jedoch fällt die auffallend strotzende Ueppigkeit der Vegetation auf, die das hügelige, fast bergige Terrain der Stadt und die einem Hufeisen ähnlich geformte Bai umgiebt.
Ein recht schöner, ernster Bau ist der der römisch-katholischen Kathedrale, die während dem gewaltigen Ausbruch des Mauna-Lóa 1869 stark mitgenommen wurde und an der noch Spuren der Verwüstung deutlich zu bemerken sind. Dieselbe ist überraschend gut restaurirt, was besonders auffallend ist, da sie, wie man mir sagt, nahe dem Zusammensturze gewesen war und nur durch die zahlreiche sehr wohlhabende Gemeinde durch eine sofortige und gründliche Reparatur erhalten worden ist.
Wie ich mich überzeugt habe, war zur Zeit meines Dortseins die Zahl der römisch-katholischen Gemeinden im Inselreiche gleich der der Protestantischen.
Den darauf folgenden Tag wanderte ich zur 3 Meilen entfernten „Regenbogen-Cascade“. Der Weg führt über und durch wild durcheinander geworfenes Lavageröll, über tiefe Spalten oder glatte und feste Lavastrecken. Die Stelle der Cascade selbst ist ein längst erloschener Krater. Die eine Seite desselben bildet ein 600 Fuss tiefes Becken; von der andern Seite stürzt fast senkrecht ein Bach, ohne jeglichen Widerstand zu finden, daher glatt und ununterbrochen gleich einem Silberbande vibrirend und glänzend in eine von langjährigem Sturze gebildete Vertiefung oder möglicher Weise in eine durch den Sturz durchbrochene Grotte, die laut Sage zur Heidenzeit von einem Unhold bewohnt war, welcher jegliches lebende Wesen, welches sich der Grotte näherte, vernichtete.
Durch diese Grotte ergiesst sich unsichtbar das Wasser in das früher erwähnte Bassin, aus welchem es durch die zahlreichen vulkanischen, unterirdischen Gänge allmählich seinen Ausfluss findet.
Wenn nun die Sonnenstrahlen gegen die glitzernde Fläche des spiegelglatt niederstürzenden Wasserfalles sich brechen, entfaltet sich ein wundersames Regenbogenspiel, welches der sogenannten Cascade den wohlverdienten Namen gegeben hat.
Es ist in allen Beziehungen eine lohnende Mühe, den Ausflug zu machen und zwar unbedingt besser zu Fuss als zu Pferde, da die Spalten und der höchst unebene Weg, den man, so gut es geht, erst suchen muss, dem Reiter viel ermüdender und beschwerlicher als dem Fussgänger wird.
Höchst lieblich ist bei der Rückkehr der Blick auf die Stadt, auf die Bai und die sie üppig umgebende Vegetation. Namentlich erhöht den Reiz desselben der ausserordentliche Contrast zu dem starren Gewühl der ausgedehnten wüsten Lavastrecken.
Den folgenden Tag, den 2. August, wanderte ich durch die saubere Stadt, deren meist einstöckige, hölzerne, mit Brettern verkleidete Häuser, die meist seit 1869 nach dem verwüstenden Ausbruche des Mauna-Lóa neu erbaut oder renovirt und im zierlichsten Anstrich meist von pflanzenreichen Gärten umgeben sind, zerstreut liegend den Ort bilden. Ausserhalb desselben in regelrechte, parallellaufende Strassen eingetheilt, schmücken Villen mit zierlichen Gartenanlagen die Umgebung.
Wandernd erreichte ich die bemerkenswerthe Hochschule des Mr. Lymon, die 1836 gestiftet und zu ihrer Unterhaltung eine biennale Subvention von 900 Doll. vom Staate erhält.
Das praktisch eingerichtete Gebäude liegt ausserhalb der Stadt in einer luftigen, schattigen, gesunden Umgebung. Ich wohnte dem Unterrichte bei und muss gestehen, dass die Fähigkeiten, die Intelligenz der Jugend, und namentlich das sittsame, bescheidene, nette Benehmen derselben mein Erstaunen erregten und mir eine angenehme Rückerinnerung hinterliessen.
Besonders auffällig war mir das Betragen der Zöglinge im Vergleiche mit dem unserer Schuljugend der gegenwärtigen Zeit, wo das Selbstbewusstsein der Jugend zu einer undisziplinirten Unbändigkeit ausartet und ein Uebel ist, welches von Jahr zu Jahr progressiv zunimmt, da wir in einer Zeit leben, wo das allgemeine Streben nach Schrankenlosigkeit als herrschendes Element zu dem Resultate zu führen scheint, dass jede Achtung für Alter, Gesetz und Ordnung allmählig schwinden muss, wenn nicht ein Riegel der Ausartung dieses Uebels vorgeschoben wird.
Von Herzen wünsche ich, dass der hier herrschende gesunde Geist der Jugend einen steten Einfluss auf die kommende Generation ausübe, um die Bewahrung desselben der Zukunft des Landes zu sichern.
Das System des quasi freien Unterrichtes im Inselreiche ist ein reines Zwangssystem. Die Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern das Lesen, Schreiben und Rechnen lehren zu lassen, dieselben zu ernähren, zu kleiden und zu erhalten. Jeder Distrikt hat mindestens eine gemeinschaftliche Schule für Knaben und Mädchen. Der Unterhalt derselben wird zur Hälfte von der Bevölkerung und dem Staate getragen. Die erforderlichen Lehrer und Lehrerinnen derselben werden von der lokalen Schulkommission erwählt. Diese Kommission besteht aus dem lokalen Friedensrichter, einem vom hohen Rathe in Honolulu ernannten, und einem zweiten von den Eltern der Schulkinder gewählten Inwohner des betreffenden Distriktes und wird präsidirt vom Oberintendanten der öffentlichen Aufklärung oder seines Stellvertreters.
Die Pflichten dieser Commission bestehen in der Ueberwachung und Leitung der Schulen, der Zöglinge und der schulpflichtigen Kinder des Distriktes. Alle Bestimmungen der Commission müssen dem hohen Rathe in Honolulu zur Bestätigung vorgelegt werden.
Die Trennung der Kirche von der Schule ist obligatorisch. Der Unterricht in der Religion ist vollständig den Eltern überlassen und zum Unterrichten in derselben wird den betreffenden Seelsorgern das Lokal der Schule von 3–4 Uhr täglich zur Disposition gestellt. Die allgemeine Schulzeit ist von 9 Uhr morgens bis 2 Uhr festgestellt. Die meisten Geistlichen ziehen es vor, in ihrer Kirche oder in einem derselben angrenzenden Bethause den religiösen Unterricht zu ertheilen.
Der Staat – ohne prononcirte Staatsreligion – trägt keine Last für irgend welche Confession. Die Kirchen und zahlreichen Kirchenschulen werden daher von der betreffenden konfessionellen Gemeinde oder von der Kirche selbst unterhalten.
Die Distriktsschulen sind primäre, aus denen die Zöglinge zu ihrer weitern Ausbildung in die sekundären und alsdann in die Normalschulen (Hochschulen) treten können. Hochschulen gibt es 3: eine in Honolulu, eine in Lahaïna und eine in Hilo.
Der Eintritt in Privat- und Kirchenschulen statt in die Distriktsschulen ist gestattet, so lange erstere das Lesen, Schreiben und Rechnen lehren.
Die Folgen eines normalen, nicht übertriebenen Systemes sind hier auffallend günstige gewesen, da man gegenwärtig factisch unter der ganzen Bevölkerung – mit Ausnahme der übrigens selten hier zu findenden Idioten – keinen Mann oder Frau trifft, die nicht lesen, schreiben und rechnen können. Besonders auffallend ist dieses Resultat, wenn man bedenkt, dass erst von 1820, den 4. April, dem Tage der Landung der ersten Missionäre im Inselreiche, der Beginn einer öffentlichen Aufklärung im Lande zu rechnen ist und dass ältere Leute sich im Alter sichtlich einer Aufklärung unterworfen haben müssen, um das erwähnte Resultat zu erreichen.
Hochgelehrte findet man natürlich unter denen, die die hiesigen Hochschulen verlassen, keine, aber um desto mehr Wohlunterrichtete mit normalem, gesunden Verstande, was die kernig gesunde Entwicklung des Landes beweist.
Auf meinem Rückwege accordirte ich den Preis für ein gutes Pferd, und als Führer hatte ich den „Joe Puni“ für einen Ritt zum Vulkan Kilanéa und von dort zum Mr. Waelsch, circa 46 engl. Meilen, für 35 Dollar mit der Absicht, den folgenden Tag in der Früh aufzubrechen und in der Hoffnung, dass die gestrigen Strichregen und die fast wolkenbruchartigen der letzten Nacht den Weg nicht zu schlecht gemacht haben werden.
Bei höchst wild brausender, die Werfte überwogender See langte ich zu meiner, diesem Prachtschauspiele nahe liegenden Behausung. Die Luft war trotz der heissen Sonne des Tages eine erquickende. Es weht nämlich hier stets eine erfrischende Brise, weshalb die Nächte immer kühl, einen erquickenden Schlaf gönnen und hier alle lebenden Wesen frisch, wohl und munter aussehen. Kurz gesagt, Hilo ist in allen Beziehungen ein anziehender Ort, in welchem ein jeder Naturfreund, der keine Ansprüche auf Luxus macht, sich ein gesundes und verjüngendes Leben verschaffen kann.
Wasserreichthum umgibt den Ort; wohin man blickt rieseln Rinnen, oder es fliessen die Gewässer kleiner Gräben und Bäche, umgeben von strotzender, fruchtbarer Vegetation.
Die Feuchtigkeit der Gegend mit Ausnahme der der Lavastrecken, ist eine so bedeutende, dass sogar die recht hoch gelegenen Zuckerrohrplantagen um Hilo meist ohne Bewässerungen üppig gedeihen. Sogar die Sumpfpflanze, der „Tárro“, erfordert