Gerstäcker Friedrich

Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band


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mit herübergekommen die Pferde abzuholen; selbst die Kühe können Sie noch ein, zwei Monat ruhig hier behalten. Alles andere findet sich dann später.«

      »Was um Gottes Willen bedeutet das?« rief die Frau jetzt, der die Schwester ein Tuch um die Schläfe gebunden hatte, das vorquellende Blut zu stillen.

      »Er hat Alles verspielt was er sein nennt auf der Welt,« rief Amalie, in der Angst um die Schwester alles Andere, jede Gefahr der sie sich selber dabei aussetzte, vergessend, »ein Bettler, will er Dich fortschleppen weiter in den Wald.«

      »Thut mir unendlich leid zu hören,« sagte in diesem Augenblick die ruhige ernste Stimme Jack Owens, der, auf seine Büchse gestützt, in der Thüre stand, ohne jedoch die Schwelle zu betreten, »guten Abend mitsammen – wie geht's Olnitzki, wieder von Little Rock zurück?«

      »Kommt herein!« rief Olnitzki, eben nicht besonders guter Laune, aber vielleicht froh in diesem Augenblick das Gespräch abgebrochen zu sehn. – Was geschehen war ließ sich doch nicht gut lange verheimlichen, und in den nächsten Tagen mußten es die Nachbarn überdieß erfahren, Zum Henker mit ihnen, sie waren ihm so nie grün gewesen, wenigstens nicht seit der Geschichte mit Jim Riley, und er hatte sich lange mit der Idee herumgetragen, wenn auch nicht Arkansas, doch diese Gegend jedenfalls zu verlassen – wer konnte ihn daran hindern?

      »Guten Tag mitsammen« sagte Jack Owen, der seine Büchse draußen am Eingang hingestellt, indem er auf die direckte Einladung hin in die Thüre trat und den Platz flüchtig, aber mit forschendem Blick überflog – »hallo Missis Olnitzki, Sie sehn heute kränker aus als gestern, und Blut an der Stirn? ei ei, was haben Sie gemacht?«

      »Setzt Euch Jack« rief Olnitzki dazwischen – »zum Teufel noch einmal, zwei Weiber im Haus statt einer, und ob wir hier etwas zu essen bekommen können? Bei Gott, Soldegg, wir werden es uns noch selber besorgen müssen.«

      »Ah Mr. Soldegg – auch einmal wieder in unserer Range?« sagte der Jäger den Fremden mit einem aufmerksamen Blick von unten bis oben musternd – »es ging einmal ein dumpfes Gerücht hier, Sie wären über dem Wasser drüben – aber was haben nur die Frauen, Olnitzki – ist etwas geschehn?«

      Amalie, die bei Jack Owens Eintritt Sidonie umfaßt und zum Bett geführt hatte, lehnte ihren Kopf an ihre Schulter und flüsterte ihr rasch und leise, tröstende Worte ins Ohr, die aber die Thränen der armen Frau nur stärker fließen machten.

      »Nichts – Unsinn,« brummte Olnitzki finster – »die Weiber können bei jedem Quark das Flennen, ihren alten Erbfehler nicht lassen. Jetzt aber hab' ichs satt, fort von meinem Weib!« rief er plötzlich, um den Tisch herum und auf Amalie zugehend – »ich will das Aufhetzen in meinem eigenen Haus nicht länger dulden, fort von ihr sag ich, oder ich brauche mein Hausrecht. Tod und Teufel, ist mir nicht seit ich fort bin, ein ordentliches Weiberregiment hier aufgewachsen.«

      »Zurück von mir,« rief aber Amalie von Seebald und entriß ihm mit zornfunkelnden Augen den Arm, den er gefaßt hatte, sie von der Gattin Bett zu führen, »und hiemit erkläre ich es feierlich, in dieses wackeren Mannes Gegenwart – daß Sie, Graf Olnitzki, die Schwester, die Ihnen in jugendlicher Verblendung, fast ein Kind noch, folgte, elend gemacht haben – bodenlos elend, und daß Sie nicht weiter Gewalt haben dürfen über sie; ihre ältere Schwester bin ich – bin hier an Vaters und Mutters Statt für die Arme, und fordere sie zurück von Ihnen, so lange noch Leben in dem armen, mishandelten Körper ist.«

      »Hoho?« rief aber Olnitzki sich jetzt plötzlich, wie der sprungfertige Panther, emporrichtend – »kommt daher der Wind? – abgemachte Sache zwischen Euch, mir das eigene Weib abspenstig zu machen in dem eigenen Haus. Hahahaha Fräulein Schwägerin, Sie haben die Krallen zu früh gezeigt; das hat Ihr Spiel verdorben. Und nun« – schrie er, während Haß und Wuth, von dem vielen genossenen Whiskey zu einer Art Wahnsinn angestachelt, mehr und mehr die Überhand gewann, und die Frau, sich auf ihrem Lager selbst emporrichtend mit gefalteten Händen ihn bittend anschaute – »hat das ein Ende was mich hier geärgert und gequält, und in die Stadt getrieben, dort in Wein und Brandy meinen Grimm zu ersäufen, und mit Kartenspiel die Zeit zu tödten. – Hinaus aus meinem Haus, Schlange Sie, die ich hier freundlich aufgenommen, und die mir die Frau gegen mich gehetzt von dem Moment an wo sie meine Schwelle betreten. Da ist der Bettel den Sie mitgebracht – da – da und da!« lachte er mit einem fast thierischen Aufschrei, indem er das Service, und was sonst von den Geschenken auf einem neben ihm an der Wand befestigten Brete stand, herunterriß, und der entsetzt zurück Springenden in Trümmern vor die Füße schleuderte.

      »Aber Olnitzki« rief selbst Soldegg erschreckt und mahnend – »was machen Sie – besinnen Sie sich doch!«

      »Besinnen? – zum Teufel auch, meine Geduld ist fort,« schrie der Rasende – »da – und da und da, sind Eure Lumpen, ich will von Euch nichts mehr von drüben her – ich brauch' Euch nicht und Gnad' Euch Gott, wenn ich je wieder Eine von Euch treffe, wer es sei, der auch nur frägt wie es uns geht hier, was wir treiben, was thun. Und hier – nun was soll das Mr. Owen, glauben Sie, daß ich etwa gerade in einer Stimmung bin auf einen Nachbar besondere Rücksicht zu nehmen?«

      »Ich erkenne die Stimmung recht gut in der Ihr seid, Olnitzki,« sagte Jack Owen, der indeß des wirklich gefährdeten Mädchens Hand ergriffen und sie hinter sich geschoben hatte, sie mit dem eigenen Körper zu decken – »Ihr habt zu viel getrunken und wißt eben nicht was Ihr thut; ob Ihr Rücksicht auf Euere Nachbarn dabei nehmt, kann mir ziemlich gleich sein; wie weit Ihr da gehn dürft werdet Ihr selber am Besten wissen. Die junge Fremde aber, die Ihr so roh behandelt und förmlich aus der Thür geworfen habt, nehm ich mit mir, in mein eigen Haus und zu meinem Weib, und die arme kranke mishandelte Frau da auf dem Bett, ist uns ebenfalls herzlich willkommen, wenn sie uns begleiten will.«

      »Teufel!« schrie Olnitzki bei den Worten in wild auflodernder Wuth nach der in der Ecke stehenden Büchse springend und sie in Anschlag reißend – »wollt Ihr mein Weib verlocken unter dem eigenen Dach? – noch ein Wort hier, und beim ewigen Gott Ihr seid eine Leiche.«

      »Schwört nicht bei etwas, Olnitzki, von dem Ihr doch nichts wißt,« sagte Jack vollkommen ruhig, »daß Ihr mich nicht einschüchtern könnt, solltet Ihr lange wissen – übrigens sprechen wir über die Sache noch, und jetzt good bye – wenn wir uns wieder sehen, werdet Ihr hoffentlich ruhiger und vernünftiger sein.«

      »Ich kann die Schwester nicht – nicht so verlassen,« klagte Amalie.

      »Der Mensch kann Alles was er muß,« sagte aber Jack ruhig, und ohne weiteres ihren Arm ergreifend, an dem er sie mit sich hinaus in's Freie führte und dort seine Büchse aufgreifend, schulterte er diese und schritt, den Arm des Mädchens aber immer noch nicht loslassend, mit ihr den schmalen Reitweg entlang in den Wald.

      Als die Beiden das Haus verließen lag Sidonie bewußtlos, in Ohnmacht hingesunken, auf ihrem Bett, Soldegg lehnte mit verschränkten Armen, und eben nicht erfreut Zeuge und gleichsam Mithandelnder des ganzen Auftritts zu sein, am Kamin, und Olnitzki, auf dem sein halb zürnender, halb verächtlicher Blick kalt und höhnisch haftete, stand noch inmitten des kleinen mit den zertrümmerten Fragmenten vergoldeten Porcellains und gestickter Sachen überstreuten Raums, die Büchse mit eisernen Fingern fest gepackt, und wie unschlüssig, ob er die Waffe gebrauchen solle oder nicht.

      Am nächsten Morgen um elf Uhr etwa, verließ ein kleiner, mit einem Pferd bespannter Karren »Olnitzkis Farm«. Der Pole steckte den Pflock von Außen vor die Thür und schlug ihn mit der Axt, die er dann wieder in den Karren legte fest, schulterte seine Büchse und stand dann, des Begleiters harrend, der vier wackere Pferde die Olnitzki selbst gezogen, immer zwei und zwei zusammenkoppelte, und dann den eigenen Rappen bestieg. Das Pferd, das Olnitzki gestern geritten, war heute mit den Thieren zusammengekoppelt, die Soldegg an der Leine führte; ein junges braunes Pferd hatte er in den kleinen Wagen gespannt, auf dem, unter dem darüber gespannten aber vorn etwas zurückgeschlagenen Leinen ein weicher Sitz von den Betten für die Frau hergerichtet worden.

      »Hast Du Alles Sidonie?« sagte Olnitzki, der heute bleich und angegriffen aussah, aber die Worte wenigstens nicht unfreundlich an die Frau richtete, »und kann ich fortfahren?«

      »Olnitzki, ich beschwöre Dich bei Allem was Dir heilig ist, laß mich nicht ohne Abschied von