Stendhal

Die Äbtissin von Castro


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reichsten Frauen-Klosters seines Staates, das allen vornehmen Töchtern, die von ihren Eltern dem Glanz der Familie geopfert wurden, als Zuflucht diente, unbesetzt war; er zögerte nicht, der Frau, die er liebte, die Äbtissinwürde zu verleihen.

      Das Kloster von Santa Riparata gehörte zum Orden des heiligen Benedikt, dessen Regeln den Nonnen nicht gestatten, die Klausur zu verlassen. Zum großen Erstaunen des guten Volks von Florenz sah der Fürst-Kardinal die neue Äbtissin nicht mehr, aber in seiner Herzenszartheit, die von allen Frauen seines Hofs bemerkt und, wie man wohl sagen kann, allgemein getadelt wurde, gestattete er sich überhaupt niemals, eine Frau unter vier Augen zu sehn. Als diese Lebensführung offenbar war, verfolgte die Dienstbeflissenheit der Höflinge die Schwester Virgilia bis in ihr Kloster, und sie glaubten zu bemerken, daß sie trotz ihrer ungewöhnlichen Bescheidenheit gar nicht unempfindlich gegen diese Aufmerksamkeit war, der einzigen, die seine außerordentliche Tugend dem neuen Herrscher gestattete.

      Das Konvent von Santa Riparata mußte oft Angelegenheiten behandeln, die sehr zarter Natur waren: diese jungen Mädchen aus den reichsten Familien von Florenz ließen sich nicht aus der so glänzenden Welt verbannen, aus dieser so reichen Stadt, die damals der Hauptsitz des europäischen Handels war, ohne einen Teil ihres Herzens bei dem zurückzulassen, was man sie zu verlassen zwang; oft erhoben sie laut Einspruch gegen die Ungerechtigkeit ihrer Eltern; manchmal suchten sie Tröstungen in der Liebe, und der Haß wie die Rivalität, die im Kloster herrschten, setzten die vornehme Gesellschaft von Florenz in Aufregung. Dieser Stand der Dinge war der Grund, daß die Äbtissin von Santa Riparata häufig genug Audienzen beim regierenden Großherzog erhielt. Um die Vorschriften des Heiligen Benedikt so wenig wie möglich zu übertreten, schickte der Großherzog der Äbtissin einen seiner Gala-Wagen, in dem zwei ihrer Hofdamen Platz nahmen, welche die Äbtissin bis in den Audienzsaal des weitläufigen großherzoglichen Schlosses in der Via larga, begleiteten. Diese beiden Damen, die Beweise der Klausur, wie man sie nannte, nahmen auf Lehnsesseln dicht an der Türe Platz, während die Äbtissin allein vorschritt, um mit dem Fürsten zu sprechen, der sie am äußersten Ende des Saales erwartete, so daß die ‚Beweise der Klausur‘ nichts von dem, was während dieser Audienz gesagt wurde, hören konnten.

      Wieder andre Male begab sich der Fürst in die Kirche von Santa Riparata, wo man ihm das Chorgitter öffnete, damit die Äbtissin Seine Hoheit sprechen könne.

      Diese beiden Arten der Audienz paßten dem Großherzog keineswegs; sie hätten vielleicht einem Gefühl neue Kraft verleihen können, welches er vermindern wollte. Indessen ließ eine der Klosterangelegenheiten delikatester Natur nicht lange auf sich warten: Die Liebesverhältnisse der Schwester Felizia degli Almieri störten den Frieden. Die Familie degli Almieri war eine der reichsten und mächtigsten in Florenz. Da zwei von den drei Brüdern, für deren Eitelkeit man die junge Felizia geopfert hatte, schon gestorben waren und der dritte keine Kinder hatte, bildete sich diese Familie ein, einer Strafe des Himmels ausgesetzt zu sein. Die Mutter und der überlebende Bruder gaben Felizia, trotz ihres Gelübdes der Armut, die Güter, deren man sie beraubt hatte, um der Eitelkeit der Brüder zu frönen, in Form von Geschenken zurück.

      Das Kloster von Santa Riparata zählte damals dreiundvierzig Nonnen und jede von ihnen hatte ihre Kammerfrau. Das waren junge, dem armen Adel entnommene Mädchen, die an einer zweiten Tafel speisten und jeden Monat vom Schatzmeister des Klosters einen Scudo für ihre Auslagen erhielten. Aber nach einem sonderbaren und für den Frieden des Klosters nicht sehr günstigen Brauch, konnte man nur bis zum Alter von dreißig Jahren Kammerfrau bleiben; an diesem Lebensabschnitt angelangt, verheirateten sich diese Mädchen oder wurden in Klöster niederen Ranges untergebracht.

      Die sehr vornehmen Damen von Santa Riparata durften bis zu fünf Kammerfrauen haben und die Schwester Felizia degli Almieri verlangte deren acht. Alle jene Damen des Klosters, welche man für galant hielt, und das waren fünfzehn oder sechzehn, unterstützten die Forderungen Felizias, während die sechsundzwanzig andren sich höchst entrüstet darüber zeigten und davon sprachen, einen Appell an den Fürsten zu richten.

      Die neue Äbtissin, die gute Schwester Virgilia, hatte lange nicht genug Geist, um diese ernste Angelegenheit zu entscheiden; es schien, daß beide Parteien von ihr verlangten, die Sache zur Entscheidung dem Fürsten zu unterbreiten.

      Schon begannen bei Hof alle Freunde der Familie degli Almieri zu sagen, wie befremdlich es sei, daß man ein Mädchen von so hoher Geburt, noch dazu es ehemals so barbarisch von seiner Familie geopfert, nun wieder verhindern wolle, von seinem Reichtum Gebrauch zu machen wie es wünsche, besonders wo dieser Gebrauch so unschuldig wäre. Von der anderen Seite verfehlten die Familien der älteren oder weniger begüterten Nonnen nicht, zu antworten, es sei zum mindesten sonderbar, daß eine Nonne, die das Gelübde der Armut abgelegt habe, sich nicht mit fünf Kammerfrauen zufrieden geben könne.

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