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Briefe an Ludwig Tieck 3


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und Schriftsteller, Freund großer Männer, obgleich prosaischer Widersacher der eigentlichen Poesie; bei alle dem eine kräftige Natur, vielfach unterrichtet und nicht ohne produktives Talent. – Leben und Meinungen des Magisters Sebaldus Nothanker (4. Auflage 1799) bleibt ein wichtiges Buch aus jener Litteratur-Epoche.

      Und mag die von ihm begründete, in 106 Bänden von 1765–1792 fortgeführte: „Allgemeine deutsche Bibliothek“ aus höherem Standpunkte noch so heftig angegriffen worden sein, sie enthält doch auch sehr viel Schätzbares und der Mann, der sie länger als ein Vierteljahrhundert zu halten verstand, verdient Achtung.

      Nachfolgende zwei Briefe, denen wenigstens Niemand ihren praktischen Werth, noch ihre redliche Aufrichtigkeit absprechen kann, fanden sich schon durch Tieck für den Druck abschriftlich vorbereitet.

      I

Berlin 19 Dec. 1797.

      Von dem Manuscripte, welches Ew. Wohlgeboren mir heute zugeschickt haben, habe ich das erste Schauspiel und das Tagebuch heute an den Buchdrucker geschickt. Ew. Wohlgeboren aber werden verzeihen, daß ich das andere Schauspiel anbei zurückschicke. Ich thue es ungern, aber Euer Wohlgeboren werden mir verzeihen, daß ich offenherzig meine Meinung sage.

      (Ich hatte bis hierher dictirt, und nehme nun selbst die Feder, ohnerachtet das eigenhändige Schreiben mir etwas sauer wird.)

      Die Sammlung ist zu Erzählungen nicht zu theatralischen Stücken gewidmet. Sie haben im vorigen Theile schon eine Ausnahme gemacht. Ich will allenfalls in diesem Bande auch noch das eine Stück gehen lassen, aber zwei ist fast zu viel. Sie sind außerdem in einer gewissen excentrischen Laune geschrieben – Es läßt sich über solche Sachen nicht streiten – Aber der vorzüglichste Theil der Leser kann derselben schon in Ihren Volksmährchen keinen Geschmack abgewinnen. Ich bekenne, ich selbst halte es mehr für Witzelei, als für Witz: Rondi, Menuett, Variatione u. dgl. m. Ich mag Unrecht haben, aber darin habe ich gewiß Recht, daß dieser Ton von dem Ton im Musäus allzusehr abweicht, und daß man also wenigstens nicht den größten Theil eines Bandes der Strausfedern damit anfüllen sollte. Dies haben verschiedene Recensenten des VII Bandes schon bemerkt, welche ausdrücklich sagen, er scheine gar nicht von eben dem Verfasser zu sein &c.

      Erlauben Sie mir noch zu bemerken, daß der Schriftsteller doch auf seinen Leser, nicht blos auf sich zu sehen hat. Die Kunst der Darstellung ist eigentlich die Kunst des Schriftstellers, die Wirkung einer Schrift ist die, welche sie auf den Leser macht, und machen kann. Es scheint aus einigen Ihrer letzten Schriften, es macht Ihnen Vergnügen, sich Sprüngen Ihrer Einbildungskraft ohne Plan und Zusammenhang zu überlassen. Das mag Sie vielleicht amüsiren, ich zweifle aber, ob es Ihre Leser amüsiren werde, die wahrlich nicht wissen, aus welchem Standpunkte sie ansehen sollen, was sie lesen. Erlauben Sie mir zu bemerken, wenn Sie z. B. im gestiefelten Kater auf hiesige Theateranecdoten anspielen, so ist’s vielleicht schon für hiesige Leser, welche unbedeutende Theater- und Parterre-Anecdoten für armselig halten, nicht interessant; was sollen denn auswärtige Leser dabei denken, welche gar nicht wissen, was sie lesen? Der Autor, der sich die Miene giebt, als wolle er seine Leser zum Besten haben, nimmt die Leser nicht für sich ein, selbst, wenn er die Miene annimmt, als lache er über sich selbst. Und das unangenehmste ist – wenigstens für mich als Verleger, und als einen Verleger, dem man oft die Ehre anthut, zu glauben, was er verlege, sei gewissermaßen von ihm gebilligt – daß, weil nun die Leser nicht wissen, was sie lesen, – so legen sie vielleicht die dunkeln Anspielungen ganz falsch aus. Sie haben in dem anbei zurückgehenden Stücke auf Gewissenszwang, Königthum u. dgl. angespielt. Dies ist, meines Erachtens, jetziger Zeit, da wir Hoffnung haben, einige Preßfreiheit zu erhalten, und es doch noch sehr ungewiß ist, ob wir sie erhalten, gar nicht passend; wenigstens halte ich es für mich nicht passend!

      Ich bitte also, von dem anbei zurückgehenden Schauspiele irgend einen Gebrauch außer meinem Verlage zu machen, und das was noch zum Manuscripte zu dem letzten Bande der Strausfedern fehlt, mit irgend kleinen Romanen beliebigst auszufüllen, und sie mir bald zu senden.

      Ich nehme mir übrigens nicht heraus, Ihren Genius zu leiten. Wollen Sie aber einem Manne, der unsere Litteratur und unsere Schriftsteller und Leser seit 40 Jahren kennt, in etwas glauben, so werden Sie von dem excentrischen Wege etwas ablassen. Er mag Sie vergnügen, aber Sie werden sich auf diesem Wege nie ausbilden. Das Excentrische ist im Grunde leichte Arbeit! Ich wüßte nicht, wie viel ich alle Tage schreiben könnte, wenn ich alles hinschreiben wollte, was mir in den Kopf käme! Aber sich mehr als oberflächliche Kenntniß menschlicher Charaktere und Situationen zu erwerben, unter diesen auswählen, die Wirkung voraussehen, die sie machen können, das uninteressante vom interessanten scheiden, und ersteres ausstreichen, wenn man es auch schon niedergeschrieben hat: dies ist der einzige Weg, auf welchem ein junger Mann sein Talent ausbilden kann. Ich schätze die Anlagen, welche Sie haben, so hoch, daß ich mir diese kleine Herzensergießung darüber erlaube, und Sie bemerken lasse, daß Anlagen ohne Ausbildung des Talents bald verloren gehen. Zur Ausbildung geht freilich ein steiler und dornichter Weg, der Selbstentäußerung erfordert. Das Reich der excentrischen Imagination ist einförmiger, als es dem Faulen scheint, der gern selbstgefällig darin herumspatzirt; das Reich der Natur ist höchst mannichfaltig, aber es ist nicht so leicht zu erforschen, wer es aber zu erforschen und interessant darzustellen weiß, findet Wahrheit und Leben, da jener blos Träume findet, die vergehen, sobald das Morgenlicht strahlt.

      Shakspear ist nicht excentrisch, sondern wahre, menschliche Natur meisterhaft dargestellt; darum leben seine Stücke auch Jahrhunderte, und das was eigentlich etwa nach dem Geschmack seiner Zeit bloß wild ist, stirbt jetzt schon sogar in England, wo man seine Stücke ändern muß, wenn sie sollen aufgeführt werden. Unsere Ritterstücke und Ritterromane, welche blos wild und excentrisch sind, ohne hohe Natur getreu und lebhaft dargestellt, sterben, indem sie geboren werden. Dies ist das Loos aller Werke von gleicher Art.

      Bin ich zu offenherzig gewesen, so denken Sie, ein alter Radoteur hat es geschrieben, der es gut meint, und nicht versteht. Und wenn Sie dies nach zehn Jahren noch denken, so habe ich gewiß Unrecht.

Fr. Nicolai.

      II

Berlin d. 5 Oct. 1803.

      Ich habe, mein werther Herr und Freund, Ihr Schreiben vom 19 Aug. zu seiner Zeit richtig erhalten. Dieser Brief fand mich, der ich zeitlebens beinahe nur krank gewesen bin, in dem heftigsten Katarrhalfieber, wobei ich Tag und Nacht hustete, und an Kräften so herunterkam, daß ich vom 3ten bis zum 6ten Sept. nicht glaubte wieder zu genesen. Während dieser schweren Krankheit verlor ich den 1ten Sept. meine älteste verheirathete Tochter durch den Tod, nachdem ich schon seit 2 Monaten dieselbe hatte sinken sehen, und diesen traurigen Erfolg vorhersah. Meine Philosophie und Resignation ist überhaupt seit voriger Ostermesse sehr geprüft worden. Jetzt habe ich mein Fieber verloren, und es ist nur noch ein unbedeutender Husten übrig geblieben. Was aber eine schlimmere Folge der Krankheit ist, ist, ich kann auf meinem rechten Auge beinahe nichts sehen. Seit 3–4 Wochen, seit dieses gemerkt worden, sind alle Mittel vergeblich. Indeß hoffen doch die Aerzte einstimmig, es werde diese Blindheit gehoben werden, welches ich mehr wünsche, als zu hoffen mir getraue. Ich bin in der unangenehmen Lage, nicht ½ Stunde hinter einander lesen oder schreiben zu dürfen, das sehende Auge bei Licht gar nicht brauchen zu dürfen, und ein Ueberbleibsel von Husten hindert mich auch am langen fortgesetzten Diktiren. Wundern Sie sich also nicht, wenn ich nur ganz kurz schreibe. Es haben sich überdies während meiner Krankheit die Geschäfte sehr aufgesammelt, und ich muß nach und nach doch alle nachholen.

      Es ist mir sehr angenehm, daß Sie meine Offenherzigkeit in der bewußten Sache so aufnahmen, wie ich dieselbe gemeint hatte. Meine Absicht war, Ihnen zu zeigen, daß wenn auch an den Nachrichten, die man Ihnen gegeben hatte, etwas sein sollte, dennoch die Hauptsache sich nicht ganz so verhielt, wie man Ihnen geschrieben hatte, und daß man hier diese Sache officiel noch aus andern Gesichtspunkten betrachtete, und betrachten mußte, wie Sie in ihrem Briefe selbst einigermaßen zugestehen. Es ist freilich sehr unangenehm, daß durch eine Menge dazwischen gekommener Umstände diese Sache nicht so ging, als sie hätte gehen sollen, und als sie vielleicht würde gegangen sein, wäre sie anders eingeleitet worden. Wenn ich bis zur künftigen O. M. lebe, läßt sich vielleicht mündlich darüber etwas sagen.

      Das