meine arme, arme Schwester —« stöhnte der Graf und senkte den Kopf auf den Tisch. Alle schwiegen, den Schmerz des Bruders achtend.

      Der Graf richtete sich wieder auf und sagte, wenn auch mit bebender Stimme, doch in einem Tone, welcher festen Entschluß verkündigte: »Ich will Gewißheit über ihr Schicksal haben, und wenn ich die Wälder von Nord bis Süd durchforschen muß. — O Mister Baring,« fuhr er dann fort, »wie danke ich Euch für die Liebe und Teilnahme, welche Ihr meiner Schwester erwiesen habt.« Er ergriff seine Hände und schüttelte sie herzlich.

      »Hatten sie lieb, ist ein Fakt. Müßt‘s ertragen. Mann, ist Gottes Wille so gewesen — dürfen nicht murren.«

      »Arme, arme Schwester! — — — Und — haltet Ihr‘s für möglich — daß sie noch lebt?«

      »Will Euch sagen. Mann,« entgegnete Baring nach einer Weile — »müßt Euch keine Hoffnungen machen. Möglich — möglich — wäre es — aber wahrscheinlich ist‘s nicht. Ich glaube, die Indianer haben sie und das Kind fortgeschleppt, um vielleicht später Lösegeld zu erpressen, und sie ist den Anstrengungen eines indianischen Eilmarsches mit seinen Entbehrungen erlegen. Die Ottawas sitzen längst wieder friedlich auf ihren Reservationen — und wir müßten etwas von Lady Walther erfahren haben, wenn sie noch lebte. Wir und später die Regierungstruppen sind streng mit den Roten ins Gericht gegangen; eine Gefangene zu verbergen, für den Fall sie noch lebte, wagen sie deshalb nicht — und selbstverständlich sind sie schweigsam über das Ende derselben, ja sie leugnen überhaupt, sie entführt zu haben. Nein, Mann, macht Euch keine Hoffnungen.«

      »Ich suche sie dennoch — ich muß Gewißheit haben über Leben oder Tod, mein ganzes Leben wäre sonst mit Trauer überschattet.«

      »Ist recht. Mann, ist natürlich, hätt‘s auch getan, habt meinen Segen zur Fahrt, wollte Euch nur warnen, Hoffnungen zu hegen, die Enttäuschung ist dann um so bitterer.«

      »Ich hege keine Hoffnung, nur meine Pflicht will ich erfüllen und ihr Grab suchen, wenn ich sie im Leben nicht mehr finde. — Und einen Knaben hatte meine Schwester?«

      »Einen prächtigen Knaben, William, so ward er genannt nach Eurem Kaiser, müßte jetzt so neun oder zehn Jahre alt sein, wenn er noch lebte.«

      »Und ein solches Kind sollten Eure Indianer erschlagen?«

      »Kennt den Roten nicht, wißt nicht, was indianische Wut ist, die schont nicht den Säugling an der Brust.«

      »Mein Gott, mein Gott. — Sagt mir, wo ich suchen soll — morgen mache ich mich auf den Weg.«

      »Nur sachte, sachte. Habt eine lange Fahrt vor Euch. — Wollen erst Rat halten; ist nicht gut, blindlings in die Wildnis zu stürzen, kennt auch indianische Schlauheit nicht.«

      »Sagt mir, Herr, was ich tun soll, wie ich beginne?«

      »Mary, bringe Wein und frische Pfeifen.«

      Die Magd brachte beides.

      »Müßt Euch in Geduld fassen, so sehr es auch da drinnen unruhig pocht, ist die erste Eigenschaft bei solcher Sache Kaltblütigkeit. Will Euch sagen. Mann, was zu tun ist. Waren es damals die Ottawas, welche am Manistee mordeten. Sind streng gestraft worden und mehrere ihrer Häuptlinge mußten, nachdem sie unterworfen waren, noch baumeln. Dieser Stamm ist nicht schwer zu finden. Aber das erste, was Ihr tun müßt, ist. Euch Empfehlungen zu verschaffen an den Landagenten und an den vornehmsten Häuptling der Ottawas, den Peschewa, die ›wilde Katze‹, dann dürft Ihr Geschenke an die einflußreichsten Wilden und deren Weiber nicht scheuen.«

      »Ich führe Geld und Wechsel auf Chicago, Detroit und Lansing mit —«

      »Pst! nicht so laut, gibt Leute im Lande, die hören zu lassen, daß Ihr Geld mitführt, nicht gut ist.«

      »Habt gestern abend so ein Kleeblatt bei mir gesehen,« fiel Grover ein.

      »Was ist im Winde, Bill?« fragte rasch der Alte.

      »Tyron war gestern in meinen vier Wänden.«

      »Bei Jove, Mann! Und Ihr nahmt den Schurken nicht fest?« schrie Baring.

      »Kannte ihn niemand; erst Jones fiel es ein, nachdem die drei davongeritten waren, daß der eine von ihnen, der sich fortwährend im Schatten gehalten, der Tyron gewesen sei.«

      »Der Schurke hier am Muskegon? Nun, so sei uns Gott gnädig, das wird Pferdefleisch kosten. Weiß man‘s im Lande, Grover?«

      »Waren zehn Männer bei mir, wird man heute weit und breit wissen.«

      »Er traut sich wieder zwischen uns? Nun, soll Michiganmänner auf seiner Fährte sehen, diesmal soll er dem Strick nicht entgehen.«

      »Denke so, bin dabei.«

      »Doch,« fuhr Baring bedächtig fort, »erst das eine, dann das andre. Also das müßt Ihr tun. Mann, was ich vorhin sagte. Will Euch einen Brief geben an Tom Myers in Lansing, ist bei der Landvermessung, könnt ihn im Regierungsgebäude finden, ist ein alter Freund, der wird Euch helfen. Aber,« setzte er dann nachdenklich hinzu, »Ihr könnt die Fahrt doch nicht allein machen. Ihr kennt den Wald nicht, nicht indianischen Brauch. Ihr sprecht zwar gut englisch, aber findet nicht viel Indianer, mit denen Ihr Euch damit verständigen könnt. Hm, müßt einen erfahrenen Waldmann mithaben, einen von der Grenze. Muß er nicht, Grover?«

      »Kalkuliere, hast recht, Joe. Kann die Fahrt allein nicht machen, findet auf viele Tage dort keine Menschenspur. Muß einen Waldmann mitnehmen, der seinen Weg bei Nacht findet. Aber wen?«

      Der Alte stieß große Dampfwolken aus und fuhr dann fort: »Will dir etwas sagen, Bill, wenn der Kerl nicht so versoffen wäre, dein Indianer, der Athoree, wie er sich nennt, wäre vielleicht der rechte Mann.«

      »Hm, der Bursche wäre gut genug und im Walde sollte er das Trinken wohl lassen. Ist ein fleißiger Jäger und liegt oft wochenlang draußen, ohne Rum zu riechen. Kommt er aber dann mit Beute zurück, so säuft er acht Tage ununterbrochen.«

      »Wie lange ist der rote Mann bei dir?«

      »Wird an drei Jahre sein. Habe nicht über ihn zu klagen. Geht zur Jagd, bringt mir seine Beute und vertrinkt sie bei mir. Werde nicht recht klug aus dem Burschen. Erschien so vor drei Jahren, kaum daß ich mich dort niedergelassen hatte, und brachte Biberfelle, und das wiederholte er, bis er sich ganz bei mir heimisch gemacht hatte. Ist so ein Hausfaktotum geworden. Kennen ihn alle in der Gegend und hat noch kürzlich bei der wilden Jagd auf Battle gute Dienste getan.«

      »Und meinst du nicht, daß man ihm die Fremden anvertrauen könnte?«

      »Es ist ein eigenes Ding um den schweigsamen roten Burschen. Habe ihn oft gefragt, warum er nicht zu den Leuten seines Volkes geht, aber die Antwort bleibt er schuldig. Kalkuliere, hat etwas auf dem Kerbholz, was ihm den Aufenthalt unter den Männern seiner Farbe verleidet, ja, man weiß nicht einmal, welchem Stamme er angehört. Genaue Kenner der roten Rasse wollen behaupten, er sei ein Hurone von jenseits der Seen, andre meinen, er sei ein Seneka oder Miamis. Als ich ihn einmal nach seinem Stamme ausforschen wollte, entgegnete er: ›Warum fragst du? Du bist ein weißer Mann, ich ein roter. Frage ich dich, ob du ein Ohioman oder Michiganman bist? Ich gebe Felle, du gibst Rum, Pulver und Blei, damit gut.‹ Es war nichts aus ihm herauszubekommen.«

      »Aber da er schon drei Jahre bei dir ist, mußt du ihn doch einigermaßen kennen gelernt haben?«

      »Lerne