Александр Дюма

Gabriele


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der Graf heftig.

      »Er kennt – die Mutter – dieses jungen Mädchens,« fügte die Marquise leise hinzu, er ist es, der diese Heirath . . .«

      Der Graf schien durch eine Bewegung andeuten zu wollen, daß diese Erklärung seine alte Freundin hinreichend gerechtfertigt habe, doch diese Bewegung verlor sich in einer des Erstaunens und der Ungeduld, indem er denselben Unbekannten einen jungen Mann anreden sah, der so eben von einer alten Nonne geleitet, über den Hof kam und dem ihn anredenden Alten freundschaftlich die Hand schüttelte; und dieser junge Mann war Niemand anders, als der junge Herzog Yves von Mauléon, der in den Salon eintrat, den Grafen begrüßte, ehrfurchtsvoll die Hand seiner Großmutter küßte und dann, ohne ein Wort zu reden, stehen blieb.

      Yves von Mauléon war sechsundzwanzig Jahre alt, hatte eine sehr edle Gestalt, ein sehr schönes Gesicht, alle seine Bewegungen hatten eine Feinheit und würdevolle Anmuth, die man jetzt nur noch selten findet, und die in Folge der jetzigen politischen Verhältnisse bald ganz verschwinden wird. Seine ganze Erscheinung war von der Art, daß man seinen Rang errathen haben würde, wenn auch sein Anzug der des ärmsten Bettlers gewesen wäre; der Ausdruck seines Gesichts athmete, so zu sagen, eine Selbstachtung, welche die Ehrfurcht Anderer hervorrief. Seine schöbe Stimme und reine sanfte Aussprache zeugten von edeln Gewohnheiten und einer vornehmen, sorgfältigen Erziehung, sein ganzes Wesen zeigte mit Kraft gepaarte Würde, und man fühlte sich eben so geneigt, ihn zu fürchten, als ihn zu lieben. Seine hohe schöne Stirn schien der Sitz des Verstandes zu sein, seine Augen waren blau und sanft, sein Haar hell-kastanienbraun – zuweilen spielte ein verachtender Zug um seine Lippen, aber nichts war anmuthiger und hinreißender, als sein Lächeln, welches jedoch nur selten den Ausdruck des Stolzes – Erbtheil seiner Familie, verdrängte.

      In diesem Augenblicke zeigte er sich ernst und ruhig, keine seiner Mienen verrieth irgend eine Bewegung, aber starke Seelen verbergen oft die heftigsten Empfindungen unter dem Anschein von Gleichgültigkeit.

      »Nun, mein Lieber!« sagte die Marquis« nach einigen Minuten des Schweigens, mit einem neugierigen Blicke, der sein Innerstes durchdringen zu wollen schien.

      »Hier bin ich, meine Mutter!« diese einzigen Worte erwiderte er langsam, mit einem sanften und trüben Lächeln; worauf er, als hätten diese Worte Alles beantwortet, auf's Neue in sein voriges Schweigen' versank.

      Der Salon, in dem sie waren, hatte die ganze Tiefe des Hauses, mithin zwei Fenster und eine Thür nach dem Hofe zu, und diesen gegenüber ebenfalls zwei Fenster und eine Thür, die nach dem, Garten führte, oder vielmehr nach einem großen mit Bäumen bepflanzten und der Erholung der Pensionairinnen gewidmeten Hofe.

      In diesem Augenblicke kamen die jungen Mädchen vom Mittagsessen und ihre fröhlichen Ausrufungen kündigten die Stunde der Freiheit an; die Spiele begannen, sie entschädigten sich für das Schweigen im Refectorium durch allgemeines und lebhaftes Geschwätz und Gelächter, und der junge Mann sowohl, als seine beiden ehrwürdigen Begleiter schenkten diesen Scenen, die in ihnen Erinnerungen an wohl bekannte Freuden weckten, Blicke der Theilnahme und des Wohlwollens. Aber noch hatten sie nicht dazu kommen können, einander ihre Betrachtungen mitzutheilen, als die nach dem Garten führende Thür unter lautem Gelächter heftig geöffnet wurde und in derselben ein junges schönes Mädchen erschien, mit lebhaften, von der gehabten Bewegung erhöhten Farben, schwarzem Haar und heiteren, fast noch kindlichen Gesichtszügen, während ihre Gestalt die einer völlig erwachsenen Jungfrau war. Sie zog unter fortwährendem lautem Lachen ein zweites, zartes, blondes, furchtsames und bleiches Wesen nach sich, die ungern dem Willen ihrer lebhaften und unbesonnenen Gefährtin sich zu fügen schien.

      »Nun!« rief die Erste, »meine Wette ist gewonnen!« und erröthend bis unter die Locken und über ihre Dreistigkeit zitternd, drehte sie sich lebhaft, um in den Garten zu fliehen, als ein Schrei der Ueberraschung und des Schreckens zu gleicher Zeit den Lippen des blassen jungen Mädchens und denen des jungen Mauléon entfuhr.

      »Was ist Dir denn, Elénore?« rief die dreiste Brünette; und indem sie die schüchterne, unbeweglich dastehende Freundin in ihre Arme nahm, trug sie dieselbe mitten in eine Gruppe von Pensionairinnen zurück, deren etwa dreißig erschreckt und aufmerksam in der Nähe der Thür stehen geblieben waren, die eine von ihnen hinter den beiden Wettläuferinnen geschlossen hatte.

      Dieses Alles war so schnell, so unerwartet geschehen, daß die Ueberraschung dem jungen Manne den Ausruf entrissen hatte; die Anderen, zu beschäftigt mit dem, was sie sahen, hatten denselben nicht einmal vernommen und konnten ihn folglich nicht um die Veranlassung und Bedeutung desselben befragen.

      »Das sind sehr lärmende und unbesonnene Mädchen,« bemerkte die Marquise.

      »Ja – aber schön sind sie – alle Beide,««widerte der Graf.

      Niemals übten Nebenumstände Einfluß auf sein Urtheil aus – er sah die Sachen immer genau so, wie sie waren, und fügte daher hinzu: »Die Brünette scheint mir von einer bewunderungswürdigen Schönheit und ich erinnere mich kaum, so frische, rosige Wangen bei einer Haut von so reinem Weiß gesehen zu haben, und welche Heiterkeit und Lebhaftigkeit in diesen strahlenden Augen!«

      »Ei!« entgegnete die Marquise lachend, »erinnere ich mich doch kaum, Sie, mein lieber Graf, so entschieden einen Gegenstand bewundern gesehen zu haben; mir hingegen gefällt die Blondine besser: sie ist furchtsam und schüchtern, und wurde wider ihren Willen von der Andern mit fortgerissen; übrigens hat sie die zarten und feinen Formen und den Anstand der höheren Stände. – Was sagt Yves dazu? er muß über solche Sachen besser urtheilen können als wir, mein alter Freund.«

      Das Gesicht des jungen Mannes war vollkommen kalt und ruhig, obgleich ein wenig bleicher als vor dem Eintritt des jungen Mädchens.

      Aber er behielt keine Zeit zu antworten, denn die Priorin des Klosters trat ein und sagte:

      »Verzeihen Sie, Frau Marquise, daß ich nicht hier war, um die Ehre zu haben, Sie bei Ihrem Eintritt zu empfangen; verzeihen Sie auch die Unschicklichkeit zweier Pensionairinnen, die Sie gestört und sich auf die lächerlichste Weise hier eingeführt haben; ich habe sie aus einem Fenster des oberen Stockwerkes, wo ich durch den Besuch einer unserer Schülerinnen, welche wiederzusehen ich sehr erfreut war, zurückgehalten wurde, gesehen und fürchte, daß diese beiden jungen Mädchen in Ihnen eine sehr unvorteilhafte Vorstellung von der Erziehung, die man in diesem Hause erhält, erweckt haben werden – doch bin ich es der Wahrheit schuldig, dieses Vorurtheil zu widerlegen. Nur eine von diesen beiden jungen Damen ist bei uns erzogen worden und auch diese – Fräulein Elénore hat schon seit drei Monaten uns verlassen.«

      Bei dem Namen Elénore machte Yves eine leichte Bewegung und horchte mit erhöhter Aufmerksamkeit der Erzählung der Priorin.

      »Ihre Erziehung war vollendet, und sie verließ, siebzehn Jahre alt, unser Haus, in welches sie erst vor einigen Wochen zum Besuch zurückkehrte; übrigens Werden Sie, meine Herrschaften, bemerkt haben, daß sie wider ihren Willen zu dieser Unbesonnenheit gezwungen wurde. Wir Alle lieben dieses sehr sanfte, junge Mädchen und haben uns Alle gefreut, und sie mit offenen Armen empfangen, als sie für einige Zeit um ein Zimmer in unserem Hause bat. Ihr etwas trauriger, aber sehr friedlicher Charakter hat wenig Ähnlichkeit mit der lärmenden Fröhlichkeit der Andern – aber die Andere. . .«

      Die Marquise, wahrscheinlich fürchtend, daß die Wichtigkeit und Umständlichkeit, mit der man in der Zurückgezogenheit auch die unbedeutendsten Begebenheiten behandelt, die Erzählung der Priorin zur Unendlichkeit ausdehnen würde – unterbrach sie – sagend:

      »O Madame! wer würde nicht mit Nachsicht solche unschuldige, jugendliche Unbesonnenheiten beurtheilen? Bitte! reden wir nicht mehr davon!«

      »Die Andere,« wiederholte die Priorin, als habe sie die Marquise nicht verstanden, »ist – nicht unser»Schülerin – sie ist erst vor drei Monaten zu uns gekommen.«

      Eine Bewegung der Marquise schien sagen zu sollen: Genug hiervon! —

      Indessen die Priorin fuhr nach einem verlegenen Schweigen fort: »Dennoch muß ich Ihnen, Madame, sagen, die Andere ist – Fräulein . . .«

      Die Priorin hielt inne, als wagte sie nicht den Namen des jungen Mädchens auszusprechen. Die Marquise zeigte sehr deutlich Neugierde, und der seit