mien Jung, anners kriegst du de Utsettung«, drohte der Fischer.
»Smiet mi doch ober Burd, wenn mi ne mihr mithebben wullt«, rief der Junge patzig. Da goß Jan ihm zur Strafe ein Euschfatt voll Wasser über den Kopf.
Mit der hereinbrechenden Dämmerung kamen sie in Finkenwärder an. Am Köhlfleet, eben hinter der Königsbake, setzte Jan seinen mürrischen Passagier an Land. Störtebeker nahm seine Kreek auf den Buckel, die Pek in die Hand und ging den dunklen Deich entlang zum Neß.
Als er bei Gerd Eitzen um die Huk bog, hörte er seine Mutter schon rufen:
»Klaus! Klaus! Klaus!« Und er sah, daß Leute bei ihr standen. Auch sein Großonkel, der alte Jäger, den er oft wochenlang nicht sah, war auf dem Deich.
»Klaus! Klaus! Klaus! Neem schull de Jung doch woll bloß ween?«
»Hier is he!«
»Woneem, woneem?«
»Hier uppen Diek, Mudder!«
Da lief sie ihm entgegen, laut aufschreiend, und nahm ihn bei der Hand, führte ihn in die Stube und fragte, wo er gesteckt hätte. Und als er seine Reise über das Eis und seine Fahrt mit dem Ewer die Elbe hinunter und mit der Jolle die Elbe herauf verklart hatte, ohne jede kindliche Übertreibung, denn er hielt sich an das Wort seines Vaters: Eulich wat beleben, denn brukt en ok ne to legen, da warf die Mutter sich schluchzend auf den Tisch und sagte: »Haut ji em, Unkel, haut ji em. Ik kannt ne!«
»Hebben mütt he wat«, erklärte der verbissene und durch das viele Rufen gereizte Alte.
»Du kannst mi haun, Mudder, ober van Korl-Unkel lot ik mi ne haun«, sagte Störtebeker mit blitzenden Augen. Doch der alte Jäger, den das Schreien aus dem Schlaf gerissen hatte, knurrte grimmig: »Wat? Van mit lettst du di ne haun, du Kosak? Dat weut wi doch mol wies warrn!«
Erst wollte Störtebeker sich wehren, wollte hinauslaufen, dann aber war ihm auch das einerlei. Mochte er ihn tothauen, wie Jan Külper ihn über Bord werfen wollte. Unbeweglich blieb er stehen und ließ sich schlagen, ohne zu zucken oder zu schreien. Nur seine Augen funkelten: Dat ward ne vergeten! Diese Ruhe brachte den Alten noch mehr auf, und er schlug ihn ärger. Da warf sich aber die Mutter dazwischen und drängte die beiden auseinander, denn sie wußte, daß der Trotz des Jungen nicht zu brechen war, daß er sich lieber krumm und lahm prügeln ließ, ehe er einen Laut von sich gab.
»Lot em man, Unkel, lot em man! Goht man wedder uppen Bitt, ik will woll alleen mit em klor warrn«, bat sie dringend. Der Alte ging mit einem bösen Blick hinaus und brummte noch auf der Diele.
Ungerührt ließ Störtebeker sich die Geschichte von dem Schuster vorhalten. »Dat betjen Hoveree«, sagte er verächtlich. »Wat he dor son Larm üm moken mag! Harrst em dat Gild jo man ut mien Sporputt geben kunnt!« Abbitte aber täte er nicht. Der Schuster hätte ihn zum Narren gehalten und hätte selbst schuld, daß ihm das Fenster eingeworfen worden sei.
Nach dem Abendessen zog er sich aus und legte sich zu Bett. Nach dem langen, ereignisreichen Tag schlief er schnell ein. Er dachte noch: Wenn ik irst an Burd bün, denn haut mi keenen mihr: Vadder litt dat ne as Mudder. Dann sang der Schlafschiffer mit ihm ab.
Wie seelenruhig er schlief, als die Mutter an sein Bett schlich und ihm in das stille braune Gesicht sah! Lange Zeit sah sie ihn an und bat ihm ab, daß sie ihn hatte schlagen lassen, denn der kleine Kerl konnte ja nicht anders flöten, als sein wilder, lachender Vater es ihn gelehrt hatte. Die Mutterliebe wallte heiß in ihr auf. Sie beugte sich über ihn und küßte ihm den festgeschlossenen Mund. Bei Tag hätte sie das nicht tun dürfen, er hätte sich mit Händen und Füßen gesträubt gegen solchen Kinderkram, wie er es nannte, und wäre lieber aus dem Fenster gesprungen, als daß er ihr einen Süßen gegeben hätte.
»Mien Jung büst du doch«, flüsterte sie zärtlich und strich ihm über das Haar. Da regte er sich und sagte halblaut: »U, Vadder, kiek mol dat grote Schipp!«
Gesa schlich in die Küche zurück und dachte schmerzlich: Er steht schon wieder bei seinem Vater an Bord – und du, Gesa?
Fünfter Stremel
Am anderen Morgen war das erste, was Störtebeker tat, daß er auf den Deich lief und nach dem Wetter guckte. Und er freute sich, als der Wind wehte, daß die Ewer im Fahrwasser schnell von der Stelle kamen, denn so kam auch sein Vater gut vorwärts und war um so eher wieder da. Denn sein Vater, sein Vater! Danach fragte er, das ging ihn an: Ohne den war es nichts, ohne den wußte er nicht, was er anfangen sollte, ohne den und ohne den Ewer machte es ihm keinen Spaß zu leben. Beim Kaffeetrinken ging es noch, als er in behaglicher Breite vom Segeln und Kreuzen sprach, wie weit sie wohl schon wären, ob das Boot schon wieder eingehievt wäre, ob sie den großen Klüver wieder gesetzt hätten und andere fahrensmännische Dinge. Aber als er dann im Türloch stand, da war er wieder ganz allein und wußte nicht, was für einen Weg er einschlagen solle. Schließlich dachte er an sein Viehzeug, ging hin und mistete den Kaninchenkoben aus. Auch die Nebelkrähe bekam eine Lage frisches Stroh, die sie sich selbst mit wichtigem Gehabe zurechtlegte. Danach ging er am Graben entlang und zog die alte Bunge, die sein Vater noch mit unter den Stubben gesetzt hatte. Es war aber weder ein Hecht noch ein Schlei darin, nur ein großer Wasserbulle krabbelte am mittleren Reifen und sprang eilig ins Wasser zurück. Der Junge stellte das Netz an einer anderen Stelle ins Wasser und ging zum Binnendeich, um sein Hütfaß zu überprüfen; er zog den durchlöcherten Kasten, eine englische Hummerkiste, die sein Vater auf See eingezogen hatte und die nun vor dem Deichsiel im fließenden Wasser lag, aufs Trockne und überzeugte sich, daß die beiden Karauschen, die er drin hatte, noch springlebendig waren.
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