Johann Wolfgang von Goethe

Reineke Fuchs


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und Weh! Es trugen die Bahr zwei jüngere Hähne,

        Und man konnte von fern die Jammerklage vernehmen.

        Henning sprach: Wir klagen den unersetzlichen Schaden,

        Gnädigster Herr und König! Erbarmt Euch, wie ich verletzt bin,

        Meine Kinder und ich. Hier seht Ihr Reinekens Werke!

        Als der Winter vorbei, und Laub und Blumen und Blüten

        Uns zur Fröhlichkeit riefen, erfreut ich mich meines Geschlechtes,

        Das so munter mit mir die schönen Tage verlebte!

        Zehen junge Söhne, mit vierzehn Töchtern, sie waren

        Voller Lust zu leben; mein Weib, die treffliche Henne,

        Hatte sie alle zusammen in Einem Sommer erzogen.

        Alle waren so stark und wohl zufrieden, sie fanden

        Ihre tägliche Nahrung an wohlgesicherter Stätte.

        Reichen Mönchen gehörte der Hof, uns schirmte die Mauer,

        Und sechs große Hunde, die wackern Genossen des Hauses,

        Liebten meine Kinder und wachten über ihr Leben;

        Reineken aber, den Dieb, verdroß es, daß wir in Frieden

        Glückliche Tage verlebten und seine Ränke vermieden.

        Immer schlich er bei Nacht um die Mauer und lauschte beim Tore,

        Aber die Hunde bemerktens; da mocht er laufen! sie faßten

        Wacker ihn endlich einmal und ruckten das Fell ihm zusammen;

        Doch er rettete sich und ließ uns ein Weilchen in Ruhe.

        Aber nun höret mich an! es währte nicht lange, so kam er

        Als ein Klausner und brachte mir Brief und Siegel. Ich kannt es:

        Euer Siegel sah ich am Briefe; da fand ich geschrieben:

        Daß Ihr festen Frieden so Tieren als Vögeln verkündigt.

        Und er zeigte mir an: er sei ein Klausner geworden,

        Habe strenge Gelübde getan, die Sünden zu büßen,

        Deren Schuld er leider bekenne. Da habe nun keiner

        Mehr vor ihm sich zu fürchten, er habe heilig gelobet,

        Nimmermehr Fleisch zu genießen. Er ließ mich die Kutte beschauen,

        Zeigte sein Skapulier. Daneben wies er ein Zeugnis,

        Das ihm der Prior gestellt, und, um mich sicher zu machen,

        Unter der Kutte ein härenes Kleid. Dann ging er und sagte:

        Gott dem Herren seid mir befohlen! ich habe noch vieles

        Heute zu tun! ich habe die Sext und die None zu lesen

        Und die Vesper dazu. Er las im Gehen und dachte

        Vieles Böse sich aus, er sann auf unser Verderben.

        Ich mit erheitertem Herzen erzählte geschwinde den Kindern

        Eures Briefes fröhliche Botschaft, es freuten sich alle.

        Da nun Reineke Klausner geworden, so hatten wir weiter

        Keine Sorge, noch Furcht. Ich ging mit ihnen zusammen

        Vor die Mauer hinaus, wir freuten uns alle der Freiheit.

        Aber leider bekam es uns übel. Er lag im Gebüsche

        Hinterlistig; da sprang er hervor und verrannt uns die Pforte;

        Meiner Söhne schönsten ergriff er und schleppt' ihn von dannen,

        Und nun war kein Rat, nachdem er sie einmal gekostet;

        Immer versucht' er es wieder, und weder Jäger noch Hunde

        Konnten vor seinen Ränken bei Tag und Nacht uns bewahren.

        So entriß er mir nun fast alle Kinder; von zwanzig

        Bin ich auf fünfe gebracht, die andern raubt' er mir alle.

        O, erbarmt Euch des bittern Schmerzes! er tötete gestern

        Meine Tochter, es haben die Hunde den Leichnam gerettet.

        Seht, hier liegt sie! Er hat es getan, o! nehmt es zu Herzen!

        Und der König begann: Kommt näher, Grimbart, und sehet,

        Also fastet der Klausner, und so beweist er die Buße!

        Leb ich noch aber ein Jahr, so soll es ihn wahrlich gereuen!

        Doch was helfen die Worte! Vernehmet, trauriger Henning:

        Eurer Tochter ermangl es an nichts, was irgend den Toten

        Nur zu Rechte geschieht. Ich lass ihr Vigilie singen,

        Sie mit großer Ehre zur Erde bestatten; dann wollen

        Wir mit diesen Herren des Mordes Strafe bedenken.

        Da gebot der König, man solle Vigilie singen.

        Domino placebo begann die Gemeine, sie sangen

        Alle Verse davon. Ich könnte ferner erzählen,

        Wer die Lektion gesungen und wer die Responsen;

        Aber es währte zu lang, ich lass es lieber bewenden.

        In ein Grab ward die Leiche gelegt und drüber ein schöner

        Marmorstein, poliert wie ein Glas, gehauen im Viereck,

        Groß und dick, und oben darauf war deutlich zu lesen:

        »Kratzefuß, Tochter Hennings des Hahns, die beste der Hennen,

        Legte viel Eier ins Nest und wußte klüglich zu scharren.

        Ach, hier liegt sie! durch Reinekens Mord den Ihren genommen.

        Alle Welt soll erfahren, wie bös und falsch er gehandelt,

        Und die Tote beklagen.« So lautete, was man geschrieben.

        Und es ließ der König darauf die Klügsten berufen,

        Rat mit ihnen zu halten, wie er den Frevel bestrafte,

        Der so klärlich vor ihn und seine Herren gebracht war.

        Und sie rieten zuletzt: man habe dem listigen Frevler

        Einen Boten zu senden, daß er um Liebes und Leides

        Nicht sich entzöge, er solle sich stellen am Hofe des Königs

        An dem Tage der Herrn, wenn sie zunächst sich versammeln;

        Braun, den Bären, ernannte man aber zum Boten. Der König

        Sprach zu Braun, dem Bären: Ich sag es, Euer Gebieter,

        Daß Ihr mit Fleiß die Botschaft verrichtet! Doch rat ich zur Vorsicht:

        Denn es ist Reineke falsch und boshaft, allerlei Listen

        Wird er gebrauchen, er wird Euch schmeicheln, er wird Euch belügen,

        Hintergehen, wie er nur kann. Mitnichten, versetzte

        Zuversichtlich der Bär: bleibt ruhig! Sollt er sich irgend

        Nur vermessen und mir zum Hohne das mindeste wagen,

        Seht, ich schwör es bei Gott! der möge mich strafen, wofern ich

        Ihm nicht grimmig vergölte, daß er zu bleiben nicht wüßte.

      Zweiter Gesang

        Also wandelte Braun auf seinem Weg zum Gebirge

        Stolzen