Sie können die Reise um die Welt mit ihr machen und sie mir zurückbringen: ich nehme Sie wieder mit zweihundert Franken Verlust.«
Ohne auf die Lobeserhebungen zu hören, mit denen als ein Mensch, der vor seiner Ware Kaufmann wurde, der Stellmacher seine Caleche lackierte, nahm Salvator den Wagen bei der Deichsel, zog ihn mit derselben Leichtigkeit, mit der er ein Kinderwägelchen rollen gemacht hätte, in den Hof, und fing an ihn mit der strengen Aufmerksamkeit eines Mannes zu untersuchen, der sein Handwerk aus dem Grunde kennt.
Er fand den Wagen tauglich, abgesehen von einigen kleinen Unvollkommenheiten, die er dem Stellmacher bezeichnete, und die dieser bis zum Abend verschwinden zu machen versprach. Der brave Mann hatte die Wahrheit gesagt: die Caleche war gut, und besonders, woran am meisten lag, von großer Solidität.
Salvator schloß sogleich den Handel mit sechshundert Franken ab, und es wurde verabredet, daß um halb sieben Uhr Abends die Caleche mit zwei guten Postpferden bespannt sich aus dem äußeren Boulevard, zwischen der Barrière Croulebarbe und der Barrière d’Italie, einfinden sollte.
Was die Zahlungsart betrifft, so war das sehr einfach: Salvator, der nur in dem Falle bezahlen wollte, daß seine Befehle pünktlich befolgt wären, und der wahrscheinlich am andern Tage etwas Wichtiges zu thun hatte, gab dem Stellmacher Rendezvous bei sich am Morgen des zweiten Tages, und der Stellmacher, der ihn als gut kannte, wie man im Handelsrothwälsch sagt, machte keine Schwierigkeit, um ihm einen Credit von achtundvierzig Stunden zu bewilligen.
Salvator verließ den guten Mann, ging wieder die Rue d’Enfer hinab, trat in die Rue de la Bourbe18 ein und kam zur Schwelle einer niedrigen, dem Hospice de la Maternite gegenüber liegenden, Thüre.
Hier wohnten Jean Taureau, der Zimmermann, und Mademoiselle Fisine, seine Maitresse.
Salvator hatte nicht nöthig, den Concierge zu fragen, ob der Zimmermann zu Hause sei, denn kaum hatte er den Fuß aus die Treppe gesetzt, als er ein Gebrüll hörte, das andeutete, der Pathe, der Barthélemy Lelong mit dem Namen Jean Taureau19 getauft, habe ihn wirklich nach seinen Verdiensten getauft.
Die Schreie von Mademoiselle Fisine, welche die scharfen Noten dieser Melopoie bildeten, bewiesen, daß Jean Taureau nicht nur ein Solo, sondern ein Duett ausführte. Die Melodienstöße entrannen in geräuschvollen Wellen, stiegen die Treppe hinab und kamen Salvator entgegen, als wollten sie seine Schritte leiten.
Im vierten Stocke angelangt, befand sich Salvator mitten in der Lawine. Er trat ein, ohne zu klopfen: die Thüre war halb offen durch eine ängstliche Vorsicht von Mademoiselle Fisine, die sich immer einen Rückzug gegen die Lebhaftigkeiten des Riesen wahrte.
Als er den Fuß aus die Schwelle setzte, sah Salvator die Gegner vor einander: Mademoiselle Fisine, mit aufgelösten Haaren und bleich wie der Tod, wies die Faust Jean Taureau, der sich, roth wie ein Blutfink, die Haare ausraufte.
»Ha! Unglücklicher!« brüllte Mademoiselle Fisine: »ha! Dummkopf! ha! einfältiger Tropf! Du glaubtest also, die Kleine sei von Dir?«
»Fisine!« schrie Jean Taureau, »Du wirst machen, daß ich Dich ermorde, das sage ich Dir!«
»Nein, sie war nicht von Dir: sie war von ihm.«
»Fisine, Du willst also, daß ich Euch Beide in einen Mörser werfe und so fein wie Pfeffer zerstoße?«
»Du,« sagte Fisine drohend, »Du, Du, Du? . . . «
Und bei jedem Du rückte sie einen Schritt vor, während, so wie sie vorrückte, Jean Taureau zurückwich.
»Du?« sagte sie endlich, indem sie ihn beim Barte packte und ihn schüttelte, wie ein Kind einen Apfelbaum, dessen Früchte es will fallen machen: »rühre mich doch an großer Feiger! rühre mich doch an, großer Elender! großer Taugenichts!«
Und Jean Taureau hob die Hand auf . . . Sich schließend und wie ein Schlägel niederfallend, hätte diese Hand einen Ochsen umgebracht und den Schädel von Mademoiselle Fisine zerschmettert: doch die Hand blieb in der Luft.
»Nun, was gibt es noch?« fragte Salvator mit ziemlich hartem Tone.
Als sie diese Stimme hörten, erbleichte Jean Taureau, wurde Mademoiselle Fisine scharlachroth.
»Was es gibt? Ah! Sie kommen zu rechter Zeit, um mir Hilfe zu leisten, Herr Salvator! . . . Was es gibt? Dieses Ungeheuer von einem Menschen ist im Zuge, nach seiner Gewohnheit, mich krumm und lahm zu schlagen.«
Jean Taureau war dahin gelangt, daß er glaubte, er sei es, der Mademoiselle Fisine schlage.
»Ich bin auch entschuldbar, Herr Salvator, sie macht mich rasend!«
»Gut! was Du in diesem Leben leidest, wirst Du im andern um so weniger zu leiden haben.«
»Herr Salvator!« schrie Jean Taureau mit einer Stimme voller Thränen, »sagt sie mir nicht, mein Kind, mein armes Mädchen, das ganz mein Ebenbild ist, sei nicht von mir!«
»Nun,« bemerkte Salvator, »da es ganz Dein Ebenbild ist, warum glaubst Du ihr?«
»Zum Glücke glaube ich ihr nicht, denn glaubte ich ihr, so würde ich das Kind an den Füßen nehmen und ihm den Schädel an der Mauer zerschmettern!«
Thu’ es doch, Bösewicht! Thu’ es doch! damit ich den Genuß habe, Dich das Schaffot besteigen zu sehen.«
»Hören Sie sie, Herr Salvator? . . . Das wäre, wie sie sagt, ein Genuß für sie.« »Ich glaube es wohl!«
»Gut, ich werde das Schaffot besteigen,« brüllte Barthélemy Lelong, »ich werde es besteigen; das wird aber geschehen, weil ich Herrn Fasiou das Lebenslicht ausgeblasen habe . . . Wenn ich bedenke, daß sie gerade einen Menschen genommen hat, den ich nicht anzurühren wage, aus Furcht, ihn zu zerbröckeln, und weil ich mich schäme, ihm einen Faustschlag zu geben, so werde ich genöthigt sein, ihm einen Messerstich zu geben!«
»Hören Sie ihn, den Mörder?«
Salvator hörte in der That, und es ist unnöthig, zu sagen, er habe zu ihrem wahren Werthe die Drohungen von Jean Taureau geschätzt.«
»Ich kann also nicht ein Mal kommen, ohne Euch in Zank und Streit zu finden? Sie werden ein schlechtes Ende nehmen, das sage ich Ihnen, Mademoiselle Fisine,« sprach Salvator. »Es wird Ihnen eines Tags begegnen, daß Ihnen etwas auf den Kopf fällt und, dem Blitze ähnlich, Ihnen nicht Zeit läßt, zu bereuen.«
»In jedem Falle wird mir das nicht von ihm zukommen,« schrie Mademoiselle Fisine, indem sie mit den Zähnen knirschte und Barthélemy die Faust unter die Nase hielt.
»Warum nicht von ihm?« fragte Salvator.
»Weil ich fest entschlossen bin, ihn zu verlassen,« antwortete Mademoiselle Fisine.
Jean Taureau machte einen Sprung, als ob man ihn mit der Voltaischen Säule berührt hätte.
»Du mich verlassen?« rief er; »Du mich verlassen? nach dem Leben, das Du mir gemacht hast, tausend Donner! Ah! Du wirst mich auch nicht verlassen, dafür stehe ich, oder ich erwürge Dich, wo Du auch sein magst.«
»Hören Sie ihn, Herr Salvator, hören Sie ihn? Wenn ich ihn vor Gericht führe, so hoffe ich wohl, Sie werden die Wahrheit angeben.«
»Schweigen Sie, Barthélemy,« sprach mit sanftem Tone Salvator. »Fisine sagt Ihnen das; doch sie liebt Sie im Grunde.«
Sodann die junge Frau streng und auf dieselbe Art anschauend, wie ein Schlangenjäger eine Viper anschauen würde, sagte er:
»Sie muß Sie wenigstens lieben; sind Sie nicht, was sie auch sagen mag, der Vater ihres Kindes?«
Die große Person beugte demüthig das Haupt unter dem Blicke von Salvator, der, nur für sie allein, eine Drohung zu enthalten schien, und mit einer gemilderten Stimme, mit der Unschuld einer Jungfrau erwiderte sie:
»Gewiß liebe ich ihn im Grunde, obschon er mich schlägt wie Gips . . . Aber, Herr Salvator, wie soll ich liebkosend für einen Mann sein, der mir nur die Fäuste und die Zähne zeigt?«
Jean