Schiff im Indischen Ozean zugrunde gegangen sein mußte, nicht mit den über dessen Rückreise bekannten Umständen. Isenhoit hatte Point de Galle zwar um die von dem Matrosen angegebene Zeit verlassen, aber auf der Hamburger Bark »Elisabeth«. Diese war zwar mit Mann und Maus zugrunde gegangen, aber erst im Atlantischen Ozean, nachdem sie, wie unzweifelhaft feststand, Kapstadt angelaufen hatte.
Die Schilderung, welche Evers von der Persönlichkeit des Deutschen zu geben wußte, konnte auf Isenhoit zutreffen.
Trotz dieses Widerspruches zwischen den bisherigen Annahmen über das Ende des Konsuls und den unter Eid gemachten Aussagen Evers', beschlossen die Herren Oswald, den Kapitän des »Roland«, der doch Point de Galle anlaufen mußte, mit Nachforschungen über den Schatz zu betrauen. Gleichzeitig veranlaßten sie den derzeitigen hanseatischen Konsul der indischen Hafenstadt, amtliche Erhebungen über die Abreise Isenhoits anzustellen, ihm alles hierauf Bezügliche, besonders auch die Aussagen des Evers mitteilend, wobei natürlich die Lage des Eilands, welches Evers zum Aufenthalt gedient hatte, ihr Geheimnis blieb. Jedenfalls war der »Roland« befehligt, dieses Eiland anzulaufen und Nachforschungen anzustellen. Dem jungen Befehlshaber des »Roland« erschien diese Sache höchst abenteuerlich, und er fragte sich, ob bei den Aussagen des sterbenden Mannes nicht krankhafte Phantasie tätig gewesen sei, ob nicht die Absicht, seinen Hinterbliebenen Teilnahme und Unterstützung zuzuwenden, ihn zu diesen Angaben vermocht habe. Dennoch blieb nichts übrig, als dem strikten Befehl der Reeder nachzukommen.
Nach einiger Überlegung beschloß er, da bereits mehr Kopra an Bord war, als die Handelsherren in Aussicht genommen hatten, er auch nicht zum zweitenmal das Schiff der Gefahr eines Überfalles aussetzen wollte, diese Inselwelt, sobald er seinen Anker wieder hatte, zu verlassen und den Kurs nach Ceylon zu nehmen.
Vorher mußte er freilich erst genau wissen, wo er stand.
Der »Roland« war unterdessen weit genug aufgekreuzt, um in die Bucht treten zu können, von welcher aus er triftig geworden war.
Mit geringer Anstrengung ward der Anker gehoben; die gegen einen Angriff der Wilden getroffenen Vorsichtsmaßregeln erwiesen sich als unnötig. Das Schiff blieb unter leichtem Tuch in der Nähe der Insel.
Die Sonne stand am andern Tag an wolkenlosem Himmel, und Findling machte um Mittag seine Berechnung. Diese ergab, daß er unter dem 154. Grad östlicher Länge stand, in einer südlichen Breite von 2 Grad 3 Minuten. Daß sie die Salomonsinseln angelaufen hatten, ward dadurch zur Gewißheit; der »Roland« stand westlich der umfangreichen und lang hingestreckten Insel Bougainville, wie die Karte ergab. Hiernach beschloß er, seinen Weg durch die Torresstraße zu nehmen und ließ alsbald den Bug des Schiffes nach Südwesten richten. Da er die Pflicht hatte, den als Dolmetsch angeworbenen Insulaner Atura in seine Heimat oder zu einer Stelle zu befördern, von wo aus er diese leicht erreichen konnte, fragte er ihn, ob es ihm recht sei, wenn er ihn auf Murua aussetze, eine Insel, welche der Mann kannte. Dieser war um so mehr damit einverstanden, als Findling sein Honorar wegen des weiten Heimwegs um zwei Pfund erhöhte. Sie machten bei frischem Wind gute Fahrt und hatten gegen Abend des folgenden Tages Murua, auch Woodlarkinsel genannt, vor sich. Dort verabschiedete sich der Mann von Neuhannover, der aus dem für die Wilden bestimmten Warenvorrat noch reich beschenkt worden war, mit aufrichtigem Dank. Hierauf hielt Findling nach Südost, um südlich der Lusiaden in das Korallenmeer zu treten, da es ihm zu gefährlich deuchte, bei Nacht zwischen diesen und Neuguinea durchzugehen.
Da der Kapitän bisher die Morgenwache getan hatte und ein Ersatz nötig war, übertrug er diese Marholm und übergab das Kommando der Mittel- oder Hundewache dem Matrosen Martin, der ein sehr erfahrener und kaltblütiger Seemann war, dem man das Schiff ruhig anvertrauen konnte. Da der Wind fortwährend günstig blieb, traten sie am sechsten Tag aus der Torresstraße in die Harafurasee. Findling wollte seinen Weg südwärts der Sundainseln nehmen, da in der Straße von Malakka zu dieser Jahreszeit vorwiegend bei der Fahrt nach Westen ungünstige Luftströmungen herrschten.
Fritz Fischer, der sich in hohem Grade der Gunst der Mannschaft erfreute, saß mittschiffs im Schatten des großen Segels und ließ fleißig die Nadel fliegen. Sobald die gewöhnliche Ordnung auf dem Schiff wieder hergestellt war, hatte sich der junge Schneidergeselle, dem es gegen die »Reputation« ging, wie er sagte, sein Brot umsonst zu essen, Arbeit erbeten, die ihm auch aus der Kajüte wie aus dem Mannschaftslogis reichlich zuteil wurde.
Henrik kam von vorn, betrachtete mit Behagen das zufriedene Gesicht des Jungen aus der Reezengasse und fragte: »Nun, Fritze, wie befindest du dich?«
»Janz jut, Hamburger, und wenn einem die liebe Sonne nich jerade senkrecht uff'n Kobb scheinen wollte, wäre et noch molliger.«
»Ja, Junge, wir sind jetzt gerade in der Nähe vom Äquator.«
»Wat is denn det eigentlich. Ick habe woll in de Bezirksschule 114 mal von jehört, aber ick hab' et wieder verjessen.«
»Das ist ein eiserner Reifen, der rings gerade um die Mitte der Erde gespannt ist, damit sie nicht auseinanderfällt bei dem ewigen Umsichselberdrehen.«
Fritze sah von seiner Arbeit auf und blickte in das ganz ernste Gesicht hinüber.
»Du, Hamburger, wenn du mir zum Fatzke machen willst, so kann ich dir nich mehr ästimieren.«
»Ich beabsichtige keineswegs, dich zum besten zu halten; du wirst dich doch der dicken schwarzen Querlinie in der Mitte der Planigloben noch erinnern?«
»Det stimmt, und det war ooch der Äquator, jetzt weeß ick et.«
»Nun, diese Linie deutet eben den Streifen an.«
»Wer hat den um die Erde gemacht?«
»Nun, der ist gleich bei der Schöpfung aus zusammengeschweißten Magneteisenklumpen drumgelegt worden.«
»So? Nu, wer weeß det denn? In de Bibel steht nischt von. Wer hat ihm denn jesehn?«
»Oh, den haben viele gesehen, denn bei sehr niedrigem Wasserstand ragt er über das Meer empor.«
Fritze schien nicht überzeugt zu sein. In diesem Augenblick ging Martin vorbei und Henrik fragte ihn: »Hewwen Se all die Linie siehn, Stürmann Martin?«
Martin, voll trockenen Humors, wie fast alle Niederdeutschen, war durchaus geneigt, auf einen Scherz einzugeben und entgegnete: »Ich bin all achtmal öwer un tweemal unner weg fahren.«
»Und Sie haben sie wirklich jesehen?« fragte Fritze.
»Ob ick sie sien heww? Ick gläuw ook. Wie wi dat erstemal unner weg segelten, stieß die Oberbramstange bowen an un knickte tausamen, leik as en Swewelsticken.«
Der wettergebräunte Matrose, den seine vorübergehende Würde als Deckoffizier zwar sehr befriedigte, aber keineswegs stolz machte, blickte scheinbar so ernst aus den scharfen, grauen Augen, obgleich in jedem der zahlreichen Fältchen, welche sich darum eingenistet hatten, das Vergnügen lauerte, einem Landlubber eine seiner haarsträubendsten Geschichten beibringen zu können. Fritz Fischer erhob keinen Widerspruch, obgleich man sah, daß er nicht überzeugt war.
»Ja«, fuhr Martin mit gleichem Ernst fort, »das war in derselben Gegend, wo wir den großen Fisch sahen. Der war beinahe drei Meilen lang und eine Meile breit, und auf seinem Rücken wuchs Seetang und lagen Felsbrocken von sechs bis acht Faden Höhe. Wir liefen an seine Seite; ich ging mit andern auf seinem Rücken und wir sind da wohl eine Stunde lang behaglich drauf herumspaziert.«
Fritz horchte stumm und staunend der wunderbaren Mär, meinte aber dann: »Det wird dann wohl der Leviathan jewesen sind, davon steht in de Bibel.«
»Dat wird ja woll so Wesen sin, min Jong«, schmunzelte Martin.
»Und er hat euch nischt jetan?«
»Ick denke, he hädd all slapen, denn as wi dat Best twee Meilen achter hadden, ging he all unner. Dat gaw ne Flutwelle, so hoch as de Petrikerkturm, un wi danzten as Nußschale bowen upp.«
»Merkwürdig.«
»Ja, dat schall woll sien. As wi vorigt Johr im Roten Meer in tausend Faden Tiefe vor Anker gingen«, mit Mühe nur verbiß Henrik sein Lachen, als der alte Bursche so unverschämt