Bertha von Suttner

Eva Siebeck


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– kurz eine reiche, angesehene große Dame sein: diese Zugabe war nicht übel. Denn dies Alles war ja nur Zugabe. Die Hauptsache, die Grundlage ihres Glückes war doch dies: »liebend und geliebt«.

      Als sie gegen fünf Uhr – die anberaumte Speisestunde – in den Salon trat, reizend schön in ihrem herzförmig ausgeschnittenen weißen Kleide, waren die Gäste schon versammelt. Einige Stabsoffiziere mit ihren Frauen und ein halbes Dutzend Ober- und Unterlieutenants, darunter auch Robert Graf Siebeck. Derselbe stand neben der Hausfrau, scheinbar in angelegentliches Gespräch vertieft.

      Dorina hatte sich gleichfalls schön gemacht. Sie trug eine granatrothe Toilette, welche ihre schwarzäugige, lebhaft südliche Physiognomie besonders vortheilhaft zur Geltung brachte.

      »Ah, endlich da, Eva!« rief sie, die Eintretende erblickend. »Du hast auf Dich warten lassen. Es gab hier Jemand, der schon sehr ungeduldig war.«

      Wenn unter diesem »Jemand« Graf Siebeck gemeint war, so sah man ihm diese Regung wahrlich nicht an. Er näherte sich dem jungen Mädchen mit ein paar langsamen Schritten und grüßte mit steifer Förmlichkeit.

      Eva hatte ihre Hand hinstrecken wollen, doch ließ sie dieselbe auf halbem Wege wieder sinken und erwiderte verlegen Siebecks Gruß.

      »Ich – hoffe, Sie sind – heute – ganz wohl?« sagte er gedehnt.

      »Ganz wohl, ich danke. – Und Sie?«

      »Ich auch.«

      Längeres Schweigen.

      »Ein fades Nest, das Krems, nicht wahr?« nahm er die Unterhaltung wieder auf.

      »Ich finde nicht.«

      Neues Schweigen.

      Nach einer Weile macht er wieder einen Versuch:

      »Können Sie Schlittschuh laufen?«

      Hier ward das Gespräch der Liebenden unterbrochen, indem der Diener meldete, daß das Essen aufgetragen sei.

      Da trat Oberst von Borowetz hervor und sprach:

      »Meine Herrschaften, erlauben Sie mir, ehe wir zu Tische gehen, Ihnen eine Mitteilung zu machen.«

      Allgemeine Stille.

      »Ich habe Sie bei mir versammelt, um ein freudiges Ereigniß zu feiern, von welchem ich hiemit gebührende Anzeige erstatte – die Verlobung der Baronesse Eva von Holten, der besten Freundin meiner Frau, mit Robert Grafen Siebeck, dem jüngsten Lieutenant meines Regiments.«

      Es erfolgte das übliche Glückwünschen, Händeschütteln und Komplimentiren. Eva fühlte sich von der Wichtigkeit und Feierlichkeit des Augenblicks eigenthümlich erschüttert und gehoben. Jetzt stand sie wirklich an der Schwelle einer neuen Zukunft, eines ganz veränderten Lebens… Ob der schüchterne Geliebte, der nun seinerseits die Glückwünsche seiner Kameraden entgegennahm, von gleichen Hochgefühlen erfüllt war? Daß er tief und poetisch zu empfinden vermochte, das bewiesen ja – trotz der scheinbaren Nüchternheit seines Wesens – die in ihren Händen befindlichen Gedichte.

      Natürlich war es ihr Bräutigam, der Eva zur Tafel führte, und der daselbst zu ihrer Linken Platz nahm. Als ein besonders angenehmer und aufmerksamer Nachbar erwies er sich gerade nicht. Denn statt sich ausschließlich oder doch vorzüglich mit seiner Verlobten zu unterhalten, sprach er fast die ganze Zeit mit zwei gegenüber sitzenden Offizieren, welche verschiedene Jagderlebnisse zum Besten gaben, und denen er seinerseits Einzelheiten von den Großstettener Jagden erzählte. Dies interessirte Eva nur insofern, als der Name Großstetten ja der Name ihres künftigen Heims war.

      Als der Champagner eingeschänkt wurde, ward selbstverständlich das Wohl des Brautpaares ausgebracht. Alle standen von ihren Sitzen auf und kamen zu Eva‘s Platze, um mit derselben anzustoßen. Auch Robert hob sein Glas und stieß es an das ihre; aber das warme Wort, das sie wenigstens jetzt zu hören erwartete, kam wieder nicht. Nun freilich, unter diesen vielen, sie von allen Seiten umdrängenden Leuten, da war ein Herzenserguß nicht leicht möglich. Das würde in den nächsten Tagen anders werden. Freudig bewegten Herzens dachte Eva an die in Bälde bevorstehende Stunde, wo ihr Bräutigam endlich Muth und Muße finden werde, mit ihr von dem holden Liebesroman zu sprechen, der sich seit sechs Wochen zwischen ihnen abgespielt und jetzt zu einem so glücklichen Abschluß gelangt war. Sie selber war ungeduldig, ihm zu erzählen, mit was für Gefühlen sie seine Huldigungen aufgenommen, welchen Eindruck sein Vorüberreiten und namentlich seine poetischen Blumenspenden auf sie gemacht, und mit welchem Kummer das Ausbleiben dieser Liebeszeichen sie erfüllt hatte. Würde sie ihm auch gestehen, daß sie schon halb entschlossen war, sich zu Tode zu kränken? Nein – das wollte sie erst nach der Heirath beichten. Er würde ihr dann wohl Vorwürfe machen, je an ihm gezweifelt zu haben; hatte er ihr es denn nicht schwarz auf weiß geben: »Ich harre aus?«

      Beim Nachtisch mußte Eva jedoch erfahren, daß die nächste Zeit keine Gelegenheit zu vertraulichem Gefühls- und Gedankenaustausch mit dem Bräutigam bieten werde, denn am folgenden Tage mußte er fort von Krems, um in einem anderen Kronland die Übungen mitzumachen. Bei der Gelegenheit wurde es dem jungen Mädchen weh ums Herz hart.

      Nachdem die Tafel aufgehoben, begab man sich in den Salon; Eva natürlich wieder von Siebeck geführt. Auf diesem kurzen Wege preßte er ihren Arm fest an sich und flüsterte ihr zu:

      »Wie hübsch – aber wie hübsch Du bist, Eva!«

      Diese Worte entsprachen zwar nicht dem, was sie zu hören gewünscht, dennoch war der ganze Eindruck ein eigentümlich betäubender: Die zum Kopf steigende Gluth des Champagnerweins, dieser zärtliche, besitznehmende Armdruck, das erste »Du«, die vor ihr liegende, so neuartige glanzvolle Zukunft: das Alles versetzte sie in eine bisher ungekannte Stimmung; ein zugleich physisch und seelisch verstärktes Lebensgefühl, ein Gehobenwerden auf warmen, schaukelnden Freudenwogen.

      Im Laufe des Abends aber verlor sich diese Ekstase und machte einem gewissen Unbefriedigtsein Platz. Der Siebeck – der Vorbeireitende, der Blumensender, – für den sie die Zeit über geschwärmt – der konnte sich in dem leibhaftigen Verlobten so gar nicht recht wiederfinden lassen. Zwar hatte er sich, – während die Anderen um die Spieltische Platz nahmen – neben sie gesetzt und ein Gespräch begonnen, aber mit einer so gedehnten, beinahe gelangweilten Stimme von gleichgiltigen Dingen gesprochen, daß ihr dabei im Innern ganz kalt wurde. Uebrigens waren stets andere Leute in der Nähe, so daß es auch beim besten Willen nicht gut möglich gewesen wäre, von Liebe zu reden; – und war Niemand anders da, so kam Dorina zu ihnen und mischte sich in ihr Gespräch. Eva konnte sich nicht erwehren, dieses Gebahren ihrer Freundin etwas ungeschickt zu finden.

      Gegen zehn Uhr stand Siebeck auf, um zu gehen. Eva versuchte nicht, ihn zurückzuhalten; sie fühlte sich so müde und abgespannt, daß sie sich nach Ruhe sehnte.

      Der Oberst forderte den jungen Mann laut auf, er möge seine Braut zum Abschiede umarmen. Der Abmarsch finde ja morgen früh um sechs statt, also würde er sie vor der mehrwöchentlichen Trennung nicht mehr sehen.

      Die kommandirte Umarmung fiel ziemlich kalt und steif aus.

      Nachdem er allen Anwesenden gute Nacht gesagt, ging Siebeck in das anstoßende, offenstehende Speisezimmer, um sich von der Hausfrau – die dort an der Thee-Urne beschäftigt war – zu verabschieden. Er verneigte sich ehrerbietig, und sie schüttelte ihm mit höflicher Kopfneigung die Hand. Was sie dabei sprachen, konnte Niemand hören; es sah jedenfalls ganz förmlich aus, etwa als hätte er ihr gesagt: »Ich empfehle mich Ihnen, gnädige Frau und drücke meinen Dank aus für das Glück, das ich in Gestalt Evas in Ihrem Hause gefunden« – und als hätte sie erwidert: »Adieu, Graf Siebeck – gehaben Sie sich wohl und lassen Sie Ihre Braut nicht zu lange auf Nachricht warten.« Indessen war das Zwiegespräch ganz anders geartet.

      »Leb wohl, Dorina. Deine Lebensrettung ist also vollständig gelungen, das Mittel war freilich etwas energisch – aber es gab wohl kein anderes.«

      »Nein, es gab kein anderes – er hätte mich getödtet. Doch ich glaube, Du bist recht zufrieden mit dieser Wendung. Du verliebst Dich in diese junge Person —«

      »Ich hab‘ mich mein Lebenlang in keinen Backfisch verliebt – nicht mein Genre – auf Wiedersehen!«

      V

      Am