Polizei überwacht und mußten fürchten, Eure königlichen Hoheiten zu compromittieren. Wir besaßen noch einige Mittel und lebten von diesen, indem wir einen günstigeren Augenblick erwarteten, wo wir Sie um Ihren Schutz bitten könnten. Vor acht Tagen hatten Sie den Schmerz, Ihre königliche Hoheit die Prinzessin Sophie zu verlieren, und entschlossen sich nach Neapel abzureisen. Wir hatten Sorge getragen, uns fortwährend von Ihren Absichten unterrichtet zu halten, und gingen am Tage Ihrer Abreise Sie hier zu erwarten, wo wir gestern Nacht gelangt sind. Einen Augenblick lang glaubten wir, als die Escorte sahen, welche die Carrosse Euer königlichen Hoheiten begleiteten, es sei Alles für uns verloren. Die Vorsehung hat aber im Gegentheil gewollt, daß gerade hier Ihrer Escorte der Befehl zur Rückkehr nach Rom ertheilt ward. Wir kommen daher, um uns als Ersatz dieser Escorte anzubieten. Es handelt sich um weiter nichts, als in Ihrem Dienste das Leben zu opfern. So viel Werth wie Andere besitzen wir auch und bitten Sie, uns den Vorzug zu geben.«
Der junge Mann sprach die letzten Worte mit vieler Würde und die Verbeugung, womit er sie begleitete, eine den Anforderungen der Courtoisie so entspreche, daß die alte Prinzessin, indem sie sich nach dem Grafen Chatillon herumdrehte, sagte:
»Gestehen Sie, Chatillon, daß Sie wenig Edelleute sich auf noblere Weise haben ausdrücken hören, als dieser junge Corse thut, der doch nur Corporal gewesen ist.«
»Ich bitte um Verzeihung, königliche Hoheit,« entgegnete Cesare mit verächtlichem Lächeln. »Einer meiner Ahnherren, Madame, war Caporale, das heißt Commandant einer Provinz. Ich dagegen hatte eben so wie Herr von Bocchechiampe, die Ehre, in der Armee des Prinzen von Condé Lieutenant von der Artillerie zu sein.«
»Hoffen wir, daß Sie nicht dieselbe Carrière machen, welche der kleine Buonaparte, Ihr Landmann, bei der Artillerie gemacht hat.«
Dann drehte sich die Prinzessin wieder nach dem Grafen herum und sagte:
»Wohlan, Chatillon, Sie sehen, daß die Sache sich wunderschön trifft. In dem Augenblick, wo unsere Escorte uns verläßt, schickt die Vorsehung, wie Herr von – Herr von – wie sagten Sie, daß Sie heißen, lieber Freund?«
»Von Cesare, königliche Hoheit.«
»Schickt die Vorsehung, wie Herr von Cesare sehr richtig sagte, uns eine andere. Meine Ansicht geht dahin, daß wir dieselbe annehmen. Was sagen Sie dazu, liebe Schwester?«
»Was ich sage? Ich sage, daß ich Gott danke, daß er uns von diesen Jakobinern erlöst hat, deren dreifarbige Federbüsche mir Nervenzufälle verursachten.«
»Und ich bin froh, daß ich den Anführer dieser Escorte, den Bürger Brigadier Martin, los bin, welcher wie versessen darauf war, sich fortwährend an mich zu wenden, um sich nach den Befehlen meiner königlichen Hoheit zu erkundigen. Wenn ich bedenke, daß ich mich genöthigt sah, ihm freundlich zuzulächeln, während ich doch eher Lust gehabt hätte, ihm den Hals umzudrehen!«
Dann wendete sie sich wieder zu Cesare und sagte:
»Mein Herr, Sie können mir Ihre Cameraden vorstellen. Ich wünsche, dieselben so bald als möglich kennen zu lernen.«
»Vielleicht wäre es besser, wenn Ihre königlichen Hoheiten warteten, bis der Brigadier Martin und seine Leute fort sind,« machte Herr von Chatillon bemerklich.
»Und warum dies, Graf?«
»Nun, damit er nicht diesen Herren bei Ihren königlichen Hoheiten begegne, wenn er kommt, um Abschied von Ihnen zu nehmen.«
»Wenn er kommt, um Abschied von uns zu nehmen? Was mich betrifft, so hoffe ich, daß der Wicht nicht die Unverschämtheit besitzen wird, mir noch einmal vor die Augen zu kommen. Nehmen Sie zehn Louisdor, Chatillon, und geben sie dieselben dem Brigadier Martin für ihn und seine Leute. Ich will nicht, daß diese widerwärtigen Jakobiner sagen können, sie hätten uns einen Dienst geleistet, ohne dafür bezahlt worden zu sein.«
»Ich werde thun, was Ew. königliche Hoheit mir befiehlt, aber ich zweifle, daß der Brigadier etwas annimmt.«
»Daß er was annimmt?«
»Die zehn Louisdor, welche Ew. königliche Hoheit ihm anbietet.«
»Er würde sich dieselben lieber selbst nehmen, nicht wahr? Diesmal wird er sich aber wohl begnügen müssen, sie zu empfangen. Aber was ist das für eine Musik? Sollte man uns erkannt haben und uns eine Serenade bringen?«
»Es wäre dies allerdings Pflicht der Einwohner, Madame,« antwortete der junge Corse lächelnd, »wenn sie wüßten, wen sie die Ehre haben in ihren Mauern zu besitzen. Sie wissen dies aber nicht, wenigstens setze ich dies voraus, und diese Musik ist einfach die einer Hochzeit, welche aus der Kirche kommt. Die Tochter des Stellmachers, welcher diesem Gasthause gegenüber wohnt, vermählt sich, und da ein Nebenbuhler vorhanden ist, so vermuthet man, dieser Tag werde nicht ohne ein tragisches Ereigniß vorübergehen. Wir, die wir seit gestern Abend hier sind, haben Zeit gehabt, uns von den Ortsneuigkeiten zu unterrichten.«
»Schon gut, schon gut, sagte Madame Adelaide; » mit diesen Leuten haben wir nichts zu thun. Stellen Sie uns Ihre Cameraden vor, Herr von Cesare, stellen Sie sie uns vor. Wenn sie Ihnen gleichen, so können sie unseres Wohlwollens im Voraus versichert sein. Und Sie, Chatillon, tragen Sie diese zehn Louisdor zu dem Bürger Brigadier Martin und wenn er sich dafür bei uns zu bedanken wünscht, so sagen Sie ihm, daß wir, meine Schwester und ich, uns unwohl fühlten.«
Der Graf von Chatillon und der Lieutenant Cesare entfernten sich, um die soeben empfangenen Befehle auszuführen.
Cesare war der Erste, der mit seinen Cameraden zurückkam, und dies war sehr einfach. Die jungen Leute hatten in ihrer Begier zu wissen, was die königlichen Prinzessinnen beschließen würden, im Vorzimmer gewartet.
Sie brauchten daher blos durch die Thür einzutreten, welche Cesare ihnen öffnete.
Madame Victoire, welche stets einen gewissen Hang zur Frömmigkeit gehabt, hatte ihr Gebetbuch ergriffen und las ihre Messe, welche sie nicht hatte hören können. Sie begnügte sich, einen flüchtigen Blick auf die jungen Männer zu werfen und eine beifällige Geberde zu machen.
Nicht so aber war es mit Madame Adelaide. Diese hielt eine förmliche Musterung.
Cesare stellte ihr eine Cameraden vor.
Es waren sämmtlich Corsen. Die Namen des Vorstellers und dreier von ihnen kennen wir schon: Francesco Bocchechiampe, Ugo Colonna und Antonio Guione. Die drei andern hießen: Raimondo Cortara, Lorenzo Durazzo und Stefano Pittaluga.
Wir bitten unsere Leser, uns diese Umständlichkeit zu verzeihen. Da jedoch die unerbittliche Geschichte uns zwingt, eine große Anzahl Leute von allen Nationen und aus allen Classen in unsere Erzählung einzuführen, so müssen wir bei denen, welche eine gewisse Bedeutung darin erlangen, etwas ausführlicher verweilen.
Wir sagen es noch einmal: es ist eine unermeßliche Epopöe, die wir hier schreiben und gleich dem Homer, dem König der epischen Dichter, sind wir genöthigt, unsere Soldaten aufzuzählen.
Eben so wie wir im Großen, folgte Cesare dem Beispiele des Verfassers der Iliade im Kleinen. Er nannte seine sechs Cameraden einen nach dem andern der Prinzessin Madame Adelaide her, diese aber hatte sich besonders gemerkt, was der junge Corse ihr von Bocchechiampe's adeliger Abkunft gesagt, und deshalb war es speciell dieser, an welchen sie sich wendete.
»Herr von Cesare hat mir gesagt, daß Sie ein Edelmann seien,« sagte sie zu ihm.
»Dann hat er mir zu viel Ehre erwiesen,« königliche Hoheit. Ich bin höchstens adelig.«
»Ah, dann machen Sie also einen Unterschied zwischen adelig und Edelmann, mein Herr?«
»Allerdings, Madame, und ich habe die Ehre, einer Kaste anzugehören, die auf ihre Rechte eben deshalb, weil dieselben verkannt werden, zu eifersüchtig ist, als daß ich mir deren anmaßen sollte, die mir nicht zukommen. Ich könnte meinen zweihundertjährigen Adel und meine Eigenschaft als Malteserritter beweisen, wenn es noch einen Malteserorden gäbe, aber ich würde in große Verlegenheit kommen, wenn ich meinen Adel bis auf 1399 zurückführen sollte, um dann in die Carrossen des Königs steigen zu dürfen.«
»Dennoch aber werden Sie in die unsere steigen, mein Herr,« sagte