Gorch Fock

Seefahrt ist not!


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legte sich ins Mittel und sagte: »Umschicken kannst du em nich, Klaus, dat geiht nich. He kummt uns innen Lock un buddelt weg!«

      »Dat hebb ik ok all dacht«, stimmte der Schiffer besorgt zu, denn auch er hatte kein Vertrauen mehr zu dem mürben Eis mit den zahllosen Löchern und den großen Wasserstellen; er konnte nicht begreifen, wie der Junge es überhaupt fertiggebracht hatte, so weit vorzudringen, bis an die ständig abbröckelnde Kante.

      »Klaus, wat ik di seggen do: Dat sall so sien, dat ist Schicksol. De Jung sall mit no See! Nimm em mit!«

      »Dat woll jüst ne«, lenkte Klaus ab. »Dat ist noch to kold buten, un Gesa weet dor ok jo nix van af. Ober an Burd weut wie em man mol hieven! Wi geeft em denn an en upkommen Fohrtüch af un schickt em seker no Hus. Boot vant Deck! Loop ne weg, Störtebecker, ik hol di!«

      »Junge, Junge, jo, Vadder, dat do man!« frohlockte Störtebeker und dachte: Nu geiht dat mit en vullen Huroh no See!

      Die Fahrensleute nahmen das Boot in die Taljen und fierten es ins Wasser. Klaus Mewes stieß es nach dem Eis hinüber, packte den Jungen samt der Kreek zwischen die Duchten und wriggte zum Ewer zurück.

      Da war Störtebeker nun doch an Bord! Wie er sich freute, wie gesprächig er war, wie scharf er auf alles achtete! Zumeist stand er bei seinem Vater im Rudergang und half beim Steuern, sah aufmerksam auf Segel und Kompaß und hielt tapfer das Helmholz mit fest, dabei konnte er sich aber doch nicht enthalten, an den Streek zwischen Kirche und Apfelbaum zu erinnern: »Düt mokt ober söbenmol soveel Spoß, Vadder!«

      Er ließ es sich sogar einfallen, beim Wenden »Ree« zu rufen und Hein Mück nach der Fock zu schicken, bis sein Vater es wie der holländische Kapitän machte, dem der große Friedrich in der Ems mit »Ree« zwischen sein Kommando kam, und sagte: »Mynheer, dat Ree kummt mi to!«

      Als er genug gesteuert hatte, setzte er sich auf die Luken, zog Seemann an sich und ließ sich von Kap Horn und von seinem Vater alles verklären, was es zu sehen gab, während sie mit der Ebbe langsam elbabwärts kreuzten, wenn dieses Treiben noch den Namen Kreuzen verdiente. Da war Dockenhuden mit den vielen Tannenbäumen, da war Blankenese mit den vielen Ewern und dem hohen Süllberg, da war der Schweinesand mit seinen Wicheln, da war Hahnöfer mit den großen Bäumen, um die Hunderte von Krähen flogen, die dort ihre Nester hatten, da war Falkental mit dem Taucherdampfer, mit den Wracks und mit den zu Stein gewordenen Zementsäcken, da war Schulau mit dem Leuchtturm und dem Feuerschiff, dahinter Wedel mit dem Kirchturm und den roten Dächern, da war die Lühe mit ihrem hohen Deich – und von allem gab es Geschichten zu erzählen.

      Als sie bis zur Lühe gekommen waren, wogte die Flut ihnen entgegen und zwang sie, vor Anker zu gehen. Großsegel und Besan konnten die fünf Stunden ruhig stehen bleiben, nur die Fock ließen sie fallen, und den Klüver nahmen sie weg. Klaus Mewes langte den Kieker aus dem Nachthaus und suchte den Strom nach bekannten Fahrzeugen ab, denen er seinen Jungen hätte mitgeben können, aber er konnte zunächst nur einige Dreuchewer und Jollen ausmachen, die nicht in Frage kamen.

      So gingen sie in die Kajüte hinunter und setzten sich zum Kaffee nieder.

      »Ik wull, dat geef brodte Schullen«, rief Störtebeker übermütig. »Dor verlangt mi eulich no!« Er ging aber auch dem Graubrot tüchtig in den Topp.

      Klaus Mewes sah ihn an und freute sich seiner. Wenn Gesa Bescheid gewußt hätte, es wäre ihm von Herzen recht gewesen, den Jungen an Bord zu behalten. Aber so ging es nicht. Sie ängstigte sich ja zu Tode und suchte mit der Leuchte und mit der Harke, wenn er heute abend nicht heimkam.

      Hein Mück dachte noch immer an die große, gefährliche Reise über das Eis, die Störtebeker gemacht hatte, und mit einem Mal sagte er mehr zu sich selbst als zu den anderen: »Junge, dat is jüst so as der Reiter und der Bodensee!«

      Gotts den Donner – Klaus Mewes verschüttete den halben Kaffee, und Kap Horn blieb der Brotknust im Halse stecken, so verwunderte sie schließlich diese Rede ihres Speisemeisters. »Wat ist dat?« fragte der Schiffer.

      »Och, nix.«

      »Nix?«

      »Ne, nix!«

      »Ik will di gliek bi nix! Hier vertillst oder du warrst afmunstert, un Klaus Störtebeker ward uns Kock«, befahl Klaus.

      »Och nix: Ik dach bloß an en Gedicht in uns Leesbook, dat is meist as Störtebeker sien Reis.«

      »Upseggen!«

      Hein Mück bekam einen roten Kopf. Das war eine schöne Tasse Tee! Hätte er doch nichts gesagt! Nun mußte er in seine Koje steigen und sein Lesebuch aus dem Stroh suchen.

      Kap Horn konnte sich einen kleinen, freundlichen Hieb auf Klaus nicht verbeißen: »Jä, jä, Klaus Mees, du kiekst un wunnerst di woll, dat he sien Leesbok noch hett, wat? He hett dat nich so mokt as du. Du hest den lesten Dag jo all dien Beuker opfluckern loten, hest dor annen Westerdiek en grote Ostermoon von mokt!«

      »Jo«, sagte Klaus Mewes, »ik wür son groten Döskupp: man god, wat de Jungens nu all en Deel kleuker sind. Non, denn legg los, Heinrich Mücke«, setzte er gemütlich hinzu, und der Koch las von dem Reitersmann, der über den zugefrorenen Bodensee geritten war, ohne es zu wissen:

      »Den Reiter schaudert‘s, er atmet schwer:

      Da hinten die Ebne, die ritt ich her.

      Da recket die Magd die Arm‘ in die Höh:

      Herrgott, so rittest du über den See!

      An den Schlund, an die Tiefe bodenlos

      Hat gepocht des rasenden Hufes Stoß!

      Und unter dir zürnten die Wasser nicht,

      Nicht krachte hinunter die Rinde dicht,

      Und du wardst nicht die Speise der stummen Brut,

      Der hungrigen Hecht‘ in der kalten Flut?

      Sie rufet das Dorf herbei zu der Mär;

      Es stellen die Knaben sich um ihn her,

      Die Mütter, die Greise, sie sammeln sich:

      Glückseliger Mann, ja segne du dich!

      Herein zum Ofen, zum dampfenden Tisch,

      Brich mit uns das Brot und iß vom Fisch!…«

      Als der Junge fertig war, entstand eine kleine Pause im Ewer, obgleich Klaus Mewes der Schluß nicht recht gefallen wollte, denn hinterher vor Angst sterben, war nichts für ihn. Auch Störtebeker war still, so sehr wunderte er sich darüber, daß Hein Mück laut lesen konnte.

      Dann stand sein Vater auf, klopfte dem Koch auf die Schulter und sagte anerkennend: »Du kannst god beden, Hein! Blief man giern betjen bi de Beuker. Wennt weiht, hest dor Tied genog to.« Damit stand er auf und ging an Deck, um wieder nach einer Fahrgelegenheit für seinen Jungen zu suchen. Und diesmal fand sie sich, obschon Störtebeker wünschte, es möchte kein einziges Schiff vorbeisegeln, damit er die Nacht und immer an Bord bleiben mußte.

      Aber da kam Jan Külper mit seiner alten Jolle heraufgesegelt und drehte richtig bei, als Klaus Mewes ihn anrief und ihm die Sache verklarte. Jawohl, er nehme ihn gern mit, sagte Jan. Da kamen auch schon Kap Horn und Hein Mück an Deck.

      Störtebeker sah, daß die Herrlichkeit vorbei war und er von Bord sollte. Tränen standen ihm in den Augen, als sein Vater ihn hinüberwriggte und Kreek und Pek an die Jolle übergab. Dann mußte er selbst übersteigen. »Adjüst, Störtebeker.«

      »Jüst, Vadder!« Er konnte kaum sprechen, so traurig war er geworden, und hatte für Jan Külper keinen guten Tag und guten Weg.

      »Greut Mudder man un segg man, wie kommt bald mit en Reis lebendige Schullen, hürst? Un to Sommer kummst du ok mit no See!«

      »Jo«, sagte Störtebeker dumpf und dachte: Lot dien Snacken doch bloß no!

      Klaus Mewes wriggte zurück, und Jan Külper ließ die Jolle schwoien. »Adjüst, Störtebeker!« riefen Kap Horn und Hein Mück, die auf den Luken standen, aber der Junge starrte ins Wasser und gab keine Antwort mehr. Er war ganz krank und wollte nichts hören und sehen. Er wollte auch den Ewer nicht mehr angucken. Jan Külper hatte gedacht, einen munteren