Михаил Лермонтов

Der Held unserer Zeit: Kaukasische Lebensbilder


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Du die Bela entführt hast . . . Ach diese Bestie von Asamat! . . . Nun, gestehe selbst,“ sagte ich zu ihm.

      „Ja, wenn sie mir nun einmal gefällt?“

      – Nun bitte ich Sie, was sollte ich ihm hierauf antworten? Ich war ganz verdutzt. Indessen sagte ich ihm nach einem kurzen Schweigen, daß, wenn ihr Vater sie wieder fordern sollte, man doch genöthigt sein würde, sie herauszugeben.

      „Ist durchaus nicht nöthig.“

      – „Ja, wenn er nun aber erfährt, daß sie hier ist?“

      „I, wie soll er denn das erfahren?“

      Ich war abermals festgefahren. – „Hören Sie, Maksim Maksimitsch“, begann Petschorin endlich, indem er sich erhob: „Sie sind ein guter Mensch, – bedenken Sie selbst, daß, wenn wir diesem Wilden seine Tochter wiedergeben, er sie entweder umbringt oder verkauft. Die Sache ist nun einmal geschehen, es kommt also bloß darauf an, daß wir sie nicht muthwillig selbst verderben; lassen Sie sie also bei mir und meinen Degen bei Ihnen . . .“

      – „So zeigen Sie mir sie wenigstens,“ sagte ich.

      „Sie ist hinter jener Thür; indessen habe ich mich heut selbst vergebens bemüht, sie zu sehen; sie sitzt, in ihren Schleier gehüllt, in einem Winkel und spricht nicht und rührt sich nicht; sie ist scheu wie eine wilde Gemse. Ich habe unsere Marketenderin in Dienst genommen: die versteht tatarisch und wird sie an den Gedanken gewöhnen, daß sie mein ist, denn sie soll Niemandem anders gehören als mir,“ fügte er hinzu, indem er mit der Faust auf den Tisch schlug. – Ich ließ ihn auch hierin gewähren . . . Was soll man machen? Sehen Sie, es giebt Leute, denen man durchaus ihren Willen thun muß.

      – „Hat er sie denn wirklich“ fragte ich Maksim Maksimitschen, „so weit gebracht, oder verkam sie in der Gefangenschaft vor lauter Heimweh?“

      – „Ja warum denn vor Heimweh, ich bitte Sie um Alles. Aus der Festung konnte man dieselben Berge sehen, wie aus ihrem Aúle, – na, und mehr brauchen diese Wilden ja nicht. Dann beschenkte sie auch Grigorii Alexandrowitsch jeden Tag mit etwas Neuem; die ersten zwei Tage wies sie die Geschenke stolz von sich, welche dann der Marketenderin zufielen und deren Beredsamkeit anregten. Ach, die Geschenke! Was thut ein Frauenzimmer nicht alles für einen bunten Lappen! . . . Doch das gehört jetzt nicht hierher! Grigorii Alexandrowitsch kämpfte lange mit ihr, lernte aber unterdessen tatarisch und auch sie fing an, unsere Sprache etwas zu verstehen. Nach und nach gewöhnte sie sich an seinen Anblick, obschon sie ihn anfänglich nur verstohlen unter den Augenbrauen hervor ansah, und sich immer härmte, und ihre Liedchen mit halber Stimme vor sich hin sang, so daß es mir wohl auch manchmal recht weh um’s Herz wurde, wenn ich sie im Nebenzimmer hörte. Niemals werde ich eine Scene vergessen: Ich ging am Fenster vorüber und schaute hinein: Bela saß auf einem Schemel, mit dem Köpfchen auf die Brust gesenkt; Grigorii Alexandrowitsch stand vor ihr. „Höre, meine Peri,“ sagte er, „siehe, Du weißt doch, daß Du früh oder spät mein sein mußt – warum mich also so quälen? Vielleicht liebst Du irgend einen Tschetschiner? Wenn dem so ist, so laß ich Dich augenblicklich nach Hause gehen.“ – Sie fuhr kaum bemerkbar zusammen und schüttelte mit dem Kopfe. – „Oder,“ fuhr er fort, „bin ich Dir so durchaus verhaßt?“ – Sie seufzte leise. „Oder verbietet Dir Dein Glaube, mich zu lieben?“ – Sie erblaßte und schwieg. – „Glaube mir, Allach ist für alle Völkerstämme ein und derselbe, und wenn er mir gewährt hat, Dich so innig zu lieben, warum sollte er Dir verbieten, mich mit Deiner Gegenliebe zu beglücken?“ – Sie blickte ihm scharf in’s Gesicht, wie von diesem netten Gedanken getroffen; in ihren Augen malte sich die Ungläubigkeit und der Wunsch, sich zu überzeugen. Was für Augen! Sie leuchteten wahrhaftig wie ein Paar Kohlen.

      – „O höre, süße, theure Bela!“ fuhr Petschórin fort, „Du siehst, wie lieb ich Dich habe; ich will alles für Dich dahingeben, wenn ich Dich nur erheitern kann; ich möchte Dich so gern glücklich sehen, und wenn Du wieder so traurig sein wirst, werde ich sterben. Sage mir, daß Du heiterer sein willst?“ – Sie versank in Nachdenken, ohne ihre schwarzen Augen von ihm zu wenden, lächelte dann milde und nickte bejahend mit dem Kopfe. Er ergriff ihre Hand und suchte sie nun zu überreden, ihm einen Kuß zu geben, sie wehrte sich nur schwach, indem sie mehrmals sagte: „Bitte, bitte, nicht nöthig, nicht nöthig.“ Er wurde immer zudringlicher; da fing sie an zu zittern und in Thränen auszubrechen. „Ich bin Deine Gefangene,“ sagte sie, „Deine Sklavin; mithin kannst Du mich freilich zwingen,“ – und wieder Thränen.

      Grigorii schlug sich mit der Faust vor die Stirn und sprang aus ihrem in das andere Zimmer. Ich begab mich zu ihm; er ging mit gefaltenen Händen im Zimmer finster auf und ab. „Nun, mein Lieber?“ sagte ich zu ihm. – „Ein Dämon ist sie, aber kein Weib!“ erwiederte er; „ich gebe Ihnen aber mein Ehrenwort, daß sie mein sein wird . . . Ich schüttelte mit dem Kopfe. „Wollen Sie pariren?“ sagte er, „in einer Woche!“ – „Mit Vergnügen!“ – Wir gaben uns die Hände darauf und trennten uns.

      Am andern Tage sandte er sogleich einen Eilboten nach Kislar um verschiedene Einkäufe zu machen; es dauerte nicht lange, so wurde eine solche Menge der verschiedenartigsten persischen Stoffe herbeigeschafft, daß man sie nicht überzählen konnte. – „Was meinen Sie, Maksim Maksimitsch!“ sagte er zu mir, indem er auf die Geschenke wies, „wird wohl die asiatische Schönheit gegen eine solche Batterie Stand halten? —

      – Sie kennen die Tscherkessinnen nicht, antwortete ich; die sind nicht wie die Grusierinnen oder die kaukasischen Tatarinnen, durchaus nicht so. Die haben ihre eigene Weise und sind anders erzogen. Grigorii Alexandrowitsch lächelte und fing an einen Marsch zu pfeifen.

      – Zuletzt zeigte es sich, daß ich Recht gehabt hatte: die Geschenke hatten nur theilweise gewirkt; sie war etwas freundlicher und zutraulicher geworden – das war aber auch alles, und so entschloß er sich denn zum letzten Mittel zu greifen. Eines Morgens ließ er sein Pferd satteln, zog sich seine Tscherkessenkleider an, bewaffnete sich und ging zu ihr. „Bela!“ sagte er: „Du weißt, wie lieb ich Dich habe. Ich hatte mich entschlossen Dich zu entführen, in der Hoffnung, daß Du mich lieben würdest, wenn Du mich erst kennen gelernt haben würdest; ich habe mich geirrt: – Lebe wohl! Ich überlasse Dir den vollen Besitz alles dessen, was mein ist; wenn Du willst, kannst Du auch zu Deinem Vater zurückkehren – Du bist frei. Ich bin in Deinen Augen schuldig und muß mich selbst bestrafen; lebe wohl; ich gehe – wohin weiß ich selbst nicht! hoffentlich werde ich den Kugeln und Säbelhieben nicht lange entgehen, dann gedenke meiner und vergieb mir.“ – Er wandte sich von ihr ab und streckte ihr zum Abschiede die Hand entgegen. Sie nahm die Hand nicht und schwieg. Da ich hinter der Thüre stand, so konnte ich durch eine Spalte ihr Gesicht sehen, und wahrhaftig es ging mir nahe – eine solche Todtenblässe überzog ihr liebliches Gesichtchen! Da er keine Antwort vernahm, that Petschórin einige Schritte gegen die Thür; er zitterte – und soll ich es Ihnen aufrichtig sagen? – Ich bin überzeugt, er wäre im Stande gewesen, das in vollem Ernste auszuführen, was er scherzweise gesagt hatte. Er war ein gar zu sonderbarer Mann, Gott weiß! Kaum aber berührte er die Thüre, als sie auf ihn zusprang und sich ihm schluchzend an den Hals warf. Wollen Sie mir’s glauben, daß ich hinter meiner Thüre auch weinte, das heißt, wissen Sie, nicht als ob ich geweint hätte, sondern bloß so – aus Dummheit! . . .

      Der Stabskapitain hielt schweigend inne.

      – Ja, ich gestehe Ihnen ganz offen, sagte er alsdann, seinen Schnurrbart streichelnd, daß es mir damals weh that, von keinem Weibe jemals so geliebt worden zu sein.

      „Und war ihr Glück von Dauer?“ fragte ich.

      – Ja wohl, und sie gestand uns, daß seit dem Tage, an welchem sie Petschórin gesehen hatte, er ihr oft im Traume erschienen wäre, und daß noch nie ein Mann solchen Eindruck auf sie gemacht hätte. Ja, sie waren glücklich!

      „Ach, wie Schade!“ rief ich unwillkührlich aus. In der That hatte ich eine tragische Entwickelung erwartet und sah mich nun so plötzlich in meinen Hoffnungen getäuscht! . . „Ist es möglich,“ begann ich abermals, daß der Vater nicht errieth, daß sie bei Ihnen in der Festung steckte?“

      – Ja, geahnt mag er es wohl haben; indessen erfuhren wir bereits nach wenigen