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Narziss und Goldmund / Нарцисс и Гольдмунд. Книга для чтения на немецком языке


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weiß nicht. Nein, ich glaube, ich habe selber angefangen. Sie haben mich gehänselt, da wurde ich böse.«

      »Nun, du fängst ja gut an, mein Junge. Also merke dir: wenn du noch einmal hier im Schulzimmer Prügeleien auskämpfst, gibt es Strafe. Und jetzt mache, dass du zum Vesperbrot kommst, vorwärts!«

      Lächelnd sah er Goldmund nach, wie er beschämt davonlief und unterwegs das zerzauste hellblonde Haar mit den Fingern zu strählen bemüht war.

      Goldmund war selbst der Meinung, seine erste Tat in diesem Klosterleben sei recht unartig und töricht gewesen; ziemlich zerknirscht suchte und fand er seine Schulkameraden beim Vesperbrot. Aber er wurde mit Achtung und Freundlichkeit empfangen, er versöhnte sich ritterlich mit seinem Feinde und fühlte sich von Stund an wohl aufgenommen in diesem Kreise.

      Zweites Kapitel

      Wenn er indessen mit allen gut Freund war, einen wirklichen Freund fand er doch nicht so bald; es war keiner unter den Mitschülern, dem er sich besonders verwandt oder gar zugeneigt fühlte. Sie aber waren verwundert, in dem schneidigen Faustkämpfer, den sie geneigt waren für einen liebenswerten Raufbold zu halten, einen sehr friedfertigen Kollegen zu finden, der eher nach dem Ruhm eines Musterschülers zu streben schien.

      Zwei Menschen im Kloster gab es, zu denen Goldmund sein Herz hingezogen fühlte, die ihm gefielen, die seine Gedanken beschäftigten, für die er Bewunderung, Liebe und Ehrfurcht fühlte: den Abt Daniel und den Lehrgehilfen Narziss. Den Abt war er geneigt für einen Heiligen zu halten, seine Einfalt und Güte, sein klarer, sorglicher Blick, seine Art, das Befehlen und Regieren demütig als einen Dienst zu vollziehen, seine guten, stillen Gebärden, das alles zog ihn gewaltig an. Am liebsten wäre er der persönliche Diener dieses Frommen geworden, wäre immer gehorchend und dienend um ihn gewesen, hätte all seinen knabenhaften Drang nach Devotion und Hingabe ihm als beständiges Opfer dargebracht und ein reines, edles, heiligmäßiges Leben von ihm gelernt. Denn Goldmund war gesonnen, nicht nur die Klosterschule zu absolvieren, sondern womöglich ganz und für immer im Kloster zu bleiben und sein Leben Gott zu weihen; so war es sein Wille, so war es seines Vaters Wunsch und Gebot, und so war es wohl von Gott selbst bestimmt und gefordert. Niemand schien es dem schönen, strahlenden Knaben anzusehen, und doch lag eine Bürde auf ihm, eine Bürde der Herkunft, eine geheime Bestimmung zu Sühne und Opfer. Auch der Abt sah es nicht, obwohl Goldmunds Vater ihm einige Andeutungen gemacht und deutlich den Wunsch geäußert hatte, sein Sohn möge für immer hier im Kloster bleiben. Irgendein geheimer Makel schien an der Geburt Goldmunds zu haften, irgend etwas Verschwiegenes schien Sühne zu fordern. Aber der Vater hatte dem Abt nur wenig gefallen, er hatte seinen Worten und seinem ganzen etwas wichtigtuerischen Wesen höfliche Kühle entgegengestellt und seinen Andeutungen keine große Bedeutung eingeräumt.[15]

      Jener andere, der Goldmunds Liebe erweckt hatte, sah schärfer und ahnte mehr, aber er hielt sich zurück. Narziss hatte recht wohl bemerkt, welch ein holder Goldvogel ihm da zugeflogen war. Er, der in seiner Vornehmheit Vereinsamte, hatte alsbald in Goldmund den Verwandten gewittert, obwohl er in allem sein Gegenspiel zu sein schien. Wie Narziss dunkel und hager, so war Goldmund leuchtend und blühend. Wie Narziss ein Denker und Zergliederer, so schien Goldmund ein Träumer und eine kindliche Seele zu sein. Aber die Gegensätze überspannte ein Gemeinsames: beide waren sie vornehme Menschen, beide waren sie durch sichtbare Gaben und Zeichen vor den andern ausgezeichnet, und beide hatten sie vom Schicksal eine besondere Mahnung mitbekommen.

      Brennend nahm Narziss an dieser jungen Seele teil, deren Art und Schicksal er bald erkannt hatte. Glühend bewunderte Goldmund seinen schönen, überlegen klugen Lehrer. Aber Goldmund war schüchtern; er fand keine andere Weise, um Narziss zu werben, als dass er sich bis zur Übermüdung bemühte, ein aufmerksamer und gelehriger Schüler zu sein. Und nicht die Schüchternheit allein hielt ihn zurück. Es hielt ihn auch zurück ein Gefühl dafür, dass Narziss eine Gefahr für ihn sei. Er konnte nicht den guten demütigen Abt zum Ideal und Vorbild haben und zugleich den überklugen, gelehrten, scharfgeistigen Narziss. Und dennoch strebte er mit allen Seelenkräften seiner Jugend beiden Idealen nach, den unvereinbaren. Oft machte ihn das leiden. Manchmal in den ersten Monaten seiner Schülerzeit fühlte Goldmund sich so im Herzen verwirrt und hin und her gerissen, dass er stark in Versuchung kam, davonzulaufen oder im Umgang mit den Kameraden seine Not und seinen inneren Zorn auszulassen. Oft wurde er, der Gutmütige, auf irgendeine kleine Hänselei oder Schülerfrechheit hin urplötzlich so aufflammend wild und böse, dass er nur mit äußerster Anstrengung sich halten und sich, mit geschlossenen Augen und leichenblass, schweigend abwenden konnte. Dann suchte er in der Stallung das Pferd Bless auf, lehnte den Kopf an seinen Hals, küsste es, weinte bei ihm. Und allmählich nahm sein Leiden zu und wurde bemerkbar. Seine Wangen wurden schmal, sein Blick erloschen, sein von allen geliebtes Lachen selten geworden. Er selbst wusste nicht, wie es um ihn stehe. Es war sein ehrlicher Wunsch und Wille, ein guter Schüler zu sein, bald ins Noviziat aufgenommen und dann ein frommer, stiller Bruder der Patres zu werden; er glaubte daran, dass alle seine Kräfte und Gaben diesem frommen sanften Ziele zustrebten, er wusste nichts von anderen Strebungen. Wie seltsam und traurig war es ihm darum, sehen zu müssen, dass dies einfache und schöne Ziel so schwer zu erreichen sei. Wie entmutigt und befremdet nahm er zuweilen tadelnswerte Neigungen und Zustände an sich wahr: Zerstreutheit und Widerwillen beim Lernen, Träumen und Phantasieren oder Schläfrigkeit während der Lektionen, Auflehnung und Abneigung gegen den Lateinlehrer, Reizbarkeit und zornige Ungeduld gegen die Mitschüler. Und das Verwirrendste war dies, dass seine Liebe zu Narziss sich so schlecht mit seiner Liebe zum Abt Daniel vertragen wollte. Dabei glaubte er manchmal mit innerster Gewissheit zu spüren, dass auch Narziss ihn liebe, dass er an ihm teilnehme und auf ihn warte.

      Viel mehr, als der Knabe ahnte, waren Narzissens Gedanken mit ihm beschäftigt. Er wünschte sich diesen hübschen, hellen, lieben Jungen zum Freunde, er ahnte in ihm seinen Gegenpol und seine Ergänzung, er hätte ihn an sich nehmen mögen, ihn führen, aufklären, steigern und zur Blüte bringen. Aber er hielt sich zurück. Er tat es aus vielen Beweggründen, und sie waren ihm beinahe alle bewusst. Vor allem band und hemmte ihn der Abscheu, den er gegen jene nicht seltenen Lehrer und Mönche fühlte, welche sich in Schüler oder Novizen verliebten. Oft genug hatte er selbst mit Widerwillen die begehrenden Augen älterer Männer auf sich ruhen gefühlt, oft genug war er ihren Freundlichkeiten und Hätscheleien mit stummer Abwehr begegnet. Nun verstand er sie besser – auch er sah eine Verlockung darin, den hübschen Goldmund liebzuhaben, sein holdes Lachen hervorzurufen, mit zärtlicher Hand durch sein hellblondes Haar zu streichen. Aber nie würde er das tun, niemals. Außerdem war er als Lehrgehilfe, der im Rang eines Lehrers stand, ohne doch dessen Amt und Autorität zu haben, an besondere Vorsicht und Wachsamkeit gewöhnt. Er war daran gewöhnt, den um wenige Jahre Jüngeren gegenüberzustehen, als sei er zwanzig Jahre älter, er war daran gewöhnt, sich jede Bevorzugung eines Schülers streng zu verbieten, sich gegen jeden ihm widerwärtigen Schüler zu besonderer Gerechtigkeit und Fürsorge zu zwingen. Sein Dienst war ein Dienst am Geiste, ihm war sein strenges Leben gewidmet, und nur heimlich, in seinen unbewachtesten Augenblicken, erlaubte er sich den Genuss des Hochmuts, des Besserwissens und Klügerseins. Nein, mochte die Freundschaft mit Goldmund noch so verlockend sein, sie war eine Gefahr, und den Kern seines Lebens durfte er von ihr nicht berühren lassen. Der Kern und Sinn seines Lebens war der Dienst am Geist, der Dienst am Wort, war das stille, überlegene, auf eigenen Nutzen verzichtende Führen seiner Schüler – und nicht nur seiner Schüler – zu hohen geistigen Zielen.

      Ein Jahr und länger war Goldmund schon Klosterschüler in Mariabronn, hundertmal schon hatte er unter den Linden des Hofes und unter dem schönen Kastanienbaum mit den Kameraden die Schülerspiele gespielt, Laufspiele, Ballspiele, Räuberspiele, Schneeballschlachten; nun war es Frühling; aber Goldmund war müde und fühlte sich kränklich, oft tat der Kopf ihm weh, und in der Schule hatte er Mühe, sich wach und aufmerksam zu erhalten.

      Da sprach eines Abends Adolf ihn an, jener Schüler, dessen erste Begegnung mit ihm damals ein Faustkampf gewesen war und mit dem er in diesem Winter den Euklid[16] zu studieren begonnen hatte. Es war in der Stunde nach dem Abendessen, einer Freistunde, in der das Spielen in den Dormenten, das Plaudern in den Schülerstuben und auch das Spazieren im äußern Klosterhof erlaubt war.

      »Goldmund«,