Karl May

Winnetou 4


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Warum bläst da seine Frau die Gitarre nicht auch?«

      Ein johlendes Gelächter belohnte diesen billigen Witz.

      »Warum redet er so dumm?« zürnte das Herzle.

      »Laß ihn!« bat ich. »Er hat seine Absicht. Und die ist gut. Ich vermute, es entspinnt sich da unten eine jener Szenen, an denen der Westmann immer eine große Freude hat, nämlich die Zurechtweisung von Menschen, die ihn für albern oder sonstwie minderwertig halten.«

      »Sind diese Menschen etwa Rowdies?«

      »Ich glaube nicht, aber sie gebärden sich wie solche. Darum verdienen sie eine gute Lehre noch viel mehr, als wenn sie wirklich welche wären. Ich vermute – — – ah, diese Pferde! Die scheinen ihnen zu gehören!«

      »Sind sie gut?«

      »Gut? Dieses Wort sagt viel zu wenig!«

      »Also wertvoll?«

      Ich zögerte, zu antworten, weil meine Aufmerksamkeit jetzt ganz ausschließlich auf die Tiere gerichtet war, denen diese Frage galt. Nämlich durch die hintere Gartenmauer öffnete sich eine Tür auf ein von Gebäuden freies Oedland, welches vorhin bei unserer Ankunft vollständig leer gewesen war; jetzt aber gab es da einige Peone, welche beschäftigt waren, ein Zelt zu errichten. In ihrer Nähe bewegten sich zwei Gruppen von Pferden, die mein ganzes Interesse in Anspruch nahmen. Die eine Gruppe bestand aus neun Pferden und vier Maultieren. Die ersteren waren das, was man »gute« Pferde nennt, nicht mehr und auch nicht weniger; die letzteren stammten jedenfalls aus Mexiko und gehörten jener ganz vorzüglichen Züchtung an, die man dort mit dem Wort »Nobillario« bezeichnet. Ihr Preis betrug selbst unter Brüdern wenigstens tausend Mark pro Stück. Die andere Gruppe zählte nur drei Pferde, aber was für welche! Sie waren Fliegenschimmel, doch nicht etwa schwarz und weiß, sondern schwarz und rotbraun gefleckt, eine ganz einzige, höchst vornehme Farbe, die nur durch lange, mühevolle Zucht zu erreichen gewesen war. Körperbau, Haltung und Gebaren erinnerten mich an die berühmten Rapphengste meines Winnetou, zugleich aber auch an jene ausdauernden Dakotatraber, die es jetzt nicht mehr gibt. Sie wurden von einigen nördlichen Indianerstämmen gezüchtet und erreichten durch ihre ununterbrochene Stetigkeit mehr, als man selbst mit dem besten Renner erreicht.

      So dachte ich jetzt, einstweilen, denn um Gewisses sagen und behaupten zu können, mußte man hingehen, um sie in der Nähe zu betrachten und zu untersuchen. Aber daß diese drei Fliegenschimmel besten Blutes waren, ergab sich auch schon daraus, daß sie sich abgesondert hielten und zärtlich miteinander waren. Sie leckten und liebkosten einander; sie jagten einander hin und her und schmiegten sich dann wieder so eng zusammen, daß man sie unbedingt für Geschwister oder doch wenigstens für nahegeborene Gespielen halten mußte, die noch nie voneinander getrennt worden waren.

      In der Nähe des Zeltes lag ein Haufen von Decken und anderen Reise- und Lagerutensilien. Auch viele Sättel gab es, wohl mehr als zwanzig Stück. Es waren auch einige Damensättel darunter. Wozu? Gehörten zu den sechs überlauten, jungen Männern vielleicht auch einige Frauen, die man jetzt noch nicht sah? Und bestand die Gesellschaft aus soviel Personen, wie Sättel vorhanden waren, also aus über zwanzig? Bis jetzt sah man nur die Sechs und die drei Peone. Jedenfalls hatte ich mich vorhin nicht geirrt, als ich annahm, daß diese Leute keine Rowdies seien, aber so ziemlich aus dem Häuschen waren sie jedenfalls, und wahre Bildung, also Herzensbildung, besaßen sie nicht; das bewiesen sie durch die Art und Weise, wie sie den früheren Wirt behandelten und hierauf auch uns selbst zu behandeln wagten. Sie konnten auch etwas noch Schlimmeres als nur Rowdies sein! Ich nahm meine beiden Revolver aus dem Koffer, lud sie und steckte sie zu mir.

      »Um Gottes willen! Was tust du da?« fragte das Herzle. »Nichts, was deine Besorgnis erregen kann«, antwortete ich.

      »Aber du willst schießen!«

      »Nein! Und selbst wenn ich schieße, so aber doch nicht auf Menschen.«

      »Trotzdem! Wollen doch lieber hier oben essen!«

      »Willst du mich in deinem eigenen Innern blamieren?«

      »Nein!« sagte sie entschlossen. »Komm!«

      Wir gingen hinab und setzten uns, ohne zu grüßen, an unsern Tisch. Es trat eine kurze Stille ein. Man betrachtete uns; man taxierte uns ab. Pappermann stand drüben von ihrer Tafel auf und kam herüber zu uns, weil wir ihn eingeladen hatten, mit uns zu essen. Da steckten sie die Köpfe zusammen, und aus der Art und Weise, in der sie miteinander sprachen, war zu ersehen, daß es sich um irgendeinen Streich handelte, den sie an uns verüben wollten.

      »Sie sind Künstler«, sagte Pappermann, indem er sich bei uns niedersetzte.

      »Welcher Art?« fragte ich.

      »Maler und Bildhauer. Sie wollen nach dem Süden, zu den Apatschen, sagen sie.«

      »Ah! Was wollen oder sollen sie dort?«

      »Weiß es nicht. Sie sagten mir nichts; ich schließe es nur aus ihren Worten. Sie scheinen eingeladen zu sein. Sie wollen schon morgen früh wieder fort. Haben tausend Teufel im Leib. Keiner von ihnen ist dreißig Jahre alt. Grüne Jungens. Tun aber, als ob ihnen die Gescheitheit gleich schaufelweise in den Kopf geworfen worden sei. Habt Ihr gehört, was sie fragten?«

      »Ja.«

      »Und was ich ihnen sagte, wer Ihr seid?«

      »Auch das.«

      »War es richtig?«

      »Weder richtig noch falsch. Was diese Leute von mir denken, ist gleichgültig.«

      »Oh, vielleicht doch nicht! Sie ärgern sich über euch. Ich ahne irgendeine Teufelei!«

      »Mögen sie kommen!«

      Kaum hatte ich das gesagt, so gingen die Worte in Erfüllung. Howe stand auf und kam langsam zu uns herüber.

      »Es geht los!« warnte Pappermann.

      »Ist mir nur lieb«, antwortete ich. »Laßt mich nur machen, und redet mir nicht darein!«

      Da hatte Howe uns erreicht, machte mir eine ironische Verbeugung und fragte:

      »Mr. Burton, wenn ich mich nicht irre?«

      »Ja«, nickte ich.

      »Ihr blast die Harmonika?«

      »Warum nicht? Für Euch ganz besonders gern.«

      »Und das ist Mrs. Burton?«

      Er deutete dabei auf das Herzle.

      »Gewiß«, antwortete ich.

      »Sie spielt auf der Gitarre?«

      »Wünscht Ihr vielleicht, sie zu hören?«

      »Jetzt noch nicht, vielleicht aber später. Jetzt brauchen wir nur erst das.«

      Er zog uns das weiße Tuch vom Tisch, trug es fort und breitete es drüben auf die Tafel.

      »Das ist stark! Das ist sogar unverschämt!« zürnte Pappermann.

      Das Herzle verzog keine Miene.

      »Nur ruhig bleiben!« sagte ich. »Wir lassen uns Alles gefallen, Alles!«

      Da kam der neue Wirt, um uns selbst zu bedienen. Er brachte zunächst die Teller und Bestecke. Kaum hatte er den Rücken gewendet, so kam Howe, nahm uns diese Sachen weg und trug sie hinüber. Hierauf brachte der Wirt die Suppe. Er sah, wie die Sache stand, blieb aber still und stellte die Terrine zu uns auf den Tisch. Sofort wurde sie hinübergeholt und geleert. Dann brachte man sie uns wieder herüber. So ging es nicht nur mit der Suppe, sondern auch mit den übrigen Speisen, bis ganz zuletzt auf die Früchte. Die vollen Teller, Schüsseln und Schalen wurden uns genommen, und geleert brachte man sie uns wieder. Dabei gab es ein immerwährendes Spotten und Lachen sondergleichen.

      »Das sind keine Nigger! » sagte Pappermann. »Das sind auch keine Indsmen! Sondern das sind Weiße! Was sagt Ihr dazu, Sir?«

      »Das werdet Ihr wahrscheinlich sehr bald hören«, antwortete ich.

      »Ich bestelle natürlich sofort anderes Essen für uns!«

      »Nein, jetzt noch nicht. Erst muß diese Posse hier zu Ende gespielt worden sein.