wohl, General, bis der Beweis vom Gegentheile gegeben wird . . . Glauben Sie, unsere glühendsten Wünsche haben Herrn Sarranti während der ganzen Zeit begleitet, die dieser schmerzliche Proceß gedauert hat; glauben Sie, wir haben geschauert in dem Augenblicke, wo das Urtheil gesprochen werden sollte; glauben Sie, unser Herz hat geblutet, als das Urtheil gesprochen war . . . General, beweisen Sie uns die Unschuld von Herrn Sarranti, und es sollen nicht mehr zwei Arme, zehn Arme sein, die Sie zur Unterstützung haben werden: es werden die hunderttausend Arme der Verbindung sein!«
Hieraus machte der Redner noch einen Schritt gegen Herrn Lebastard de Prémont und fügte bei:
»General, bringen Sie uns einen Beweis von der Unschuld von Herrn Sarranti?«
»Ach!« sprach der General, das Haupt neigend, »ich habe keine andere Beweise, als meine eigene Ueberzeugung.«
»In diesem Falle,« erwiderte der Carbonariches, »besteht die Berathung in ihrer ganzen Strenge.«
Und er grüßte Herrn Lebastard de Prémont, und kehrte zu der Gruppe der anderen Geschworenen zurück, welche wegzugehen sich anschickten.
Doch der General erhob das Haupt, streckte die Hände aus, um einen letzten Versuch zu machen, und sprach:
»Brüder, es ist dies die Antwort der Majorität, und ich unterwerfe mich: doch erlaubt mir nun, daß ich an die Individualitäten appelliere . . . Brüder, ist unter Euch ein wie ich von der Unschuld von Herrn Sarranti überzeugtes Herz? dann schließe sich dieses Herz, ein Freund des meinigen, mir an, und ich werde es versuchen, mit ihm das zu vollbringen. was ich mit Eurer Hilfe zu unternehmen glücklich gewesen wäre.«
Der Carbonaro-Redner wandte sich gegen seine Gefährten um und sagte:
»Brüder, ist unter Euch ein von der Unschuld von Herrn Sarranti überzeugter Mann, so steht es ihm frei, sich mit dem General zu verbinden und mit ihm alle Zufälle des Glückes und des Unglücks zu versuchen.«
Ein Mann machte sich von der Gruppe los, legte seine linke Hand auf die Schulter des Grafen de Prémont, nahm mit der rechten Hand seine Larve ab und antwortete:
»Ich!«
»Salvator!« wiederholten die neunzehn Anderen.
Es war in der That Salvator, der, von der Unschuld von Herrn Sarranti überzeugt, seine Hilfe dem General anbot.
Die anderen Carbonari vertieften sich Einer nach dem Andern in die Sycomorenallee, welche zum Eingange des unterirdischen Gewölbes führte, und verschwanden.
Salvator blieb allein mit dem Grafen de Prémont.
X
Was man mit Geld machen kann, und was man mit Geld nicht machen kann
An den Stamm eines Baumes angelehnt, betrachtete Salvator einen Augenblick den General Lebastard de Prémont.
Das Gesicht von Herrn Sarranti selbst, als er sein Todesurtheil sprechen hörte, war weniger niedergeschlagen und weniger bleich, als es das des Generals war, da er diese grausame Sentenz vom Munde von Freunden aussprechen hörte, von denen er, mit Gefahr seines Lebens, verlangt hatte, daß man ihm das seines Freundes retten helfe.
Salvator näherte sich ihm.
Der General reichte Salvator die Hand.
»Mein Herr,« sagte der General zu ihm, »ich kenne Sie nur Ihrem Namen nach: dieser Name, Ihre Freunde haben ihn mit lauter Stimme ausgesprochen, und er scheint mir ein glückliches Vorzeichen zu sein.«
»Es ist in der That ein prädestinirter Name,« antwortete lachend Salvator.
»Sie kennen Sarranti?«
»Nein, mein Herr: doch ich bin der vertraute, und besonders der ergebene und dankbare Freund seines Sohnes. Damit sage ich Ihnen, General, daß ich die Hälfte Ihres Schmerzes trage, und daß Sie zu Gunsten von Herrn Sarranti mit Leib und Seele über mich verfügen können.«
»Sie theilen also die Meinung Ihrer Brüder nicht?« fragte lebhaft der General, den diese guten Worte für den Augenblick wiederbelebt hatten.
»Hören Sie, General,« sprach Salvator, »die Bewegung der Massen, welche beinahe immer gerecht ist, weil sie Instinctmäßig, ist oft blind, streng und hart. Jeder von diesen Menschen, welche so eben die Verurtheilung von Herrn Sarranti ratifiziert haben, hätte, allein zu Rathe gezogen, ein anderes Urtheil gesprochen, das heißt das, welches ich zu sprechen im Begriffe bin: Nein, aus der Tiefe meines Gewissens, ich halte Herrn Sarranti nicht für schuldig. Derjenige, welcher seit dreißig Jahren bei den blutigen Zufällen des Schlachtfelds, bei den tödtlichen Kämpfen der Parteien um seinen Kopf gespielt hat, vermöchte nicht ein feiges Verbrechen zu begehen, er vermöchte nicht ein elender Dieb, ein gemeiner Mörder zu sein; ich behaupte also moralisch die Unschuld von Herrn Sarranti.«
Der General drückte Salvator die Hand.
»Ich danke Ihnen, mein Herr, daß Sie so zu mir sprechen,« sagte er zu ihm.
»Doch,« fuhr Salvator fort, »sobald ich Ihnen meine Unterstützung angeboten habe, habe ich mich zugleich zu Ihrer Verfügung gestellt.«
»Was wollen Sie damit sagen? ich höre mit Bangigkeit.«
»Ich will damit sagen, mein Herr, in der gegenwärtigen Lage genüge es nicht, die Unschuld unseres Freundes zu versichern: man muß sie beweisen, unverwerflich beweisen. Bei den Kriegen, welche von den Verschwörern gegen die Regierung und folglich von der Regierung gegen die Verschwörer geführt werden, sind alle Waffen gut, und die, welche zwei loyale Männer oft für ein Duell ausschlagen würden, werden gierig von den Parteien ergriffen.«
»Erklären Sie sich.«
»Die Regierung will den Tod von Herrn Sarranti; sie will ihn schimpflich, weil sich dieser Schimpf über ihre Gegner verbreiten und man sagen wird, alle Verschwörer seien Elende oder müssen solche sein, da sie zu ihrem Chef einen Mann, der Dieb und Mörder, angenommen haben.«
»Oh!« sagte der General, »darum hat der Staatsanwalt die politische Anklage beseitigt?«
»Und darum lag Herrn Sarranti so viel daran, daß sie wieder ausgenommen werde.«
»Nun?«
»Die Regierung wird nur sichtbaren, greifbaren, flagranten Beweisen weichen. Es handelt sich nicht nur darum, ihr zu sagen: »»Herr Sarranti ist des Verbrechens, dessen er angeklagt ist, nicht schuldig:«« man muß ihr sagen: »»Hier ist der des Verbrechens, dessen man Herrn Sarranti angeklagt hat, Schuldige!««
»Und diese Beweise, mein Herr, Sie haben sie?« rief der General: »diesen wahren Schuldigen können Sie beibringen?«
»Ich habe diese Beweise nicht, ich kenne den Schuldigen nicht,« antwortete Salvator: »aber . . . «
»Aber . . . ?«
»Ich bin vielleicht aus der Spur.«
»Sprechen Sie! sprechen Sie! und Sie werden Ihres Namens wahrhaft würdig sein, mein Herr.«
»Nun wohl,« sagte Salvator, indem er sich dem General näherte, »hören Sie, was ich Niemand gesagt habe, und was ich Ihnen sage.«
»Oh! sagen Sie! sagen Sie!« rief der General, indem er sich ebenfalls Salvator näherte.
»In dem Hause, wo Herr Sarranti als Hofmeister eingetreten war, und das Herrn Gérard gehörte: in diesem Hause, aus dem er am 19. oder 20. August 1820 geflohen ist, – denn die ganze Frage kann im genauen Datum der Flucht liegen: – kurz im Parke von Viry habe ich den Beweis gesunden, daß wenigstens eines von den Kindern ermordet wurde.«
»Ah!« erwiderte Herr de Prémont, »glauben Sie nicht, daß dieser Beweis zur Belastung unseres Freundes dienen wird?«
»Mein Herr, wenn man die Wahrheit verfolgt, und es ist die Wahrheit, was wir verfolgen, nicht wahr? – denn wäre Herr Sarranti schuldig, so würden wir ihn verlassen, wie ihn die Anderen verlassen haben: – verfolgt man die Wahrheit, so muß man jeden Beweis ergreifen, und wäre dieser Beweis scheinbar gegen denjenigen, dessen Unschuld man will anerkennen machen. Die Wahrheit trägt ihr Licht