Karl May

Im Lande des Mahdi I


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befinden sich diese Schüsseln?«

      »Da vorn in dem Verschlage.«

      Er deutete nach dem Schnabel des Schiffes, an dessen Innenseite aus Brettern ein schrankartiges Behältnis angebracht worden war. Ich nahm ohne weiteres die Laterne, ging hin, öffnete und sah zwei eiserne Gefäße und einen Vorrat von Pech, Ich füllte das eine und hatte mit Hilfe der Laterne schnell ein Pechstück angebrannt, welches seine Flamme den anderen Stücken mitteilte.

      »Was ist das? Was fällt dir ein?« fragte der Reïs, welcher mir mit den beiden andern gefolgt war.

      »Frage lieber, was diesem dort einfällt!« antwortete ich, indem ich nach dem Landebrette zeigte, auf welchem soeben eine Gestalt schnell nach dem Ufer huschte. Der Gaukler hatte sich also doch besonnen und zurückkehren wollen. Er stand schon auf dem Brette, welches den Schiffsbord mit dem Ufer verband, und floh nun vor der Helle, welche die Pechflamme verbreitete.

      »Wer ist es? Wen meinst du? Ich sehe ja nichts!« meinte der Reïs, obgleich er die Gestalt ebenso gut wie ich gesehen haben mußte.

      »Wenn du es wirklich nicht weißt, werde ich es dir sagen,« versprach ich ihm, indem ich auch die zweite Schüssel anbrannte und dann hinauf an das Steuer trug. Auf diese Weise hatte ich die gewünschte Beleuchtung innerhalb zweier Minuten hergestellt, während dies, wenn ich mit dem Reïs hätte darüber verhandeln wollen, kaum binnen einer Stunde oder auch wohl gar nicht zu erreichen gewesen wäre. Dann stieg ich die schmalen Stufen hinab und zog das Landungsbrett an Bord, eine Arbeit, zu welcher eigentlich zwei Männer gehörten.

      »Aber, Effendi, welcher Geist ist in dich gefahren!« rief der Reïs. »Allah schütze uns! Wir wissen nicht, was wir aus dir machen und von dir denken sollen!«

      Er stand mit den beiden andern am Maste. Ich ging zu ihnen und antwortete: »Welcher Geist in mich gefahren ist? Ja, es scheint freilich hier Geister zu geben. Soeben wollte einer auf das Schiff, aber das Pechfeuer hat ihn vertrieben. Glaubte doch vorhin dieser gute Diener der Kajüte, ich selbst sei ein Gespenst! Welch eine Verwechslung, da er das eigentliche, leibhafte Gespenst ist!«

      »Ich?« fragte der Genannte.

      »Ja, du! Ich hoffe, daß du das nicht bestreiten wirst.«

      »O Allah! Ich ein Gespenst! Effendi, deine Seele ist abwesend. Komm zu dir!«

      Ich hatte mich an den Mast gelehnt. Die beiden Feuer beleuchteten das Ufer und die ganze Umgebung des Fahrzeuges, auch die Gesichter der drei Biedermänner, welche nicht wußten, ob sie höflich oder grob mit mir sein sollten. Am liebsten wären sie wohl das letztere gewesen; aber das böse Gewissen veranlaßte sie, sich noch zuwartend zu verhalten.

      »Ja, ein Gespenst bist du!« nickte ich dem Kerl in gemütlicher Weise zu. »Ich bin bei mir und brauche also nicht zu mir zu kommen; aber du scheinst dich selbst verloren, du scheinst vergessen zu haben, wer und was du bist, nämlich das Gespenst Nummer Drei.«

      Es war ergötzlich, das Gesicht zu sehen, welches er machte, als er, zwei Schritte zurücktretend, mich ganz betroffen und stockend fragte:

      »Gespenst – — Nummer – — Drei? Ich verstehe dich nicht.«

      »So will ich dir den Gefallen thun, deinem Gedächtnisse zu Hilfe zu kommen. Den Geist Nummer Eins band ich in meinem Zimmer fest; Nummer Zwei schlug ich im Hofe mit der Flinte nieder, und Nummer Drei verfolgte ich bis in den Garten, wo er mir entkam, weil er mit dem Messer nach mir stach. Begreifst du mich nun?«

      »Noch – immer nicht!« stotterte er.

      »Nicht? Und doch hast du vorhin den beiden Männern, welche da neben dir stehen, gesagt, ich hätte dir den Glanz deines Daseins geschändet und du würdest die Spuren meiner Faust noch einen Monat lang im Gesichte tragen!«

      Er antwortete nicht und sah die beiden anderen an, welche auf ihn, auf mich, dann wieder auf ihn blickten und schwiegen.

      »Dafür,« fuhr ich fort, »hast du gewünscht, daß der Scheitan meinen Leib in tausend Stücke zerreißen und meine Seele durch das stärkste Feuer der Hölle verzehren lassen möge.«

      Der Mann starrte mich wie abwesend an, und brachte kein Wort hervor. Der alte Reïs aber war ein noch härter gesottener Sünder und frech genug, mir zu sagen:

      »Effendi, ich weiß nicht, was dich veranlassen kann, diesem frommen und treuen Manne so harte Worte zu sagen. Ich will —«

      »Ihn mir empfehlen, nicht wahr ?« fiel ich ihm in die Rede. »Das wolltest du doch. Du hast es ihm versprochen. Er soll mein Diener werden und mich dem Mokkadem in die Hände liefern.«

      Der Steuermann war kein so starker Kopf; es wurde ihm himmelangst, als er die Worte hörte, welche vorhin gesprochen worden waren, konnte es nicht länger aushalten und rief, indem er beide Arme erhob und die Hände über dem Kopfe zusammenschlug:

      »la Allah, ia faza, ia hijarahn – o Gott, o Schreck, o Entsetzen! Er ist allwissend; er weiß jedes Wort! Ich gehe; ich laufe; ich verschwinde!«

      Er wollte fort; ich hielt ihn am Arme zurück und gebot:

      »Bleib‘! Hast du gehört, was diese beiden vorhin miteinander gesprochen haben, so magst du auch vernehmen, was ich ihnen sagen werde.«

      Er ergab sich in sein Schicksal und blieb stehen. Der Reïs hielt es für geraten, nichts zu wissen, denn er fuhr mich nun in zornigem Tone an:

      »Effendi, du bist mein Passagier, und ich bin gewohnt, höflich mit diesen Leuten zu sein; aber wenn du – —«

      »Höflich?« schnitt ich ihm die Rede ab. »Ist es höflich,wenn du mich einen Christenhund nennst, wenn du sagst, ich habe einen Kopf aber keinen Verstand, ich besitze wohl Augen und Ohren, sei aber trotzdem blind und taub? Ist es höflich, daß du es für geraten hieltest, mich lieber hier ermorden – —«

      »Ermorden?« unterbrach er mich im Tone beleidigter Unschuld.

      »Als mir nur die Brieftasche abnehmen zu lassen?« fuhr ich fort.

      »Brieftasche?« wiederholte er erstaunt. »Was geht mich denn deine Brieftasche an!«

      »Nichts, gar nichts; das ist wahr. Und dennoch hast du sie bei dir! Gieb sie heraus!«

      Da richtete sich seine Gestalt möglichst hoch auf, und er fuhr mich an:

      »Effendi, ich bin ein Moslem, und du bist ein Christ. Weißt du, was das hier in diesem Lande zu bedeuten hat? Ferner, ich bin der Reïs, und du bist mein Passagier. Weißt du, was auch das zu bedeuten hat, hier an Bord?«

      »Und endlich,« ergänzte ich seine Rede, »bin ich ein ehrlicher Mann; du aber bist ein Schurke. Weißt du, was daraus folgt? Wir befinden uns nicht im Sudan, sondern hier in Giseh, wo es einen Mudir giebt und wo nach deinen eigenen Worten unsere Konsuls eine Macht besitzen, welche du zu fürchten hast. Der Muza‘bir ist entkommen und – —«

      »Der Muza‘bir!« schrie der Steuermann auf. »Er weiß alles, alles, sogar das!«

      »Ja, ich weiß freilich alles. Dieser Reïs hat sich über mich lustig gemacht, indem er meinte, ich sei zu dumm, um etwas zu merken. Er sagte, ein wahrer Gläubiger hätte sofort geahnt, daß eine Gefahr für ihn im Anzuge sei. Nun, ihr wahren Moslemin, wer ist denn klüger gewesen, ihr oder ich? Hundert Kerle von eurer Sorte bringen zwar genug Verschlagenheit und Bosheit, aber nicht so viel Weisheit und wahre Klugheit zusammen, wie ein einziger guter Christ besitzt. Ihr frommen Anhänger der heiligen Kadirine wollt mich bestehlen, verderben, töten. Ich aber verlache euch. Ich habe gewußt, daß der Muza‘bir kommen werde; ich habe mir die Brieftasche nehmen lassen, aber die drei Unterschriften vorher versteckt. Hier sind sie!«

      Ich zog die Papiere hervor, hielt sie ihnen hin, steckte sie wieder ein und fuhr dann fort:

      »Dort bei den Tabaksballen stand der Dieb; er fand die Papiere nicht und warf die Brieftasche fort, um zu entfliehen, als ich kam. Du, Reïs, hast sie eingesteckt; ich habe es gesehen. Gieb sie heraus!«

      »Ich habe sie nicht!« knirschte der Mann.

      »Nicht? Siehe dir einmal die Nase dieses Gespenstes Nummer Drei an! Willst du auch eine solche haben? Willst du meine