Stendhal

Die Äbtissin von Castro


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den Hals eindringen, so daß diese arme, von so vielen frischen Sünden belastete Seele vom Teufel geholt wurde; der Körper sträubte sich, allein vergeblich.

      Als die Sache abgetan war, gab das junge Mädchen Olimpio eine dicke goldgefüllte Börse, Marzio gab sie einen Tuchmantel ihres Vaters, der mit goldener Tresse besetzt war und schickte die beiden fort.

      Als die Frauen allein geblieben waren, begannen sie den großen in den Kopf gedrungenen Nagel, sowie den im Halse zu entfernen; dann schleiften sie den Körper, nachdem sie ihn in ein Leintuch eingewickelt hatten, durch eine lange Reihe von Zimmern bis zu einer Galerie, die auf einen verödeten Garten führte. Von dort warfen sie den Körper auf einen großen Holunderbaum, der an diesem einsamen Ort wuchs, hinab. Da am Ende dieser kleinen Galerie die Abtritte lagen, hofften sie, wenn man am nächsten Morgen den Körper des Alten in den Ästen des Holunders finden würde, auf die Vermutung, er sei am Wege zum Abtritt ausgeglitten und hinuntergestürzt.

      Es geschah genau so, wie sie es vorausgesehen hatten. Am Morgen, als man den Leichnam fand, erhob sich großer Lärm in dem Kastell; die Frauen selber verabsäumten nicht, laut zu schluchzen und über den unglücklichen Tod des Vaters und Gatten zu klagen. Allein, wenn die junge Beatrice auch den Mut der beleidigten Tugend besaß, die nötige Klugheit für das Leben hatte sie noch nicht: schon am frühen Morgen hatte sie der Frau, die in der Festung die Wäsche besorgte, ein blutbeflecktes Leintuch gegeben, wobei sie ihr sagte, sie möge sich nicht über eine solche Menge Blut wundern, denn sie habe während der ganzen Nacht an großem Blutverlust gelitten, und so ging für den Augenblick alles gut.

      Man gab Francesco Cenci ein ehrenvolles Begräbnis, und die Frauen kehrten nach Rom zurück, um die langersehnte Ruhe zu genießen. Sie glaubten an die Dauer ihres Glückes, weil sie nicht wußten, was in Neapel vor sich ging.

      Die Gerechtigkeit Gottes, der nicht wollte, daß ein so fürchterlicher Vatermord unbestraft bleibe, veranlaßte, daß der oberste Richter, als man in dieser Hauptstadt erfuhr, was im Kastell Petrella vor sich gegangen war, sofort Mißtrauen empfand und einen königlichen Kommissär sandte, um den Leichnam zu untersuchen und alle verdächtigen Personen festzunehmen.

      Der königliche Kommissär ließ alle, die in der Festung wohnten, verhaften. Alle diese wurden in Ketten nach Neapel geführt, aber nichts erschien in ihren Aussagen verdächtig, außer, daß die Wäscherin aussagte, sie hätte von Beatrice ein blutiges Tuch oder deren mehrere erhalten. Man fragte sie, ob Beatrice eine Erklärung für die großen Blutflecken gegeben habe; sie antwortete, daß Beatrice von einem natürlichen Unwohlsein gesprochen habe. Man fragte sie dann, ob so große Flecken von einem solchen Unwohlsein herrühren konnten; sie meinte, nein, weil die Flecken auf dem Tuch von einem zu lebhaften Rot waren.

      Man schickte diese Aussage sofort an die Justizbehörde in Rom, aber trotzdem vergingen mehrere Monate, bevor man bei uns daran dachte, die Kinder des Francesco Cenci verhaften zu lassen. Lucrezia, Beatrice und Giacomo hätten sich tausendmal in Sicherheit bringen können, sei es, daß sie unter dem Vorwand einer Pilgerfahrt nach Florenz gingen, sei es, daß sie sich nach Civita Vecchia einschifften; aber Gott versagte ihnen diese rettende Eingebung.

      Monsignor Guerra hatte von den Vorgängen in Neapel Mitteilung erhalten und rüstete sofort Leute aus, die er beauftragte, Marzio und Olimpio zu töten; aber nur Olimpio konnte in Terni ermordet werden. Die neapolitanische Justiz hatte Marzio verhaften lassen, der nach Neapel geführt wurde, wo er sofort alles gestand.

      Diese schreckliche Aussage wurde gleich der Justiz in Rom geschickt, welche nun beschloß, Giacomo und Bernardo, die beiden einzigen überlebenden Söhne Francescos, wie auch seine Witwe Lucrezia verhaften und in das Gefängnis von Corte Savella bringen zu lassen. Beatrice wurde im Palast ihres Vaters von einem großen Trupp Sbirren bewacht. Marzio wurde aus Neapel herbeigeschafft und auch in das Gefängnis Savella gebracht; dort stellte man ihn den beiden Frauen gegenüber, die mit Standhaftigkeit leugneten; besonders Beatrice wollte durchaus nicht den Mantel mit den Tressen wiedererkennen, den sie Marzio gegeben hatte. Dieser Brigant war plötzlich voller Enthusiasmus für die bewundernswürdige Schönheit und die erstaunliche Beredsamkeit, mit der das junge Mädchen dem Richter antwortete, und leugnete alles, was er in Neapel gestanden hatte. Man folterte ihn, aber er gestand nichts und zog vor, in Qualen zu sterben: eine gerechte Huldigung der Schönheit Beatrices.

      Nach dem Tode dieses Mannes und da die Rolle des Mantels nicht erwiesen war, fanden die Richter keine hinreichenden Gründe, um die beiden Söhne Cenci oder die beiden Frauen auf die Folter zu legen. Man führte sie alle vier auf das Kastell St. Angelo, wo sie mehrere Monate ganz ruhig verlebten.

      Alles schien beendet und niemand in Rom zweifelte daran, daß dieses schöne, mutige Mädchen, das so lebhafte Teilnahme erregt hatte, bald in Freiheit gesetzt würde, als unglücklicherweise die Justiz den Briganten festnehmen konnte, der Olimpio in Terni getötet hatte; nach Rom überführt, gestand dieser Mann alles.

      Monsignor Guerra, der durch das Geständnis des Briganten so seltsam kompromittiert war, wurde geladen, ohne Verzug vor Gericht zu erscheinen; das Gefängnis und vielleicht der Tod waren ihm sicher. Aber dieser bewundernswerte Mann, dem vom Geschick verliehen war, alles gut zu machen, gelang es, sich in einer Weise zu retten, die ans Wunder grenzt. Er galt für den schönsten Mann am päpstlichen Hof und war in Rom zu bekannt, als daß er hoffen konnte, sich zu retten; übrigens hielt man gute Wacht an den Toren und wahrscheinlich stand auch vom Augenblick der Vorladung an sein Haus unter Aufsicht. Man muß wissen, daß er sehr groß war, von weißester Hautfarbe, einen schönen blonden Bart hatte und wundervolles Haar von der gleichen Farbe.

      Mit unerklärlicher Geschwindigkeit wußte er einen Kohlenhändler zu gewinnen, nahm seine Kleider, ließ sich Haar und Bart rasieren, färbte sich das Gesicht, kaufte zwei Esel und zog hinkend durch die Straßen Roms, um seine Kohlen zu verkaufen. Er nahm in bewunderungswürdiger Weise ein ungeschliffenes und stumpfsinniges Benehmen an und lief überall, den Mund voll Brot und Zwiebeln, herum, seine Kohlen ausschreiend, während hunderte von Sbirren ihn nicht nur in Rom, sondern auch auf den Landstraßen suchten. Endlich, als seine Erscheinung der Mehrzahl der Sbirren wohl bekannt war, wagte er sich aus Rom hinaus, seine zwei mit Kohlen beladenen Esel immer vor sich hertreibend. Er begegnete mehreren Abteilungen Sbirren, welche nicht daran dachten, ihn anzuhalten. Seither hat man nur noch einen Brief von ihm erhalten; seine Mutter hat ihm Geld nach Marseille geschickt, und man vermutet, daß er als Soldat in Frankreich den Krieg mitmacht.

      Das Geständnis des Mörders von Terni und diese Flucht des Monsignor Guerra, die in Rom erstaunliches Aufsehen machte, mehrten den Verdacht und die Indizien gegen die Cenci in solcher Weise, daß sie aus dem Kastell St. Angelo fortgeschafft und wieder ins Gefängnis Savella gebracht wurden.

      Als die beiden Brüder auf die Folter gespannt wurden, waren sie weit davon entfernt, der Seelengröße des Briganten nachzueifern; sie waren so kleinmütig, daß sie alles gestanden. Signora Lucrezia Petroni war so an die Weichheit und an die Annehmlichkeiten des großen Luxus gewöhnt und außerdem war sie so dick, daß sie die Tortur des Seils nicht ausgehalten hätte; sie sagte alles aus, was sie wußte. Aber nicht war es so mit der jungen, lebhaften und mutigen Beatrice Cenci. Weder gute Worte noch Drohungen des Richters Moscati erreichten etwas bei ihr. Sie ertrug die Torturen des Seils ohne ein Zeichen der Aufregung und mit vollendetem Mut. Niemals konnte sie der Richter zu einer Antwort bringen, die sie auch nur im mindesten kompromittierte, und weit mehr noch: es gelang ihr durch ihre geistvolle Lebendigkeit, den berühmten Richter Ulysse Moscati gänzlich in Verwirrung zu bringen. Er war dermaßen erstaunt über die Art dieses jungen Mädchens, daß er es für Pflicht hielt, Seiner Heiligkeit dem glücklich regierenden Papst Clemens VIII. davon Bericht zu erstatten.

      Seine Heiligkeit wollte die Akten des Prozesses selbst einsehen. Er befürchtete, daß der durch seine profunde Wissenschaft wie durch den überragenden Scharfsinn seines Geistes so berühmte junge Ulysse Moscati von der Schönheit Beatrices getroffen worden sei und sie bei den Vernehmungen schone. Daraus folgte, daß Seine Heiligkeit ihn von der Leitung dieses Prozesses enthob und diesen einem anderen strengeren Richter gab. Wirklich hatte dieser Barbar den Mut, ohne Mitleid einen so schönen Körper ad torturam capillorum zu martern, d. h. man folterte Beatrice Cenci, indem man sie an den Haaren aufhing.

      Während sie am Seil hochgezogen war, ließ dieser neue Richter ihre