31. Juli um 7 Uhr traf der Dampfer „Kilauéa“ ein; um 8 waren wir auf Deck und gleich darauf ging er ab.
Bald zeigte sich rechts die Sicht der wüsten Felseninsel Kahóoláwe, links die hier steileren Ufer des bis in den Ocean sich hineinziehenden Haleakála, dessen Höhe durch seinen breiten Auslauf namentlich von hier aus viel geringer erscheint.
Die Insel Kahóoláwe hat einen Umfang von 84 engl. Quadratmeilen, liegt lang gestreckt, mit einer Maximal-Höhe von 400′. Die Insel soll vor Zeiten fruchtbar und bevölkert gewesen sein. Noch 1876 hatte der Oberrichter E. H. Allen auf der Insel 16000 Schafe. Augenblicklich soll dortselbst kein Schaf mehr vorhanden sein oder nur wenige derselben und zwar verwilderte an der Westküste der Insel, die noch stellenweise nahrhafte Gräser bietet. Mit Ausnahme dieser Westküste charakterisiren die Insel augenblicklich eine unbeschreibliche öde, dürre Sicht und beständig sich erhebende Staubwolken, die wirbelnd den Rest des Humus der Insel allmählich in den Ocean bringen. Die Insel spricht für die Mahnung, dass, wer im übertrieben grossen Massstabe Schafzucht treiben will, zugleich an die Cultivirung des Landes und an die erforderliche Bewässerung desselben denken muss.
Um 9 Uhr Halt vor dem Hafen Hónaáúla, der der kleinen wilden Felseninsel Molokíni gegenüber gelegen ist. Den kleinen Ort charakterisirt eine dürre, öde Gegend. Er ist von der „Hoúlapalákuá“ – Plantage des Kapitain J. Makee umgeben. Die sichtbaren Felder der Plantage zeigen keine Ueppigkeit, obgleich der Ruf derselben sie als ertragreich schildert.
Um 10 Uhr dampften wir weiter, und kaum, dass wir die spitzen Ausläufer der kleinen Bai umfahren hatten, so zeichnete sich vor uns in der Ferne die gewaltige dunkle Masse der erloschnen Schlammhügel des 14,140′ hohen Mauna-Kéa der Insel Hawaii, dessen Gipfel in dichte Wolken gehüllt war. Zur gleichen Zeit, gleichwie durch Zauberspruch, fasste plötzlich unser Schiff die heftige Strömung des Maui-Hawaii-Kanales mit gewaltiger Hast. Die gewaltige Unruhe des Oceans währte bis 3 Uhr, als wir in Sicht der nördlichsten Spitze der Insel Hawaii und zugleich aus der wirksamen Strömung des Kanales traten und bald darauf in der Bai von Kawaihae vor dem Hafenort gleichen Namens um 4 Uhr hielten. —
Vor uns lag scheinbar öd und dürre der Distrikt Kohála, dessen wilder, starrer Küstenstrich den Ruf eines fischreichen hat, was die zahlreichen, gleich einem perpetuum mobile hin und her schwankenden Reihen der Fischerboote und – Barken klar beweisen. Die Boote bestehen meist aus ausgehöhlten Baumstämmen, an deren einen Seite, da sie sehr schmal, eine Flügeleinrichtung zur Erhaltung der Balance angebracht ist, die ähnlich der der Boote der Malaien und Singalesen ist. Der Mast oder die Maste dieser schmalen Boote (Kanos) sind mit verhältnissmässig sehr grossen dreieckigen Segeln versehen, deren Handhabung gleichwie die der Boote als eine leichte erscheint und eine verhältnissmässig sichere sein muss, da, wie man mir sagt, sehr selten Unglücksfälle vorkommen sollen.
Der Ort Kawaihae ist ungeachtet seiner auffallend dürren Lavageröllumgebung ein ungemein lieblicher. An seinem nördlichen Ende erhebt sich ein kleiner, blendend weiss gestrichener Leuchtthurm; in südlicher Richtung desselben liegen in einer Reihe ein paar Dutzend ebenfalls weiss gestrichner kleiner Häuser mit rothen Dächern, in deren Mitte sich schattige Bäume einer gefälligen Gartenanlage zeigen und vereinigt mit einer dem Strande entlang sich ziehenden Allee einen heitern, freundlichen Eindruck dem saubern kleinen Orte geben.
Von Kawaihae aus findet die Verbindung mit der unter der Agentur der Mr. Castle und Cook stehenden grossen Zuckerplantage Kohála und dem Viehzucht treibenden gebirgigen Distrikte von Waiméa statt.
Der Distrikt von Waiméa, der früher als reiches, üppiges Grasland einen bedeutenden Ruf im Inselreiche gehabt hatte, ist jetzt leider durch falsche Behandlung der Waldung oder besser gesagt, durch vernunftlose Ausnutzung selbstsüchtiger europäischer Eindringlinge, die nur an ihren eigenen Vortheil dachten, vollständig verwüstet worden.
Kawaihae war am Anfange dieses Jahrhunderts noch ein wichtiger Wallfahrtsort des Heidenthums. Circa 1 Meile vom Hafen entfernt liegt nämlich der Heiïau oder Tempel von Puuapa, der laut der Sage in 3 Tagen erbaut worden ist. Die Steine zum Bau mussten von einem circa 12 engl. Meilen entfernten Bruch von der Bevölkerung angetragen werden. Der Mörtel zum Bau soll, wie man sagt, mit menschlichem Blute zubereitet worden sein. Der Tempel hat eine Länge von 350′ zu 150′ Breite und die Mauern sind 20′ hoch bei einer Basis von 50′ Breite und 8′ Breite in der Höhe. In der einen Ecke des Tempels, frei liegend ohne jegliche Bedachung, ruht ein grosser, dunkler, glatter Stein, auf welchem die Menschen den Göttern geopfert wurden. In den Ruinen des Tempels findet man noch heutigen Tages zahlreiche Sammlungen zusammengelegter, sorgfältig eingewickelter Knochen, in deren unmittelbarer Nähe kleinere Steinplatten sich befinden, auf denen das von den Knochen abfallende Fleisch sorgfältig bis auf das Kleinste verbrannt wurde.
Die Behauptung vieler Europäer, dass bei diesen Opfern die Priester, denen das Amt der Opfervollziehung durch einen „tabú“, d. h. eine heilige Amtserklärung, übergeben war, sich nachträglich vom Fleische der Opfer nährten, ist in facto erdichtet, wie ich es auf das Bestimmteste aus dem Munde jetzt noch lebender Augenzeugen gehört habe. Diese behaupten auch namentlich, dass laut ihren ältesten Ueberlieferungen der Kannibalismus unter ihren Vorfahren, die sich am liebsten von Vegetabilien nährten, nie bestanden habe und dass im Tempel die Opfer dieses so grausamen Aberglaubens mit raschem Tode und ehrfurchtsvoller Achtung gleichsam wie Heilige behandelt worden sind.
Um ½6 verliessen wir Kawaihae, um, unsern Weg in nördlicher Richtung zurücknehmend, die nördliche Spitze der Insel bei Upoloá zu umfahren und wieder in die heftige wilde Strömung des „Maui-Hawaii“ – Kanales zu gelangen.
Um ½7 Halt vor Kohála und nach einer Stunde Aufenthalt ging’s bei zunehmend unruhiger See wieder weiter.
Um ½2 in der Nacht hielten wir vor dem imposanten Palisadenufer Laupa-hoe-hoe, vor der grossen und reichen Zuckerplantage des Mr. Campbell und in Sicht eines von der steilen Küste wild niederstürzenden vom Monde beleuchteten Wasserfalles. Unmittelbar am Ufer erheben sich malerisch die Ruinen des vom König Lilío dem Gotte der Fischer errichteten Tempels. Er war nämlich vom einfachen Fischer zum König der Insel erhoben worden.
Am folgenden Tag, den 1. August, um 10 Uhr verliessen wir die höchst lebhafte Küste von Laupa-hoe-hoe – und folgten einer pallisadenartigen, sehr steilen, mit üppigem Gebüsch bewachsenen, grünen Küste, von deren steiler Höhe zahlreiche Wasserfälle glitzernd in den Ocean sich stürzen und die so mannigfaltig in ihrem Charakter sind, dass sich für einen Maler keine günstigere Stelle zum Studium der Wasserfälle findet.
Um 11 Uhr Halt vor Hakaalaú, von wo aus die Küste an Steile abnimmt und bis Hilo allmählich flacher wird, jedoch an Vegetation und charakteristischen Schattirungen bis zum prachtvollsten Ausdruck zunimmt.
Um 2 Uhr hielten wir vor Hilo, dessen hübscher Hafen seiner heftigen Brandung und hoher Woge wegen ein wilder zu nennen ist.
Mit bedeutender Anstrengung gelang es dem Boote, welches uns vom Dampfer abholte, an der kleinen eisernen Werfte zu landen. Die wilde Woge hob dasselbe wiederholt bis zur Brücke, es wurde jedoch rasch wieder und zwar durch die Woge, uns vollständig überspülend, in den Ocean zurückgetrieben. Mit nur grosser Mühe gelang es uns endlich, uns fest an die Leiter klammernd, kletternd zu landen.
Die Reise von der „Malaéa“ – Bai bis Hilo kostete 8 Dollar, – für eine Strecke von 149 Seemeilen über Kaiwaihae; die direkte Strecke, ohne Kaiwaihae zu berühren, ist nur 120 Seemeilen weit.
VI. Abtheilung
Die Insel Hawaii
Da ich im Hôtel kein Zimmer fand, so brachte ich mich und meine sieben Sachen bei dem Bäckermeister Herrn Wilhelm in einem kleinen und saubern Zimmer unter.
Das Haus des Bäckermeisters liegt unmittelbar am Hafen in der Nähe der Werft. Er und seine Familie, als auch das Wesen seiner Haushaltung ist echt deutsch.
Das kleine Hilo, die Hauptstadt der Insel Hawaii, der Sitz des Gouverneurs und seiner Regierungsorgane, ist ein liebliches, ziemlich umfangreiches Dorf, dessen kleine, saubere, meist weit auseinander gelegene, mit wenigen Ausnahmen von Gärten umgebene Häuser einen freundlichen, geselligen und ländlichen Anblick bieten.
Unter