ihre jungfräuliche Unschuld, selbst den Anzeichen derselben etwas Reizendes verlieh, das Alles an ihr liebenswürdig machte.
Wie gewöhnlich hatte sie nur eine halbe Erziehung bekommen; sie verstand ziemlich gut Französisch, sprach es jedoch unvollkommen. Dagegen konnte sie sehr fertig sticken, bunte Pantoffeln und Ruhekissen machen, mit Perlen stricken, Blumen in Papier ausschneiden, äußerst freundlich guten Tag sagen, sich neigen und verbeugen, sehr kunstreich tanzen und viele andere Liebhabereien mehr, die zu dem Bauernhause ihres Vaters paßten, wie, mit dem Sprichwort zu reden, ein Spitzenkragen zu dem Hals einer Kuh.
Von Kindheit an war Lisa dazu bestimmt worden, sich mit Karl, dem Sohn des Brauers, einem der schönsten jungen Männer weit und breit, zu verheirathen. Er war für einen Dorfbewohner sehr wohlhabend und recht gebildet, da er einige Jahre das Gymnasium zu Hoogstraten besucht hatte.
Das Studieren hatte ihn indessen wenig verändert; er liebte die zwanglose Freiheit des Landlebens, war fröhlich wie ein Vogel, trank und sang ehr- und tugendsam mit Jedermann, voller Lebenslust und benahm sich gegen jeden Bekannten als ein wackerer Freund und Kamerad.
Wegen des frühzeitigen Todes seines Vaters hatte er das Gymnasium verlassen, um seiner Mutter bei der Verwaltung der Brauerei behilflich zu sein und die gute Frau dankte täglich Gott, daß er ihr einen so braven Sohn zu ihrem Troste gelassen, denn einen fleißigeren und ordentlicheren Jüngling fand man wirklich nicht.
Nur in Lisas Gegenwart verlor Karl seine Unbefangenheit, und versank in poetisches unbestimmtes Träumen. Bei dem geliebten Mädchen sitzend, wurde er mit ihm zum Kinde, fand Vergnügen an dessen unbedeutenden Beschäftigungen und fügte sich mit frommem Gehorsam in ihre geringsten Wünsche; sie war so zart, so schwach, aber dabei auch so sehr schön, eine Braut. Auch behandelte er, der starke, muthige Jüngling das zierliche Wesen mit solcher Eifersucht, Nachgiebigkeit und ängstlicher Sorgfalt, als habe man ihm das Leben einer hinwelkenden Blume anvertraut.
Fünf oder sechs Monate lang hatte Baas Gansendonck nichts Böses darin gefunden, daß seine Tochter Karls Frau wurde. Sein Hochmuth ward allerdings nicht ganz dadurch befriedigt; da jedoch ein reicher Brauersohn, nach einer Meinung wenigstens kein Bauer war, hatte er ein längst gegebenes Wort nicht brechen wollen und sogar eingewilligt, daß man Alles für die bevorstehende Hochzeit anordne und bereit halte.
Die Angelegenheit der jungen Leute fand also ziemlich gut, – da starb der unverheirathete Bruder des Baas Gansendonck an einem hitzigen Fieber und hinterließ eine schöne Erbschaft, die bald nachher im Wirthshause zum heiligen Sebastian, in klingender Münze mit anderen Geldsäcken vereinigt wurde.
Peer Gansendonck theilte mit vielen anderen Leuten die Meinung, daß der Verstand, der Werth und die Vortrefflichkeit des Menschen allein nach dem Gelde, das er besaß, gemessen werden dürften, und obwohl er kein Englisch konnte, war er doch ganz von selbst auf den erhabenen englischen Gedanken gekommen, daß die Frage: »Wie viele Pfund Silber wiegt der Mann?« Alles abthut und unwiderleglich beantwortet, nach dem altvlämischen Volksreim:
Das Geld, das stumm ist,
Macht recht, was krumm ist,
Und klug, was dumm ist.
Es versteht sich von selbst, daß durch eine solche Lebensweisheit ein Hochmuth oder richtiger seine Verrücktheit noch größer geworden war als sein Vermögen. Er schätzte sich nun wenigstens gleich mit dem Herrn Baron im Dorf, denn er bildete sich ein, eben so viele Pfund zu wiegen wie der adelige Gutsbesitzer.
Seit diesem Tage nun rappelte es dem Baas Gansendonck noch mehr im Oberstübchen und er hielt sich für einen der ersten Männer im Lande. Oft träumte ihm die ganze Nacht, er sei von vornehmem Geschlecht, und selbst am Tage zogen ihm liebkosende Gedanken unaufhörlich durch Kopf. Um die Gegenprobe dieser eingebildeten Vortrefflichkeit zu machen, bemühte er sich zu Zeiten, herauszubringen welcher Unterschied zwischen ihm und einem Edelmanne sein möchte, aber fand wirklich keinen.
Sein Gewissen sagte ihm zwar dann und wann, er sei zu alt, um noch Französisch lernen oder seine Lebensweise gänzlich zu ändern und in höhere Kreise der Gesellschaft zu treten, indessen, wenn er das auch nicht mehr konnte, so sollte doch seine Tochter höher steigen und sich mit dem ersten besten Baron verheirathen. – Welche selige Gewißheit für Baas Gansendonck! Ehe er stürbe, würde er noch das Vergnügen haben, eine Lisa Frau Baronin nennen zu hören! Er selbst würde Großvater einiger Barönchen sein!
Deshalb nun fing die Liebe Karls des Brauers an, ihm gewaltig im Kopfe herumzugehen und er betrachtete in seinem Gemüthe den lustigen jungen Mann als ein Hinderniß für die Zukunft seiner Tochter. Bereits hatte er in Lisa‘s Gegenwart sich über Karl mit bissiger Geringschätzung geäußert und Dinge gesagt, welche das arme Kind so verletzten, daß es zum ersten Male in seinem Leben trotzig seinem Vater widersprach und dann wohl zwei Stunden lang bittere Thränen vergoß.
Um seine Tochter nicht zu betrüben gab er jeden direkten Angriff hinsichtlich der Liebe des Brauers auf, aber er beschloß die Hochzeit so lange zu verschieben, bis die Zeit Lisa die Binde von den Augen nähme und sie sich selbst überzeugte, Karl sei nur ein grober Bauer gleich allen Anderen.
II.
Deß Brod ich esse
Deß Lied ich singe
Auf dem Hofe der Wirthschaft zum heiligen Sebastian, waren die Dienstboten und Tagelöhner, bereits seit Tagesanbruch mit der gewöhnlichen Arbeit beschäftigt. Trees, die Kuhmagd stand am Brunnentrog und wusch Rüben für das Vieh; in der offenen Scheune hörte man das taktmäßige Niederschlagen der Dreschflegel; der Stallknecht fang ein rohes Lied und striegelte die Pferde.
Ein Mann allein wandelte sorglos auf und ab, rauchte seine Pfeife und blieb dann und wann stehen um der Arbeit der Anderen zuzuschauen. Er war auch wie ein Tagelöhner gekleidet, und trug eine Jacke und Holzschuh. Obwohl sein Gesicht in voller Ruhe träge Gleichgültigkeit beurkundete, blickte doch eine gewisse Schlauheit und Arglist aus seinen Augen. Uebrigens sah man deutlich an seinen glänzenden Wangen und seiner rothen Nase, daß er an einem fetten Tische saß und den Weg zum Keller kannte.
Die Kuhmagd ließ ihre Rüben stehen und ging nach der Scheune, wo die Drescher eben neue Garben spreiteten und die Gelegenheit benutzten zwischen der Arbeit ein Bisschen zu plaudern. Der Mann mit einer Pfeife war dabei.
– »Kobe, Kobe!« – rief die Kuhmagd ihm zu – »Ihr habt den rechten Brief gefunden. Wir plagen uns zu Tode vom Morgen bis zum Abend und bekommen statt des Lohns Schelte an den Kopf. Ihr habt den Wind von hinten; Ihr geht spazieren, raucht Euer Pfeifchen, seid der Freund des Baas, bekommt die fettesten Bissen. Ihr müßt sagen, daß Euer Brod in den Honig fallen ist, das Sprichwort hat Recht: Menschen äffen ist nur eine Gewohnheit.«
Kobe lachte schelmisch und antwortete:
–»Haben ist haben und Bekommen ist die Kunst; das Glück fliegt, der es fängt, der hat es.«
– »Schmeicheln ist Heucheln und Fuchsschwänzen ist scherwenzen«, murrte einer der Tagelöhner bissig.—
– »Worte sind keine Messer«, – lachte Kobe. »Jeder ist auf der Welt um dem Sohn eines Vaters Gutes zu thun und wer was findet, hebe es auf.«
– »Ich würde mich schämen« – rief der erzürnte Arbeiter – es ist keine Kunst aus fremdem Leder Riemen schneiden, und ein Ferkel wird auch gemästet ohne daß es arbeitet.
– »Dem einen Hund thuts Leid daß der Andere in die Küche geht,« – spottete Kobe. – »Ungleiche Schüsseln machen böse Brüder, aber besser Neider als Mitleider. Und da der Mensch auf dieser Welt doch einmal sitzen muß, setze ich mich lieber auf Kissen als auf Dornen.«
– »Schweig, Schmarotzer, und bedenke daß es unser Schweiß ist von dem Du so fett wirst.«
– »Titje, Titje, warum so verbissen auf mich? Du kannst nicht vertragen daß die Sonne auf meinen Teich scheint. Kennst Du denn das Sprichwort nicht: er gegen einen Andern hat Neid, zerfrißt sein Herz und verspillt sein Zeit? – Wenn ich etwas weniger bekäme, bekämst Du darum mehr? Bin ich hochmüthig? Thu' ich Böses? Im Gegentheil, ich steck' es Euch, wann der Baas kommt und schieb