sei; er machte seine Brust frei und zeigte mir auf ihr Flecken, wie bei einem gescheckten Pferde, die sich von der Brust bis hinauf zum Halse zogen.
Ich sündiger Mensch hatte schon im Sinne, ihm zu sagen, daß »Gott den Schelm zeichne«, aber ich unterdrückte diese Worte und sagte:
»Nun, was hat das zu bedeuten? Bete nur und sei froh, daß du auf dieser Welt gezeichnet bist, vielleicht wirst du dann in der kommenden rein dastehen.«
Aber er klagte mir, wie unglücklich er darüber sei und was er einbüße, wenn die Flecken auch das Gesicht ergreifen würden. Der Gouverneur selbst habe, als er ihn, Pimen, bei seinem Übertritt in die Kirche sah, große Freude an seiner Schönheit gehabt und dem Stadthauptmann gesagt, er solle Pimen beim Empfang vornehmer Personen unbedingt ganz vorne mit der silbernen Schüssel in den Händen aufstellen. Aber einen fleckigen Menschen könne man doch nicht aufstellen! Was brauchte ich aber seine eitlen und hohlen Worte weiter anzuhören? – Ich drehte mich um und ging.
Seit der Zeit waren wir von ihm geschieden. Seine Flecken wurden immer sichtbarer, aber auch bei uns hörten die Zeichen nicht auf. Schließlich setzte im Herbst, als der Fluß kaum zugefroren war, plötzlich Tauwetter ein, das das ganze Eis auseinanderriß und unsere Behausungen zerstörte. Und jetzt folgte Schaden auf Schaden, bis einmal sogar einer der Granitpfeiler unterspült wurde und der Strudel das Werk vieler Jahre, das viele Tausende gekostet hatte, verschlang.
Dies machte sogar unsere Brotgeber, die Engländer, bestürzt, und irgendjemand riet ihrem Ältesten, Jakow Jakowlewitsch, uns Altgläubige wegzuschicken, um von all dem Übel wieder erlöst zu werden. Der Engländer aber war ein Mensch mit rechtschaffnem Herzen und hörte nicht darauf; er ließ sogar mich und Luka Kirillow zu sich rufen und sagte:
»Kinder, gebt mir selbst einen Rat: kann ich euch nicht irgendwie helfen und euch trösten?«
Wir antworteten ihm, daß es für uns keinen Trost gäbe, solange das uns heilige Antlitz des Engels, das uns überall begleitet hatte, mit Feuerharz versiegelt sei, und daß wir vor Leid vergingen.
»Was gedenkt ihr zu tun?« fragte er.
»Wir wollen ihn einmal vertauschen und sein reines Antlitz, das die gottlose Hand des Beamten unter dem Siegel verborgen hat, entsiegeln.«
»Warum ist euch der Engel so teuer, und kann man euch nicht einen anderen ebensolchen verschaffen?«
»Er ist uns deshalb so teuer,« antworteten wir, »weil er uns beschützt hat; einen anderen können wir aber nicht bekommen, weil dieser in schwerer Zeit von gottesfürchtiger Hand gemalt und von einem Priester des alten Glaubens nach dem Brevier des Pjotr Mogila geweiht worden ist. Jetzt aber haben wir weder Priester noch jenes Brevier.«
»Aber wie wollt ihr ihn entsiegeln, wo doch der Siegellack das ganze Gesicht ausgebrannt hat?«
Wir antworteten:
»Euer Gnaden, was das anbelangt, so haben Sie keine Sorge: wenn wir ihn nur in unsere Hände bekommen, wird er, unser Beschützer, schon selbst für sich sorgen. Er ist keine Handelsware, sondern eine echte Stroganower Arbeit, und die Stroganower wie die Kostromaer Lacke sind so zubereitet, daß das Bild nicht einmal den Feuerbrand zu fürchten braucht, er läßt das Harz an die zarten Farben nicht einmal heran.«
»Seid ihr davon überzeugt?«
»Ja, das sind wir: dieser Lack ist so stark wie der alte russische Glaube selbst.«
Er schimpfte noch auf jene, die ein solches Kunstwerk nicht zu schätzen verstanden hatten, gab uns die Hand und sagte nochmals:
»Nun, verzagt nicht, ich bin euer Helfer, wir werden euern Engel bekommen. Braucht ihr ihn für lange?«
»Nein,« antworteten wir, »für ganz kurze Zeit.«
»Nun, dann sage ich den Leuten, daß ich für euren versiegelten Engel kostbare goldene Beschläge machen lassen will, und wenn man ihn mir dann gibt, vertauschen wir ihn. Gleich morgen will ich mich daran machen.«
Wir dankten ihm und erwiderten:
»Herr, unternehmen Sie bitte morgen und auch übermorgen noch nichts.«
»Warum das?« fragte er.
Wir antworteten:
»Weil wir, Herr, vor allen Dingen ein Bild zum Vertauschen haben müssen, das dem echten wie ein Wassertropfen dem andern gleicht. Solche Meister gibt es hier aber nicht und werden auch in der Nähe nicht zu finden sein.«
»Das ist eine Kleinigkeit,« sagte er, »ich werde euch selbst aus der Stadt einen Künstler mitbringen, der nicht nur Kopien malt, sondern selbst vortreffliche Porträts.«
»Nein,« antworteten wir, »tun Sie das bitte nicht: erstens würde durch diesen weltlichen Maler vielleicht ein unziemliches Gerede entstehen, zweitens kann ein Maler diese Aufgabe gar nicht erfüllen.«
Der Engländer glaubte es nicht, und so trat ich vor und legte ihm den ganzen Unterschied klar: daß die jetzigen weltlichen Maler eine andere Kunstart haben, daß sie nämlich mit Ölfarben malen, während dort die Farben mit Eiweiß angerieben werden und ganz zart sind. In der neuen weltlichen Malerei ist die Darstellung hingeschmiert und erscheint nur in einiger Entfernung natürlich, während hier alles fließend und noch in der Nähe deutlich ist. Einem weltlichen Maler würde selbst die Wiedergabe der Zeichnung nicht gelingen, weil sie nur gelernt haben, den irdischen Körper abzubilden und was den körperlichen Menschen ausmacht, während in der heiligen russischen Ikonenmalerei der verklärte himmlische Leib dargestellt wird, den sich der materielle Mensch nicht einmal vorstellen kann.
Das interessierte ihn, und er fragte:
»Aber wo gibt es denn solche Meister, die sich heute noch auf diese besondere Art verstehen?«
»Sie sind heute,« berichtete ich ihm weiter, »sehr selten, und selbst damals lebten sie in tiefer Verborgenheit. Im Dorfe Mstera lebt ein Meister namens Chochlow, aber er ist schon hoch in den Jahren und kann die weite Reise nicht machen. Auch in Palichow leben zwei, aber auch die werden die Reise nicht unternehmen, zudem taugen uns weder die Msterer noch die Palichower Meister.«
»Weshalb denn das?« forschte er weiter.
»Weil sie,« antwortete ich, »eine andere Manier haben: bei den Msterern ist die Zeichnung schwerfällig und der Farbton trüb, bei den Palichowern dagegen ist der Ton türkisfarbig, alles schimmert bei ihnen bläulich.«
»Was soll man nun machen?« fragte er.
»Ich weiß es selbst nicht,« antwortete ich. »Ich habe zwar gehört, es gäbe in Moskau noch einen guten Meister, namens Ssilatschow. Er hat in ganz Rußland, auch bei den Unsrigen einen guten Namen, aber er entspricht mehr der Nowgorodschen und der Zarisch-Moskowitischen Art. Unsere Ikone aber ist Stroganower Zeichnung mit den klarsten heiligsten Farben, so daß uns einzig der Meister Ssewastian von der Wolga helfen könnte, aber der ist ein leidenschaftlicher Wanderer und zieht durch ganz Rußland, macht bei den Altgläubigen Ausbesserungen, und niemand weiß, wo er zu finden ist.«
Der Engländer hatte meinen ganzen Bericht mit Vergnügen angehört, lächelte ein wenig und antwortete:
»Ihr seid sehr wunderliche Leute,« sagte er, »aber wenn man euch zuhört, wird es einem wohl, denn ihr scheint alles, was euch angeht, gut zu kennen und sogar in der Kunst Bescheid zu wissen.«
»Warum sollen wir denn von der Kunst nichts erfaßt haben, Herr?« sage ich: »Hier handelt es sich doch um Gotteskunst, und bei uns gibt es unter den ganz einfachen Bauern so große Liebhaber dieser Kunst, daß sie nicht nur alle Schulen auseinanderhalten, wodurch sich zum Beispiel eine von der anderen unterscheidet, die Ustjuger oder die Nowgoroder, die Moskauer oder die Wologdaer, die Sibirische oder die Stroganower, sondern die sogar in derselben Schule die Werke der berühmten, alten russischen Meister fehlerlos unterscheiden.«
»Kann denn das sein?«
»Genau so, wie Sie die Handschrift eines Menschen von der eines anderen unterscheiden, so auch jene«, antwortete ich. »Sie schauen nur hin und sehen gleich, ob es Kusjma, Andrej oder Prokofij gemalt hat.«
»An welchen Merkmalen?«
»Es