Александр Дюма

Gabriele


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sonderbaren Erscheinung zu vervollständigen. Madame Rémond hatte an ihrer einzigen Person so viel Schmuck zusammengehäuft, daß alle Bräute des zwölften Stadtviertels daran genug gehabt haben würden.

      Der schnelle Wechsel des Glückes hatte eine unbegreifliche Verwirrung in ihrem von Natur klugen und vernünftigen Geiste hervorgebracht. Arbeit und eine kleinliche Sparsamkeit hatten vierzig Jahre ihres Lebens ausgefüllt; plötzlich im Alleinbesitze eines unermeßlichen Vermögens, hielt sie es für das höchste Glück, recht viel Geld auszugeben und beständig müßig sein zu können; aber seit den zehn Jahren, daß sie Wittwe und reich war, langweilte der Müßiggang sie, und sie gab nie Geld aus, ohne sich Vorwürfe darüber zu machen.

      Ihr ganzes Leben war ein Gemisch von kleinlicher Knickerei und übel angebrachter Verschwendung, von Eitelkeit, welche ihren Wohlstand zu zeigen bemüht war, und von Furcht, um die geringste Summe betrogen zu werden.

      Ohne richtig beurtheilen zu können, was ihrer Bildung eigentlich fehle, fühlte Madame Rémond, daß ihr vergangenes Leben sie unfähig mache, und wünschte deshalb ihrer Tochter in Verhältnisse zu versetzen, denen die angestrengte Arbeit, der sie sich hatte unterziehen müssen, so fremd und fern als möglich war.

      Vor seinem Tode hatte ihr Mann ein dreißig Meilen von Paris gelegenes altes Schloß mit bedeutenden Forsten und Ländereien gekauft. Dorthin brachte Madame Rémond ihre damals noch ganz kleine Tochter mit einer alten Erzieherin, welche gebeten wurde, sie nur lesen und schreiben zu lehren, und diese hütete sich wohl, ein Meheres zu thun.

      Madame Rémond brachte einen Theil des Sommers auf diesem Gute zu, wo sie sich hauptsächlich mit der Bestellung eines großen Küchengartens und der Aufsicht über einen beträchtlichen Hühnerhof beschäftigte und ihrer Tochter die Anwendung, ihrer Zeit allein überließ, ohne sich auch nur Ein Mal zu erkundigen, wie sie dieselbe ausfüllte, überzeugt, daß sie ihr Kind ganz wie das einer großen Dame erzöge, wenn sie es von aller Arbeit und allem Widerspruch befreite. Was die Gegenstände betraf, die im Bereiche von Madame Rémonds Beurtheilungskraft lagen, so war ihre Beurtheilung derselben einfach, aber wahr, und voll Vernunft und Billigkeit; aber die Ansichten, die sie sich über die Verhältnisse der großen Welt gebildet hatte, entbehrten gänzlich des gesunden Menschenverstandes.

      Die Leute aus den unteren Klassen glauben von den Verhältnissen der großen Welt lieber das Tollste und Ungereimteste, als daß sie die Einfachheit und Wahrheit derselben begreifen; über einige Punkte halte ihr natürlicher Verstand Madame Rémond durchaus nicht aufzuklären vermocht, und in der Ungewißheit, wie sie dieselbe erziehen müsse, hatte sie ihre Tochter einer gänzlichen Unwissenheit überlassen. Das Kind hatte, keinen Begriff von der Welt; die Gesellschaft und die Sitten, sowie die Gebräuche unserer Zeit, waren ihr durchaus unbekannt.

      Während Gabriele so, sich selbst überlassen, heranwuchs, hielt ihre Mutter sich oft längere Zeit in Paris auf, wo sie am äußersten Ende der Straße Vivienne, da, wo sie an die Boulevards stößt, die erste Etage eines großen Hauses bewohnte, welches sie selbst hatte bauen lassen. Die Emporkömmlinge lieben besonders neue Straßen und neue Häuser; der Lärm der Boulevards, die Menschenmenge und deren außerordentliches Geräusch gefallen ihnen, und Madame Rémond fühlte sich sehr glücklich mitten in dem Gewühle von Handel treibenden Menschen, wo sie sich dem behaglichen Gefühle überließ, daß sie errungen hatte und besaß, was diese noch so eifrig erstrebten. Sie hatte sich mehrmals Wagen und Pferde angeschafft, aber aus einer ihr zur andern Natur gewordenen Gewohnheit machte sie alle Geschäftswege zu Fuß ab und glaubte sich der Equipage nur zu Spazierfahrten bedienen zu dürfen; Spazierenfahren langweilte aber Madame Rémond im höchsten Grade. Mit einigen alten Bekanntinnen zu plaudern, war ihr größtes Vergnügen; diese Bekanntinnen würden aber durch diese Equipage ihrer Freundin, die sie sich nicht anschaffen konnten, gedemüthigt sein, oder darüber gespottet haben. Madame Rémond ging also zu ihnen zu Fuße, und da sie immer noch die Sparsamkeit ihrer Kindheit und Jugend nicht abgelegt hatte, so verkaufte sie lieber die Pferde, die sie erhalten mußte, ohne Nutzen von denselben zu haben, bis ihre Eitelkeit sie einmal wieder bewog, Pferde anzuschaffen, indem sie sich überzeugte, daß es sich für eine Frau von ihrem Vermögen nicht schicke, ohne Equipage zu sein. Eben so war es mit ihrer Dienerschaft; bald vermochte ihre Eitelkeit sie, deren eine zahlreiche Menge anzuschaffen; dann wieder ärgerte sie sich über diese überflüssige Ausgabe, schickte alle ihre Leute fort und begnügte sich mit einer einzigen Frau, der sie selbst half, bei den häuslichen Verrichtungen und bei der Erhaltung und Reinigung eines weitläufigen Quartiers, in welchem sie eine Menge der kostbarsten Meublen angehäuft hatte.

      So lebte die Marquise von Fontenoy-Mareuil, alles und jedes Vermögens entblößt, nach ihren alten. Gewohnheiten und Verhältnissen noch immer wie eine reiche Frau, und Madame Rémond, die vier Millionen besaß, quälte sich mit den gemeinsten Arbeiten und befleißigte sich der ängstlichen Sparsamkeit, zu der die Armuth zwingt.

      Aber in diesem Augenblicke glänzte das Gesicht der Madame Rémond von mütterlicher Zärtlichkeit und Stolz auf ihren Reichthum, indem sie zu ihrer Tochter sagte:

      »Jetzt also, Gabriele, werde ich Dir einen sehr großen Theil meines Vermögens geben.«

      »Mir!« sagte da« junge Mädchen, »und wozu das? Habe ich denn irgend Etwas nöthig?«

      »Es ist wegen Deines Mannes und für ihn,« antwortete Madame Rémond.

      »Ach ja! ein Mann.« sagte Gabriele, lachend wie ein Kind. »Ich werde also einen Mann haben! Aber worum ihm Dein Geld geben, Mütterchen? Behalte es für Dich! . . . Er wird mich schon ohne das heirathen.«

      »Glaubst Du?« sagte die Mutter mit zweifelndem Lächeln.

      »Er wird arbeiten,« erwiderte das junge Mädchen, ohne jedoch an Dem, was sie sagte, großen Antheil zu zeigen.

      »Er!« rief Madame Nemond überrascht.

      »Er ist ein herzensguter Mensch, klug und verständig,« fügte Gabriele hinzu.

      »Und woher kennst Du ihn denn?« fragte die Mutter mit zunehmendem Erstaunen.

      »Woher ich meinen Vetter Georg kenne?« erwiderte Gabriele lachend, »ich kenne ja nur ihn!«

      »Georg? Deinen Vetter Georg Nemond!« rief die Mutter mit Schrecken und Bestürzung. »Du glaubst, daß ich, Deine Mutter, ich, die ich Geld habe, so viel Geld, daß dieses Zimmer es nicht faßt, Dich eine solche Heirath schließen lassen würde! Eine solche Mißheirat! Deinen Vetter heirathen! Du! einen Bürgerlichen, der weder Geld noch Titel hat! Ich hätte vierzig Jahre lang gesammelt und mir Alles versagt; mein Vater, mein Mann und Ich, wir hatten unser ganzes Leben lang gearbeitet, damit unser einziges Kind, unser Aller Erbin, kurzweg Madame Rémond hieße? . . . Das wäre hübsch! Ein schöner Einfall! Vier Millionen, um Madame Rémond zu sein! Bist Du denn toll?«

      »Aber es ist ja der Name meines Vaters und der Deinige,« sagte die überraschte Gabriele sanft.

      »Dein Vater war ein braver Mann, der sich gut auf Geschäfte verstand; ich schmähe ihn nicht,« erwiderte die Mutter, durch den Vorwurf der Tochter etwas beschämt; »Georg ist auch ein braver Junge, aber er wird kein Glück machen. Er ist Schriftsteller, er soll Genie haben; aber was ist er? Was hat er für eine Stellung in der Welt? Wenn seine Mutter ihm nicht ein kleines Haus hinterlassen hätte, welches ihm etwa tausend Livres jährliche Renten einbringt, so könnte er Hungers sterben, wie die Dichter gewöhnlich.«

      Dann nahm sie eine ernste Miene an und setzte hinzu:

      »Aber davon ist nicht die Rede, Gabriele; es fragt sich, was Du sagen wolltest, und ob Du Neigung hast. . . für. . .«

      »Für Niemand,« sagte das junge Mädchen aufstehend und mit gleichen Füßen in die Mitte des Zimmers springend, mit einer Leichtigkeit und einer Unbefangenheit, die die Wahrheit ihrer Worte bestätigte; »ich nannte meinen Netter, weil nie jemand Anderes hierher gekommen ist seit den drei Monaten, die ich hier bin, und weil er mehrmals, wenn er mich ansah, wiederholte: »Ihr Mann wird sehr glücklich sein, meine Cousine!«

      »Ach! das hat er gesagt?«

      »Aber mir,« fuhr Gabriele hüpfend fort, »mir ist das sehr gleichgültig! Er oder ein Anderer, ein Anderer oder er!. . .« Und sich ihrer Mutter nähernd und dieselbe umarmend, sagte