Александр Дюма

Elim


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dahin und lehnte sich zuweilen so weit seitwärts auf die Wellen, daß die Spitze des Segels ins Wasser tauchte. Die Ruderer arbeiteten rüstig, aber meistens bewegten sich die Ruder außerhalb des Wassers.

      »Herr Lieutenant,« sagte der Mann von neuem mit dumpfer Stimme und sich die Stirn mit dem Aermel abwischend, »es ist nur noch Einer.«

      »Wir wollen diesen wenigstens zu retten suchen,« sagte der Lieutenant, indem er wieder das Zeichen des Kreuzes machte.

      Dann richtete er sich auf, schwenkte sein Schnupftuch und rief dem Schiffbrüchigen in englischer Sprache zu:

      »Nur Muth , Freund, haltet Euch fest – wir kommen.«

      Aber kaum hatte er diese letzten Worte gesprochen, so kam das inzwischen von einer Welle verschlungene Brett ohne den Schiffbrüchigen wieder zum Vorschein.

      »O der Unglückliche!« rief der Lieutenant mit Verzweiflung; »er hat nicht die Kraft gehabt uns zu erwarten. Noch zwei Ruderschläge und wir hätten ihn erreicht.«

      »Hast Du gesehen, Jurko, wie er die Augen aufriß?« sagte einer der Ruderer leise zu seinem Cameraden.

      »Ja,« antwortete dieser; »und wie er die Fäuste ballte.«

      »Der Lieutenant hat vergessen für diesen ein Kreuz – zu schlagen,« sagte ein Dritter.

      »Er ist im Stande, ihn an den Füßen zu ziehen, um ihn daran zu erinnern,« sagte Jurko lachend.

      »Mit den Lebenden magst Du scherzen, so viel Du willst, Jurko,« sagte der Mann am Steuer ernst verweisend, »aber nicht mit den Todten. Dies bringt Unglück!«

      »Es war nicht möglich, Andern das Leben zu retten,« sagte der Lieutenant mit lauter Stimme, die nicht nur das Geflüster der Matrosen übertönte, sondern auch trotz dem Heulen des Windes und dem Toben der Wellen deutlich zu verstehen war. »Wir müssen jetzt an unser eigenes Leben denken.«

      Der junge Offizier überzeugte sich auf den ersten Blick, daß es ihm unmöglich war, gegen den Wind und die gewaltigen Wogen zu steuern, er konnte nicht zur Flotte zurückkehren. Er sah keinen andern Ausweg, als vor dem Winde zu treiben und ans Land zu gehen, daselbst zu übernachten und einen Wechsel des Windes abzuwarten, um mit der Schaluppe auf den »Wladimir« loszusteuern.

      Wenn er den Versuch machte, links von der Stadt zu landen, so hatte er den günstigsten Wind, und das leichte Fahrzeug konnte schnell die Küste erreichen. Das Land, dem ihn der Sturm zutrieb, war freilich Feindesland, und wenn er erkannt wurde, hatte er den Tod oder wenigstens Gefangenschaft zu erwarten.

      Elim hatte am Steuer den Platz des alten Matrosen eingenommen. Drei Mann schöpften das unaufhörlich in das Boot dringende Wasser aus, die beiden andern hielten sich aus jedes Ereigniß gefaßt. Die Schaluppe hatte eine so schiefe Stellung, daß einer der beiden Matrosen mit einem Messer in der Hand den Befehl des Offiziers erwartete, das Tauwerk, welches das Segel gespannt hielt, zu zerhauen.

      Elim war indeß so ruhig, daß die Matrosen, wittert sie nicht selbst erfahren genug gewesen die Lage zu würdigen, ganz unbesorgt hätten sein können.

      Es wurde völlig Nacht; aber bei dem letzten Tageslicht hatte man an einem breiten, vor dem Strande sich ausbreitenden Schaumstreifen sehen können, daß die Küste durch eine weit ausgedehnte, starke Brandung vertheidigt war.

      Der Wind trieb das kleine Fahrzeug gerade gegen diese noch in der Dunkelheit sichtbare Brandung. Die über das Meer getriebene Schaluppe hätte die Flügel des Vogels, dessen Namen sie führte, haben müssen, um über diesen furchtbar tobenden Schaumwall hinwegzugleiten.

      »Alles herunter!« rief Elim den beiden harrenden Matrosen zu.

      Der eine Matrose ließ das Tauwerk nach; aber der Wind war so heftig, daß er es 'ihm aus den Händen riß und das losgelassene Segel so heftig hin- und herschlug, daß die Schaluppe erzitterte und ihr Vordertheil, durch das Gewicht des Segels fortgezogen, ins Meer tauchte. Doch wie ein feuriger Renner, der in eine zu tiefe Furt gerathen ist, hob sie den Kopf aus dem Wasser. Eine Wiederholung dieser gefährlichen Bewegung mußte freilich den Untergang des Schiffleins zur Folge haben.

      Elim verlor keine Zeit mit Befehlen; er bückte sich rasch, ergriff eine Axt und in dem Augeublicke, wo der kleine Mast wie ein Schilfrohr gebogen wurde, hieb er mit der vollen Kraft seines Armes darauf ein. Man hörte ein lange anhaltendes Krachen und der Mast fiel mit dem Segel um.

      »Alles über Bord!« rief Elim, indem er seinen Platz ein Steuer wieder einnahm.

      Die Matrosen, welche die Nothwendigkeit einsahen, die Schalupppe von dieser unnützen Last zu befreien, warfen sich auf den fast ganz abgebrochenen Mast und in fünf Minuten war derselbe samt dem Segel über Bord geworfen.

      Inzwischen war man der Brandung so nahe gekommen, daß man weder rechts noch links manövriren konnte. Zum Glück ragte die Klippe, auf welche die Schaluppe von den Wellen getrieben wurde, nicht aus dem Wasser hervor und Elim hoffte darüber hinwegfahren zu können.

      »Alle zurück!« rief er, als die Schaluppe dem Felsen nahe war.

      Die Matrosen vollzogen rasch den Befehl; die vordere Hälfte des Bootes hob sich aus dem Wasser, wie ein athemschöpfender Pottfisch und statt des Vordertheils stieß das Hintertheil auf die Klippe.

      Das Boot ward zertrümmert, aber die Seeleute und ihr junger Commandant wurden vorwärts geschleudert und befanden sich in einem Wasserbecken, welches von den an den Klippen gebrochenen Wellen nicht erreicht wurde und daher im Vergleich mit der offenen See ziemlich ruhig war.

      »Nur Muth, Kinder – und gerade auf die Küste zu!« rief der junge Offizier seinen Leuten zu. »Wenn Einer von Euch etwa nicht schwimmen kann oder ermüdet ist, so lehne er sich an meine Schultern.«

      Aber seine Stimme verlor sich mitten im Sturm; die Wogen wälzten sich über die Brandung hinweg und verfolgten die Schwimmer, als ob sie erzürnt gewesen wären, daß ihnen die Beute entgehen wollte.

      Doch die Schwimmer fühlten bald festen Boden unter ihren Füßen. Elim hielt an, um zu sehen, ob keiner seiner Leute zurückgeblieben sei. Die fünf Matrosen waren bei ihm.

      »Wahrhaftig,« sagte der alte Seemann, »ich glaubte, daß uns das vergessene Zeichen des Kreuzes Unglück bringen würde. Folgen Sie meinem Rath, Herr Lieutenant, machen Sie das Versäumte wieder gut und schlagen Sie jetzt zweimal das Kreuz.

      »Einen Augenblick,« sagte Jurko, »schien es mir, als ob mich der verwünschte Ertrunkene an den Füßen zöge. Ich habe ihm auch einen tüchtigen Fußtritt gegeben.«

      »Willst Du wissen, Jurko , wo dein Fußtritt ist?« fragte ein Matrose, indem er sein blau unterlaufenes Auge zeigte. »Da sieh nur.«

      »Du hast mich also bei den Füßen gezogen ?« fragte Jurko.

      »Nun ja; wenn man tief unten im Meere ist und einen Purzelbaum gemacht hat, wie wir, so greift man was man kann.«

      Während die sechs Leidensgefährten mit der den Matrosen aller Nationen eigenen Sorglosigkeit über die eben bestandenen Gefahren scherzten, erreichten sie die Deiche.

      Die See tobte unter ihnen, aber sie wurden nur noch vom Schaum bespritzt, die Wellen konnten sie nicht mehr erreichen.

      »Da sind wir also glücklich aus dem Wasser,« sagte einer der Matrosen; »das ist recht schön, aber wir werden hier erfrieren.«

      »Warte nur bis die Kosakensonne1 aufgeht,« erwiederte Jurko, »dann kannst Du Dich an ihren Strahlen trocknen.«

      »Brrr!« sagte ein Anderer, sich schüttelnd, »ich möchte eine Pfeife rauchen.«

      »Schade daß Dir das nicht früher eingefallen ist,« sagte der Matrose mit dem blauen Auge; »Du hättest deine Pfeife anzünden können an den sechsunddreißig Kerzen, die ich gesehen habe, als mir Jurko auf meine Laterne trat.«

      Aber die armen Teufel vermochten die Kälte nicht hinwegzuscherzen, sie standen schlotternd im Winde. Selbst Elim vermochte trotz seines Muthes und seiner kräftigen Jugend der Kälte nicht zu widerstehen.

      »Stehet auf, Kinder,« sagte er zu zwei Matrosen, die sich