vorüber und grüßt)
Er hat einen wundervollen Kopf.
So denke ich mir den jungen Alexander, als er zu Aristoteles in die Schule ging.
Du lieber Gott, die griechische Geschichte! – Ich weiß nur noch, wie Sokrates in der Tonne lag, als ihm Alexander den Eselsschatten verkaufte.
Er soll der Drittbeste in seiner Klasse sein.
Professor Knochenbruch sagt, wenn er wollte, könnte er Primus sein.
Er hat eine schöne Stirne, aber sein Freund hat einen seelenvolleren Blick.
Moritz Stiefel? – Ist das eine Schlafmütze!
Ich habe mich immer ganz gut mit ihm unterhalten.
Er blamiert einen, wo man ihn trifft. Auf dem Kinderball bei Rilows bot er mir Pralinees an. Denke dir, Wendla, die waren weich und warm. Ist das nicht …? – Er sagte, er habe sie zu lang in der Hosentasche gehabt.
Denke dir, Melchi Gabor sagte mir damals, er glaube an nichts – nicht an Gott, nicht an ein Jenseits – an gar nichts mehr in dieser Welt.
Vierte Szene
Parkanlagen vor dem Gymnasium – Melchior, Otto, Georg, Robert, Hänschen Rilow, Lämmermeier
Kann mir einer von euch sagen, wo Moritz Stiefel steckt?
Dem kann′s schlecht gehn! – O dem kann′s schlecht gehn!
Der treibts so lange, bis er noch mal ganz gehörig ′reinfliegt!
Weiß der Kuckuck, ich möchte in diesem Moment nicht in seiner Haut stecken!
Eine Frechheit! – Eine Unverschämtheit!
Wa – wa – was wißt ihr denn?
Was wir wissen? – Na, ich sage dir …
Ich möchte nichts gesagt haben!
Ich auch nicht – weiß Gott nicht!
Wenn ihr jetzt nicht sofort …
Kurz und gut, Moritz Stiefel ist ins Konferenzzimmer gedrungen.
Ins Konferenzzimmer …?
Ins Konferenzzimmer! – Gleich nach Schluß der Lateinstunde.
Er war der letzte; er blieb absichtlich zurück.
Als ich um die Korridorecke bog, sah ich ihn die Tür öffnen.
Hol dich der …!
Wenn nur ihn nicht der Teufel holt!
Vermutlich hatte das Rektorat den Schlüssel nicht abgezogen.
Oder Moritz Stiefel führt einen Dietrich.
Ihm wäre das zuzutrauen.
Wenn′s gut geht, bekommt er einen Sonntagnachmittag.
Nebst einer Bemerkung ins Zeugnis!
Wenn er bei dieser Zensur nicht ohnehin an die Luft fliegt.
Da ist er!
Blaß wie ein Handtuch.
(Moritz kommt in äußerster Aufregung.)
Moritz, Moritz, was du getan hast!
– — Nichts – — nichts – — —
Du fieberst!
– Vor Glück – vor Seligkeit – vor Herzensjubel —
Du bist erwischt worden?!
Ich bin promoviert! – Melchior, ich bin promoviert! – O jetzt kann die Welt untergehn! – Ich bin promoviert! – Wer hätte geglaubt, daß ich promoviert werde! – Ich fass′ es noch nicht! – Zwanzigmal hab′ ich′s gelesen! – Ich kann′s nicht glauben – du großer Gott, es blieb! – Es blieb! Ich bin promoviert! – (lächelnd) Ich weiß nicht – so sonderbar ist mir – der Boden dreht sich … Melchior, Melchior, wüßtest du, was ich durchgemacht!
Ich gratuliere, Moritz. – Sei nur froh, daß du so weggekommen!
Du weißt nicht, Hänschen, du ahnst nicht, was auf dem Spiel stand. Seit drei Wochen schleiche ich an der Tür vorbei wie am Höllenschlund. Da sehe ich heute, sie ist angelehnt. Ich glaube, wenn man mir eine Million geboten hätte – nichts, o nichts hätte mich zu halten vermocht! – Ich stehe mitten im Zimmer – ich schlage das Protokoll auf – blättere – finde – — und während all der Zeit … Mir schaudert —
… während all der Zeit?
Während all der Zeit steht die Tür hinter mir sperrangelweit offen. – Wie ich heraus … wie ich die Treppe heruntergekommen, weiß ich nicht.
– Wird Ernst Röbel auch promoviert?
O gewiß, Hänschen, gewiß! – Ernst Röbel wird gleichfalls promoviert.
Dann mußt du schon nicht richtig gelesen haben. Die Eselsbank abgerechnet zählen wir mit dir und Röbel zusammen einundsechzig, während oben das Klassenzimmer mehr als sechzig nicht fassen kann.
Ich habe vollkommen richtig gelesen. Ernst Röbel wird so gut versetzt wie ich – beide allerdings vorläufig nur provisorisch. Während des ersten Quartals soll es sich dann herausstellen, wer dem andern Platz zu machen hat. – Armer Röbel! – Weiß der Himmel, mir ist um mich nicht mehr bange. Dazu habe ich diesmal zu tief hinuntergeblickt.
Ich wette fünf Mark, daß du Platz machst.
Du hast ja nichts. Ich will dich nicht ausrauben. – Herrgott, werd′ ich büffeln von heute an! – Jetzt kann ich′s ja sagen – mögt ihr daran glauben oder nicht – jetzt ist ja alles gleichgültig – ich – ich weiß, wie wahr es ist: Wenn ich nicht promoviert worden wäre, hätte ich mich erschossen.
Prahlhans!
Der Hasenfuß!
Dich hätte ich schießen sehen mögen!
Eine Maulschelle drauf!
(gibt ihm eine)
– — Komm, Moritz. Gehn wir zum Försterhaus!
Glaubst du vielleicht an den Schnack?
Schert dich das? – — Laß sie schwatzen, Moritz! Fort, nur fort, zur Stadt hinaus!
(Die Professoren Hungergurt und Knochenbruch gehen vorüber.)
Mir unbegreiflich, verehrter Herr Kollega, wie sich der beste meiner Schüler gerade zum allerschlechtesten so hingezogen fühlen kann.
Mir auch, verehrter Herr