Александр Дюма

Elim


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Was befehlen Sie?« sagten die Matrosen, sich schüttelnd.

      »Vor Allem müssen wir ein Obdach suchen, wo wir übernachten können. Vielleicht finden wir brave Leute, die uns nicht verrathen, und morgen Früh können wir in einem Fischerboote zum »Wladimir« zurückkehren.«

      Der muthige junge Offizier suchte seinen Matrosen eine Hoffnung zu machen, die er selbst nicht hatte, »Aber wir müssen bei einander bleiben,« setzte er hinzu. »Folget mir und sprechet leise. Bedenkt, daß Ihr russisch sprechet und daß wir in Holland sind.«

      »O, ich kann holländisch,« sagte Jurko.

      »Wie, Du sprichst holländisch ?« fragte Elim erstaunt.

      »Wo in aller Welt hast Du es gelernt?«

      »Ich bin ja Süßwassermatrose gewesen, ehe ich Seemann wurde.«

      »Aber was hat ein Süßwassermatrose mit den Holländern zu thun?«

      »In Casan habe ich tartarisch gelernt.«

      »Und mit Holländern willst Du tartarisch sprechen?«

      »Reden denn nicht alle Heiden die gleiche Sprache?«

      Der junge Schiffslieutenant lachte, trotz der bedenklichen Frage über die Universalsprache, welche nach der naiven Lebensansicht des Matrosen von allen Völkern gesprochen wurde, denen nicht das Glück zu Theil geworden, sich zur griechischen Kirche zu bekennen.

      Etwa zehn Minuten gingen die Matrosen, von Elim geführt, auf einem schmalen Fußpfade fort. Es war so finster, daß sie keine zehn Schritte weit sehen konnten. Von Zeit zu Zeit stand der junge Offizier still und lauschte, aber er hörte nichts als das Heulen des Windes und das Brausen der Wellen.

      Endlich nachdem die Wanderer etwa eine halbe Stunde gegangen waren, hörten sie ein Getöse, welches, als sie näher kamen, sogar lauter wurde als das Brausen des Meeres. Es mußte ein reißender Strom sein, und bald erblickten sie vor sich eine dunkle Masse.

      Es war eine Mühle.

      Halt!« sagte Elim.

      »Warum denn Halt, Herr Lieutenant?« fragte ein Matrose.

      »Weil Franzosen in der Mühle sein können.

      »Und wenn der Teufel darin wäre, so weiß ich keinen bessern Rath, als hineinzugehen.«

      »Wenn Franzosen darin sind, wird uns schon warm werden,« meinte der Matrose mit dem blauen Auge.

      »Warm!« erwiederte Jurko , »das wäre mir eben recht, denn ich bin fast erstarrt.«

      »Und ich habe einen wüthenden Hunger,« sagte ein Anderer; »ich wäre im Stande in das Mühlrad zu beißen.«

      »Saget eure Meinung, Kinder,« setzte Elim hinzu; »denn in unserer Lage gibt es keinen Vorgesetzten und keine Untergebenen mehr, wir sind Leidensgefährten.«

      Die Matrosen beriethen sich.

      »Herr Lieutenant,« sagte Jurko nach einer kleinen Weile, »wir Alle sind der Meinung, daß wir lieber alles Andere erdulden, als verhungern und erfrieren wollen.«

      »Und wenn die Franzosen in der Mühle sind?«

      »Nun, dann müssen wir uns mit ihnen verständigen; fressen werden sie uns nicht. Das Schlimmste was uns geschehen kann, ist Gefangenschaft.«

      »Allerdings; aber es wäre noch besser, ein gutes Nachtessen einzunehmen und gut einzuschlafen und morgen an Bord des »Wladimir« zurückzukehren.

      Jurko schüttelte den Kopf.

      »Das wäre freilich noch besser,« erwiederte er, »aber ich glaube, Herr Lieutenant, daß Sie auf einmal zu viel verlangen.«

      »Wer weiß?« sagte der junge Offizier. »Diese Mühle muß ziemlich weit von der Stadt entfernt sein, und der Müller muß uns gutwillig oder gezwungen verbergen, und wenn der Tag anbricht, wird sich finden was zu thun ist. Bewaffnet Euch mit den ersten besten Dingen, die Euch in die Hände fallen; ich habe meinen Dolch. Wir wollen leise eintreten.«

      Die Matrosen brachen Stöcke aus einem Zaun. Jurko, der keinen Stock nach seinem Gefallen fand, nahm in jede Hand einen Stein.

      Die Hofthür war von innen nur durch einen hölzernen Riegel geschlossen, und dieser gab bei dem ersten Druck nach.

      Die Wanderer waren im Hofe. Elim suchte die Hausthür und fand sie bald.

      Die nicht verschlossene Thür führte in einen dunklen Gang, aber ein Lichtstrahl drang durch eine Thürspalte.

      Der junge Offizier ging auf den Lichtschimmer zu und öffnete entschlossen die Thür.

      Er stand auf der Schwelle einer hellerleuchteten Küche. Auf einem großen Herde brannte ein lustiges Feuer, vor welchem eine am Spieß steckende Gans einen gar appetitlichen Duft verbreitete.

      In dieser Küche herrschte echt holländische Sauberkeit. An den Wänden war spiegelblankes Kupfergeschirr und schneeweißes Porzellan auf Gesimsen aufgestellt, und in der Mitte dieses hellglänzenden Sonnensystems stand, rund wie die Erde, ein gedeckter Tisch.

      Zwischen den Tellern und Gläsern standen zwei große Krüge, und der auf denselben sichtbare weiße Schaum zeigte an, daß das darin befindliche Bier eben erst eingeschenkt war.

      Es war in der That ein freudiger Anblick für die bis auf die Haut durchnäßten, hungernden und vor Kälte schlotternden Seeleute. Sie fanden ein Feuer, an welchem sie sich trocknen und wärmen konnten, Speise und Trank, um ihren Hunger und Durst zu stillen.

      Aber zum größten Erstaunen der sechs Seeleute war Niemand in der Küche; nur an der Thür lag ein Hund, der aber weder bellte noch sich rührte.

      »Das ist ja das gelobte Land, in welches uns Gott nach überstandenen Drangsalen geführt,« sagte Jurko. »Die Hunde scheinen hier nicht einmal Nachtdienst zu haben.«

      Elim öffnete eine Seitenthür und blieb sprachlos vor Erstaunen auf der Schwelle stehen. Auf einem Bett lag eine weibliche Gestalt mit verstopftem Munde und gebundenen Händen.

      Er wandte sich zu den Matrosen, die ihm auf den Fußspitzen nachgeschlichen waren.

      »Was bedeutet das?« fragte er.

      »Sie hat wahrscheinlich zu viel geplaudert,« meinte Jurko.

      »Und da liegt ein Mann,« sagte der Matrose mit dem blauen Auge, indem er über einen regungslosen Körper stolperte.

      »Wahrhaftig, das ist der Müller,« sagte Jurko, der sich bückte, um besser zu sehen. »Ein hübscher Mann, und gesund wie ein Fisch.«

      Der Müller ächzte; er konnte nicht sprechen, denn er war geknebelt wie seine Frau.

      Unterdessen lauschte Elim an einer andern Seitenthür.

      »Still!« sagte er, seinen Gefährten mit der Hand winkend.

      Man hörte verworrene Stimmen, Klagetöne, Drohungen, Flüche.

      Elim unterschied einige theils deutsche theils französische Wörter.

      Was er verstand, schien seine Gegenwart nothwendig zu machen, denn er versuchte die Thür zu öffnen, und da er sie verschlossen fand, rüttelte er sie mit aller Gewalt. Aber die Thür gab nicht nach.

      »Ouvrez!« rief er in französischer Sprache und wiederholte die Aufforderung sogleich deutsch: »Machen Sie auf!«

      »Warum?« antwortete eine Stimme französisch.

      »Machen Sie auf, und Sie werden es erfahren!« rief Elim durch die Thür.

      »Geh zum Teufel! laß uns in Ruß!« antwortete eine Stimme, und das Schreien und Lärmen fing stärker als zuvor wieder an.

      »Wollen Sie erlauben, Herr Lieutenant?« sagte Jurko, der seine beiden Steine noch trug.

      Elim trat von der Thür zurück.

      Jurko legte den einen Stein nieder, hob den andern mit beiden Händen hoch auf und schleuderte ihn mit aller Gewalt gegen die Thür, daß diese zerschmettert wurde.

      Ein unerwarteter Anblick bot sich den Blicken der Seeleute dar.

      Vier