Gustav Weil

Tausend Und Eine Nacht


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frommer Mann!« erwiderte der Sultan. »Nun«, versetzte der Beneidete, »laß sie nur hierher bringen, ich hoffe, so Gott will, sie im Augenblick zu heilen.« Der Sultan schickte sogleich jemanden, um seine Tochter zu holen. Als sie gebunden und gefesselt erschien, beräucherte sie der Beneidete mit den sieben Haaren und der Geist verließ sie alsbald mit einem gräßlichen Geschrei. Die Prinzessin, die jetzt auf einmal ihren Verstand wieder gewann, bedeckte vor Scham ihr Gesicht und fragte, wie sie hierher gekommen sei? Als der Sultan bemerkte, daß seine Tochter wieder genesen, küßte er vor Freude dem Beneideten die Hände. Dann fragte er seine Umgebung: »Was verdient wohl ein Mann, der mir einen solchen Dienst erwiesen?« Alle erwiderten: »Er verdient, daß du ihm deine Tochter zur Gemahlin gibst.« Der Sultan schenkte ihrer Antwort Beifall und vermählte seine Tochter mit dem Beneideten. Bald nach der Hochzeit starb der Vezier und der Sultan erteilte, in Übereinstimmung mit seinen Großen, diese Würde seinem Tochtermann. Bald nachher starb dann der Sultan selbst und der Vezier ward einstimmig zum Sultan erhoben.

      Eines Tages, fuhr der zweite Kalender zu erzählen fort, ging der Neider vor seinem Beneideten vorüber, der von den Vezieren, Fürsten und Großen des Reichs umgeben war. Als dieser den Neider erblickte, wandte er sich zu einem seiner Veziere und sagte ihm: »Bringe mir diesen Mann herbei, doch erschrecke ihn nicht!« Der Vezier ging fort, um den Neider, seinen ehemaligen Nachbar, zu bringen; da sagte der Sultan: »Gebt ihm 1000 Pfund aus meiner Schatzkammer, packt ihm 20 Ladungen Waren zusammen und gebt ihm eine Wache, die ihn in seine Heimat zurückführe.« Dann entließ er ihn und jener entfernte sich, ohne daß der Sultan ihn für das, was er getan, bestraft hätte. Sieh also, o Geist, wie der Beneidete seinem Neider verziehen, der ihn zuerst beneidet, dann ihm Gewalt angetan, dann ihm nachgereist, bis er ihn eingeholt, dann in der Absicht, ihn zu töten, ihn in den Brunnen geworfen hatte: er hat ihn für all dieses Unrecht nicht bestraft, sondern ihm verziehen. Hierauf weinte ich heftig vor dem Geiste und sprach folgende Verse:

      »Schenke mir meine Schuld, die Verständigen begnadigen ja selbst Verbrecher, und sollte ich auch alle Verbrechen verübt haben, so übe du die schöne Großmut nach allen Seiten. Wer Verzeihung wünscht von dem, der über ihm steht, der erlasse die Schuld dem, der unter ihm steht.«

      Da antwortete der Geist: »Nun, ich will dich nicht umbringen, doch verdienst du auch nicht, ganz unbestraft von mir entlassen zu werden; nun schenke ich dir zwar das Leben, aber ich will dich verzaubern.« Hierauf ergriff er mich und flog mit mir so hoch, daß mir die ganze Welt wie ein weißes Gewölk vorkam; er ließ mich dann auf einen Berg nieder, nahm ein wenig Erde, murmelte Beschwörungsformeln darüber und warf mich mit dieser Erde, indem er sagte: »Verwandle deine Gestalt in die eines Affen!« worauf ich sogleich ein Affe wurde. Er aber verschwand. Ich weinte nun über meine Verwandlung und klagte das Schicksal an, das keinen Menschen in Ruhe läßt; ich stieg dann den Berg hinunter und fand eine große Wüste, die zu durchziehen ich einen Monat brauchte. Ich kam hierauf zum Ufer des Meeres und sah mich nun um, ob ich nicht ein Schiff entdecken würde; endlich bemerkte ich eines mitten im Meere, das mit gutem Wind dahinsegelte; ich brach einen Baumzweig ab, winkte damit dem Schiffe zu und lief immer hin und her nach der Richtung des Schiffes; dabei brach es mir das Herz, daß ich mich nicht mit der Sprache auszudrücken vermochte. Auf einmal lenkte jedoch das Schiff gegen das Ufer hin, bis es bei mir war und siehe da, es war ein großes Schiff, mit Kaufleuten und vielen Waren und Spezereien beladen. Als die Kaufleute mich erblickten, sagten sie zu dem Schiffskapitän: »Du bist eines Affen willen mit uns hergefahren, der, wo er ist, den Segen vermindert.« Einer sprach: »Ich will ihn umbringen;« ein anderer: »Ich will einen Pfeil nach ihm schleudern;« ein dritter: »Wir wollen ihn ersäufen.« Als ich dies hörte, sprang ich auf, lief zum Kapitän, ergriff den Saum seines Kleides wie ein um Schutz Flehender und weinte dabei so sehr, daß mir die Tränen über das Gesicht liefen. Den Kapitän und alle Übrigen befremdete dies sehr und einige fingen schon an mich zu bemitleiden, als der Kapitän sprach: »Ihr Kaufleute, dieser Affe hat sich unter meinen Schutz begeben, den ich ihm auch zu gewähren schuldig bin, wer von euch ihn nur mit einem Dorn sticht, wird mich zum Feinde haben.« Auf solche Weise war der Kapitän sehr gütig gegen mich; ich verstand alles, was er sagte, nur konnte ich meiner Zunge nicht gebieten, ihm zu antworten. Wir reisten nun fünfzig Tage lang mit günstigem Winde, dann kamen wir in eine unermeßlich große und volkreiche Stadt. Als unser Schiff in den Hafen eingelaufen war, kamen uns Boten, von seiten des Königs, entgegen, sie stiegen auf unser Schiff und sagten: »Gemeinde von Kaufleuten! Unser Sultan grüßt euch und schickt euch ein Blatt Papier, auf das jeder eine Zeile schreiben soll; denn der König hatte einen gelehrten, sehr schön schreibenden Vezier, der nun tot ist, daher hat der Sultan den höchsten Eid geschworen, daß er niemanden zum Vezier ernennen wird, der nicht so schön schreibt, als der Verstorbene.«

      Sie überreichten dann den Kaufleuten ein Blatt Papier, fuhr der Kalender fort, das zehn Ellen lang und eine Elle breit war, es schrieb jeder, der schreiben konnte, eine Zeile darauf. Da stand ich auch auf und nahm ihnen das Papier aus der Hand; aber sie schrien mir zu und packten mich, denn sie fürchteten, ich werde es ins Meer werfen oder zerreißen. Als ich daher ihre Besorgnis bemerkte, gab ich ihnen durch Zeichen zu verstehen, daß ich auch schreiben wollte, sie wunderten sich sehr darüber und sprachen: »In unserem Leben haben wir noch keinen Affen gesehen, der schreiben konnte.« Der Kapitän aber sagte: »Laßt ihn schreiben, was er will, schmiert er nur etwas hin, so jage ich ihn fort oder töte ihn, schreibt er aber gut, so nehme ich ihn an Kindesstatt an; denn ich habe noch niemanden so verständig und so gebildet als diesen Affen gefunden. Ich wollte, mein Sohn besäße diesen Verstand und diese Bildung.« Nun nahm ich das Schreibrohr, tauchte es ein und schrieb diese zwei Verse mit großen Schriftzügen:

      »Wenn die Zeit die Vorzüge der edlen Menschen aufgezeichnet hätte, so würden jetzt die Deinigen alles Geschriebene auslöschen. Möchte Gott die Welt nicht durch deinen Tod verwaisen, denn du bist der Tugend Vater und Mutter.«

      Ich schrieb dann in einer anderen Schrift noch folgende Verse:

      »Aus seiner Feder entsprießt allen Ländern Heil und er verteilt mehr Geschenke als der ganz Ägypten befruchtende Nil.«Hier sind einige Wortspiele, die man nicht wiedergeben kann, ebensowenig lassen sich für die verschiedenen arabischen Schriften entsprechende Namen finden.

      In einer anderen Schrift schrieb ich hierauf folgende Verse darunter:

      »Ich beschwöre bei dem Einzigen und Mächtigen jeden, der sich meiner bedient, nie seine Feder jemanden einzutauchen, um seinen Lebensunterhalt abzuschneiden.«

      In einer anderen Schrift schrieb ich noch folgende Verse:

      »Niemand schreibt, der nicht vergeht, doch bewahrt die Zeit, was seine Hände geschrieben; schreibe daher nichts, was du am Auferstehungstage nicht gerne wiedersiehest.«

      Ich schrieb dann wieder in einer anderen Schrift folgende Verse:

      »Als wir benachrichtigt wurden, daß die Wechsel des Schicksals uns mit Trennung heimgesucht hatten, wendeten wir uns zu dem Munde der Tintengläser und klagten unsere bittere Trennung mit den Zungen der Federn.«

      Zuletzt schrieb ich noch folgende Verse in einer anderen Schrift:

      »Öffnest du dein Tintenfaß der Macht und des Glücks, so laß deine Tinte von Güte und Edelmut fließen, schreibe nur Gutes, so oft du es kannst, es wird dann die Spitze des Schwertes und der Feder deine Tugend preisen.«

      Nachdem ich dies alles geschrieben hatte, überreichte ich das Papier, das sie mit größtem Erstaunen sahen. Die Schiffleute nahmen das Papier und brachten es dem Sultan, der die Schriften sehr schön fand und also sprach: »Geht, nehmet dieses Maultier und dieses Ehrenkleid und bringt es dem, der diese sieben Schriften geschrieben hat.« Die Leute lachten laut auf, doch als sie sahen, daß der Sultan darüber in Zorn geriet, sagten sie: »O König der Zeit und Meister des Jahrhunderts! ein Affe hat diese Zeilen geschrieben.« »Ist dies wahr?« sagte der König. »Bei deiner Huld, der Schreiber dieser Zeilen ist ein Affe«, antworteten die Leute. Da schickte der König Boten ab und sagte ihnen: »Nehmet mein Maultier und dieses Ehrenkleid, zieht es dem Affen an und laßt ihn dann auf dem Maultier zu mir her reiten.« Als wir nun, ohne an etwas zu denken, auf dem Schiffe waren, kamen auf einmal die Boten des Königs, nahmen den Kapitän bei Seite, zogen mir dann ein Ehrenkleid an, setzten mich auf das Maultier