und die andere Lucius darbot.
II
Am folgenden Tage, nachdem sich dem jungen Römer die Pforte von Amykles' Hause geöffnet hatte, saßen Lucius, Akte und ihr Vater im Triklinium, wo das Mahl bereitet war, um einen Tisch und wollten eben durch die Würfel entscheiden, wer der König des Festes sein sollte. Der Greis und das Mädchen hatten dem Gaste die Ehre angeboten, aber der Fremde wies den Kranz zurück, sei es, daß ihn eine Regung von Aberglauben oder von Ehrerbietung dazu bestimmte. Die Würfel wurden herbeigebracht und der Becher zuerst dem Amykles gereicht, der den Wurf des Herkules tat. Dann kam die Reihe an Akte, sie traf den Wurf des Wagens. Endlich ging der Becher in die Hände des jungen Mannes über, er ergriff ihn mit sichtbarer Ungeduld, schüttelte ihn lange, warf dann, zitternd vor Erregung, die Würfel auf den Tisch und stieß einen Freudeschrei aus, als er das Ergebnis sah. Ihm war der Wurf der Venus gelungen, der alle anderen übertraf.
Sieh her, Sporus, rief er in lateinischer Sprache, die Götter sind wirklich mit uns, Jupiter vergißt nicht, daß er das Haupt meines Hauses ist. Der Wurf des Herkules, des Wagens und der Venus! Kann man sich eine glücklichere Zusammenstellung denken für einen Mann, der um den Preis im Wettkampf, beim Wagenrennen und im Gesang ringen will; am Ende ist mir für den letzteren ein doppelter Sieg verheißen!
Du bist an einem glücklichen Tage geboren, antwortete der Jüngling, und die Sonne hat dich berührt, ehe du die Erde berührtest. Dieses Mal wie immer wirst du deine Gegner besiegen.
Ach, antwortete seufzend der Greis, indem er sich der Sprache des Fremden bediente, es gab eine Zeit, wo Griechenland dir ebenbürtige Gegner zum Kampf gestellt hätte. Aber es ist lange her, seit Milon von Kroton sechsmal bei den pythischen Spielen gekrönt wurde und der Athener Alkibiades sieben Wagen zu den olympischen Spielen sandte und viermal den Preis davontrug. Mit seiner Freiheit hat Griechenland auch seine Kunst und seine Kraft verloren, und seit Cicero schickt Rom seine Söhne, um uns die Siegespalmen zu entreißen. Möge Jupiter dich beschützen, dessen Stammes du dich rühmst, junger Mann! Nach der Ehre, einen meiner Mitbürger den Sieg davontragen zu sehen, kenne ich keine größere Freude, als wenn das Schicksal meinen Gast begünstigt. So trage denn die Blütenkrone, bis der Lorbeer dich schmückt!
Akte ging hinaus und kam sogleich mit den Kränzen zurück. Myrte und Safran bot sie dem Lucius, ihrem Vater einen Efeukranz, sich selbst setzte sie Lilien und Rosen aufs Haupt. Ein junger Sklave brachte noch größere Kränze, die sich die Tafelnden um den Hals legten. Dann ließ sich Akte auf der rechten Seite nieder, während Lucius den Ehrenplatz einnahm. Der Greis stand zwischen beiden, brachte den Göttern ein Dankopfer dar und sprach ein Gebet. Nun legte er sich ebenfalls nieder und sagte zu dem jungen Römer: Du siehst, mein Sohn, daß wir der Vorschrift der Dichter folgen: sie sagen, die Zahl der Gäste soll nie kleiner sein als die der Grazien und nie größer als die der Musen. Sklaven, bringet das erste Gericht!
Eine reichverzierte Schüssel wurde aufgetragen. Die Diener standen bereit, dem leisesten Wink zu gehorchen. Sporus legte sich seinem Herrn zu Füßen und bot ihm seine langen, weichen Haare zum Abwischen der Hände. Der Aufschneider begann seines Amtes zu walten. Als der zweite Gang aufgetragen wurde und der Appetit der Gäste einigermaßen befriedigt war, richtete der Greis seine Blicke auf Lucius und betrachtete mit dem Ausdruck des Wohlwollens das schöne Gesicht, dem das blonde Haar und der goldfarbene Bart ein fremdartiges Aussehen verliehen.
Du kommst von Rom? begann er dann.
Ja, mein Vater, antwortete der junge Mann.
Geradesweges?
Ich habe mich in Ostia eingeschifft.
Wachten die Götter immer gnädig über dem göttlichen Kaiser und seiner Mutter?
Immer.
Bereitet der Kaiser einen Kriegszug vor?
Kein Volk hat sich augenblicklich wider ihn erhoben. Der Kaiser ist der Herr der Welt und hat ihr den Frieden gegeben, der die Künste erblühen läßt. Er hat den Tempel des Janus geschlossen und zur Leier gegriffen, um die Götter zu Preisen.
Und fürchtet er nicht, daß andere regieren, während er singt?
O! rief Lucius mit zusammengezogenen Brauen, sagt man in Griechenland auch, daß der Cäsar noch ein Kind sei?
Nein, aber man fürchtet, daß er lange Zeit braucht, ein Mann zu werden.
Ich glaubte, daß er beim Begräbnis des Britannikus die Mannestoga angelegt habe?
Britannikus war schon lange vorher von Agrippina zum Tode verurteilt.
Ja, aber der Cäsar hat ihn getötet, dafür stehe ich euch; nicht wahr, Sporus?
Der Jüngling erhob das Haupt und lächelte.
Wie, er hat seinen Bruder ermordet? rief Akte angstvoll.
Er hat vollbracht, was seine Mutter wollte. Wenn du es nicht weißt, Mädchen, so frage deinen Vater, der in diesen Dingen so bewandert scheint, und vernimm, daß Messalina einen Soldaten absandte, der Nero in seiner Wiege umbringen sollte. Als er eben zu dem tödlichen Streich ausholte, fuhren zwei Schlangen aus dem Bett des Knaben empor und schreckten den Centurio in die Flucht. Nein, mein Vater, Nero ist keine Bestie wie Claudius, oder ein Narr wie Kaligula, oder ein Feigling wie Tiberius oder ein Komödiant wie Augustus.
Mein Sohn, sagte der Greis erschreckt, Hab' acht, daß du die Götter nicht beleidigst.
Reizende Götter, beim Herkules! rief Lucius aus, die sich von den anderen Menschen nur dadurch unterscheiden, daß sie ihre Laster und Jämmerlichkeiten in hervorragendem Maße besitzen.
Einige Augenblicke herrschte tiefe Stille nach diesen gotteslästerlichen Worten. Amykles und Akte sahen ihren Gast verwundert an. Noch war die unterbrochene Unterhaltung nicht wieder in Gang gekommen, als ein Sklave eintrat, der meldete, ein Bote des Prokonsuls Cnejus Lentulus harre draußen. Der Greis fragte, ob der Bote an ihn oder an seinen Gast gesandt sei. Der Sklave wußte darüber keinen Bescheid und führte den Liktor herein.
Er kam des Fremden wegen. Der Prokonsul hatte von der Ankunft eines Schiffes im Hafen gehört und erfahren, daß der Herr desselben sich um die Preise bewerben wolle. Nun ließ er ihm sagen, er möge in den Regierungspalast kommen, seinen Namen in die Liste der Teilnehmer einzeichnen und erklären, nach welchem der drei Preise er strebe. Der Greis und Akte hatten sich erhoben, um den Befehl des Prokonsuls zu vernehmen, Lucius hörte ihn an, ohne seine bequeme Lage zu verändern. Als der Liktor geendet hatte, zog Lucius aus seiner Brusttasche mit Wachs überzogene Elfenbeintäfelchen, schrieb auf eines derselben einige Zeilen mit einem Stift, drückte den Stein seines Ringes darauf und übergab die Antwort dem Liktor mit dem Befehl, sie Lentulus zu bringen. Dieser war darüber erstaunt und zögerte einen Augenblick. Da entließ ihn Lucius mit einer gebieterischen Handbewegung; der Soldat verbeugte sich und ging. Dann klatschte Lucius in die Hände, um seinen Sklaven herbeizurufen, reichte ihm seinen Becher, den der Mundschenk füllte, trank auf das Wohl des Wirtes und seiner Tochter und überließ Sporus den Rest.
Junger Mann, unterbrach der Greis die Stille, du nennst dich Römer, doch kann ich kaum daran glauben. Wenn du in der Kaiserstadt gelebt hättest, würdest du besser gelernt haben, den Befehlen der kaiserlichen Stellvertreter zu gehorchen. Der Prokonsul ist hier unumschränkter Herr und steht in demselben Ansehen wie Claudius Nero in Rom.
Hast du vergessen, daß die Götter mich zu Beginn des Festes für den Augenblick dem Kaiser gleichgestellt haben, indem sie mich zum König erwählten? Hast du je gesehen, daß ein König von seinem Thron herabstieg, um den Befehlen eines Prokonsuls nachzukommen?
So hast du dich geweigert? fragte Akte erschreckt.
Nein, aber ich habe Lentulus geschrieben, daß er sich herbemühen möge, wenn es ihn gelüste, meinen Namen zu erfahren und die Absicht, welche mich nach Korinth geführt hat.
Und glaubst du, daß er kommen wird? rief der Greis.
Ohne Zweifel, antwortete Lucius.
Hierher in mein Haus?
Hörst du? sagte Lucius.
Was denn?
Er ist hier und klopft an die Türe. Ich kenne das Geräusch der Liktorenbündel.