Karl May

Durch die Wuste


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einem starken Holzgitter.«

      »Konntest du es nicht entfernen?«

      »Es widersteht aller meiner Kraft.«

      »Wie weit ist der Ort von hier?«

      »Das Gitter muß sich grad bei der Grundmauer des Hauses befinden.«

      »Ich werde einmal nachsehen. Ziehe dich an; halte meine Kleider und erwarte mich hier.«

      Ich warf nur das Obergewand ab und stieg in das Wasser. Mich auf den Rücken legend, schwamm ich vorwärts. Der Kanal war auch im Garten nicht offen, sondern mit steinernen Platten bedeckt. Als ich nach meiner Berechnung das Haus erreicht haben mußte, stieß ich an das Gitter. Es war so breit und hoch wie der Kanal selbst, bestand aus starken, gut eingefügten Holzstangen und war mit eisernen Klammern an die Mauer befestigt. Die Vorrichtung hatte jedenfalls den Zweck, Tiere wie etwa Ratten, Wassermäuse usw. vom Bassin fernzuhalten. Ich rüttelte daran; es gab nicht nach, und ich mußte einsehen, daß es im ganzen nicht zu entfernen sei. Ich faßte einen einzelnen Stab mit beiden Händen, stemmte die hoch emporgezogenen Kniee hüben und drüben gegen die Mauer – ein Ruck aus allen Kräften, und die Stange zerbrach. Jetzt war eine Bresche da, und in Zeit von zwei Minuten hatte ich noch vier Stäbe herausgerissen, so daß eine Oeffnung entstanden war, durch welche ich mich zwängen konnte.

      Sollte ich zurückkehren, um Isla das weitere zu überlassen? Nein, denn das wäre Zeitverschwendung gewesen. Ich befand mich nun einmal im Wasser und kannte ja auch die Oertlichkeit genauer als er. Ich passierte also die Oeffnung, welche ich mir gemacht hatte, und schwamm weiter fort in dem Wasser, welches durch den aufgewühlten Schlamm ganz dick war. Als ich mich nach meiner ungefähren Berechnung unter dem inneren Hofe befinden mußte, senkte sich plötzlich die Wölbung bis auf die Oberfläche des Wassers herunter, und ich wußte nun, daß ich mich in der Nähe des Bassins befand. Der Kanal glich von hier aus nur noch einer Röhre, welche so vollständig mit Wasser gefüllt war, daß die zum Atmen nötige Luft fehlte. Die noch übrige Strecke mußte ich also unter Wasser durchkriechen oder tauchend durchschwimmen, was nicht nur höchst unbequem und anstrengend, sondern auch mit größter Gefahr verbunden war. Wie nun, wenn sich ein zweites, unvorhergesehenes Hindernis in den Weg stellte und ich auch nicht so weit zurückkehren konnte, um den nötigen Atem zu holen? – — Oder wenn ich beim Emportauchen bemerkt wurde? Es war doch immerhin möglich, daß sich jemand in dem Hofe befand.

      Diese Bedenken durften mich nicht irre machen. Ich sog die Lunge voll Atem, bog mich unter das Wasser und schob mich, halb schwimmend und halb gehend, mit möglichster Schnelligkeit vorwärts.

      Eine ziemliche Strecke legte ich so zurück, und schon verspürte ich den eintretenden Luftmangel, als ich mit der Hand wirklich an ein neues Hindernis stieß. Es war, wie ich fühlte, ein aus einem durchlöcherten Blech bestehendes Siebgitter, welches die ganze Lichte der Kanalröhre einnahm und jedenfalls, so zu sagen, als Seiher oder Filter des schlammigen, trüben Wassers dienen sollte.

      Bei dieser Entdeckung bemächtigte sich eine wirkliche Aengstlichkeit meiner.

      Zurück konnte ich nicht mehr, denn ehe ich die Stelle zu erreichen vermochte, wo die höhere Wölbung des Kanals mir gestattet hätte, emporzutauchen und Atem zu schöpfen, war ich jedenfalls schon erstickt, und doch schien das ziemlich starke Siebwerk sehr haltbar befestigt zu sein. Hier gab es freilich nur zwei Fälle: entweder es gelang mir, hindurchzukommen, oder ich mußte elend ertrinken. Es war kein Augenblick zu verlieren.

      Ich stemmte mich gegen das Blech – vergebens; ich drückte und preßte mit aller Gewalt dagegen, doch ohne Erfolg. Und wenn ich hindurch kam und hinter ihm nicht sofort das Bassin sich befand, so war ich dennoch verloren. Ich hatte nur noch Luft und Kraft für eine Sekunde; es war mir, als wolle eine fürchterliche Gewalt mir die Lunge zerbersten und den Körper zersprengen – noch eine letzte, die allerletzte Anstrengung; Herr Gott im Himmel, hilf, daß es mir gelingt! Ich fühle den Tod mit nasser, eisiger Hand nach meinem Herzen greifen; er packt es mit grausamer, unerbittlicher Faust und drückt es vernichtend zusammen; die Pulse stocken; die Besinnung schwindet; die Seele sträubt sich mit aller Gewalt gegen das Entsetzliche; eine krampfhafte, tödliche Expansion dehnt die erstarrenden Sehnen und Muskeln aus – ich höre keinen Krach, kein Geräusch, aber der Kampf des Todes hat vermocht, was dem Leben nicht gelingen wollte – das Sieb weicht, es geht aus den Fugen, ich fahre empor. Ein langer, langer, tiefer Atemzug, der mir augenblicklich das Leben wiederbrachte, dann tauchte ich wieder unter. Es konnte ja jemand im Hofe sein und meinen Kopf bemerken, der grad in der Mitte der kleinen Wasserfläche sichtbar geworden war. Am Rande derselben kam ich vorsichtig wieder auf und blickte mich um.

      Es schien kein Mond, aber die Sterne des Südens verbreiteten ein genügendes Licht, um alle Gegenstände unterscheiden zu können. Ich stieg aus dem Bassin und wollte mich leise an die Mauer schleichen, als ich ein leises Knacken vernahm. Ich blickte empor zu den Gittern, hinter denen die Frauengemächer lagen. Hier, rechts über mir, war die Stelle, an welcher ich den Riegelstab entfernt hatte, und links davon bemerkte ich eine Spalte in der Vergitterung desjenigen Zimmers, in welches ich nicht hatte treten dürfen. Es war jedenfalls das Schlafzimmer Senitzas. War sie wach geblieben, um mich zu erwarten? Kam das Knacken von dem Gitter, welches sie auch in ihrer Stube geöffnet hatte? War dies der Fall, so hatte sie mich aus dem Wasser steigen sehen und sich jetzt wieder zurückgezogen, da sie mich unmöglich erkennen konnte. Ich schlich näher und legte die Hände rund um den Mund.

      »Senitza!« flüsterte ich leise.

      Da wurde die Spalte größer und ein dunkles Köpfchen erschien.

      »Wer bist du?« hauchte es herab.

      »Der Hekim, welcher bei dir war.«

      »Du kommst, mich zu retten?«

      »Ja. Du hast es geahnt und meine Worte verstanden?«

      »Ja. Bist du allein?«

      »Isla Ben Maflei ist draußen.«

      »Ach! Er wird getötet werden!«

      »Von wem?«

      »Von Abrahim. Er schläft nicht des Nachts; er wacht. Und die Wärterin liegt in dem Raume neben mir. Halt – horch! Oh, fliehe schnell!«

      Dort hinter der Tür, welche zum Selamlük führte, ließ sich ein Geräusch vernehmen. Die Spalte oben schloß sich, und ich eilte augenblicklich zum Bassin zurück. Dort war der einzige Ort, wo ich Zuflucht finden konnte. Vorsichtig, damit das Wasser keine Wellen werfen sollte, die mich verraten hätten, glitt ich hinein.

      Kaum war dies geschehen, so öffnete sich die Tür, und es erschien die Gestalt Abrahims, der langsam und spähend den Hof umschritt. Ich stand bis zum Munde im Wasser, und mein Kopf war hinter der Einfassung verborgen, so daß mich der Aegypter nicht gewahr werden konnte. Dieser überzeugte sich, daß das Tor noch verschlossen sei, und verschwand, nachdem er die Runde vollendet hatte, wieder in dem Selamlük.

      Jetzt stieg ich wieder aus dem Wasser, glitt zum Tore, schob den Riegel zurück und öffnete. Ich stand im Garten. Rasch eilte ich quer über denselben hinweg, um nun auch das Mauertor zu öffnen, und dann wollte ich um die Ecke biegen, Isla Ben Maflei zu holen, als dieser eben erschien.

      »Hamdulillah, Preis sei Gott, Effendi! Es ist dir gelungen.«

      »Ja, Aber ich kämpfte mit dem Tode. Gib mir mein Gewand!«

      Hose und Weste trieften mir von Wasser; ich warf nur die Jacke über, um nicht in meinen Bewegungen gehindert zu sein, und sagte ihm:

      »Ich sprach bereits mit Senitza.«

      »Ist es wahr, Effendi?«

      »Sie hatte mich verstanden und erwartete uns.«

      »O komm! Schnell, schnell!«

      »Warte noch!«

      Ich ging in den Garten, um eine der Stangen zu holen, welche ich erst bei meiner zweiten Anwesenheit bemerkt hatte. Dann traten wir in den Hof. Die Spalte oben im Gitterwerke hatte sich bereits wieder geöffnet.

      »Senitza