auf, lief die Stufen hinan, sprang auf die Terrasse und rief in heiterem Tone.
– Da bin ich!
– Willkommen! sagte Ipatow. – Ganz unerwartet, das ist doch hübsch. Erlauben Sie, daß ich ihr Händchen küsse . . .
– Da haben Sie es, erwiderte die Angekommene, – Sie müssen aber den Handschuh selbst abziehen. – Ich kann es nicht. Und indem sie ihm die Hand hinhielt, nickte sie Maria Pawlowna mit dem Kopfe zu. – Mascha, denke Dir, mein Bruder kommt heute nicht, sagte sie mit einem leichten Seufzer.
– Ich sehe es, daß er nicht da ist, erwiderte Maria halblaut.
– Er läßt Dir sagen, daß er zu thun habe. Sei nicht böse. Guten Tag, Jegor Kapitonitsch; guten Tag, Iwan Iljitsch. Guten Tag, Kinder . . . Waßja, setzte die Angekommene zu ihrem Dienstburschen gewendet, hinzu, – laß den Adonis gut herumführen, hörst Du. Mascha, gieb mir, bitte, eine Stecknadel, meine Schleife aufzustecken . . . Michail Nikolaitsch, kommen sie doch her.
Ipatow trat näher an sie heran.
– Wer ist dieser fremde Herr? fragte sie ihn ziemlich laut.
– Ein Nachbar, Astachow, Wladimir Sergeïtsch, wissen Sie, dem Ssassowo gehört. Wünschen Sie seine Bekanntschaft zu machen?
– Schon gut . . . nachher. Ach, was für ein herrliches Wetter, fuhr sie fort. – Jegor Kapitonitsch, sagen Sie doch, brummt Matröna Markowna bei solchem Wetter auch? . . .
– Matröna Markowna, mein gnädiges Fräulein, brummt bei keinerlei Wetter, sie ist nur streng in Betreff der Manieren . . .
– Und wie geht’s den Birülew’schen Fräuleins? Nicht wahr, die wissen gleich Alles am andern Tage . . .
Und sie brach in herzliches, lautes Lachen aus.
– Es kommt Ihnen immer das Lachen bei, erwiderte Jegor Kapitonitsch – Uebrigens, wann lacht sichs wohl besser, als in Ihren Jahren!
– Jegor Kapitonitsch, Herzchen, seien Sie nicht böse! Ach, bin ich müde! Erlauben Sie, daß ich Platz nehme . . .
Nadeschda ließ sich auf einen Armstuhl nieder und schob muthwillig ihren Hut in die Augen.
Ipatow führte ihr Astachow zu.
– Erlauben Sie, Nadeschda Alexejewna, daß ich Ihnen unseren Nachbar, Herrn Astachow, vorstelle. Sie werden vermuthlich schon viel von ihm gehört haben.
Astachow verneigte sich, während Nadeschda ihn unter dem Rand ihres runden Hutes hervor betrachtete.
– Nadeschda Alexejewna Weretjew, unsere Nachbarin, fuhr Ipatow zu Astachow gewandt fort. – Wohnt in unserer Gegend mit ihrem Bruder, Peter Alexejewitsch, Gardelieutenant außer Dienst. Intime Freundin meiner Schwägerin, und überhaupt unserem Hause sehr gewogen.
– Eine ganze Charakterliste, sagte lächelnd Nadeschda, wie bisher, Astachow unter ihrem Hute hervor anblickend.
Astachow dachte unterdessen bei sich: »die ist in der That auch sehr hübsch.« Und wirklich war Nadeschda Alexejewna ein sehr nettes Fräulein. Fein und schlank von Wuchse, schien sie bedeutend jünger, als sie wirklich war. Sie war bereits über siebenundzwanzig Jahre. Ihr Gesicht war rund, der Kopf nicht groß, das Haar blond und lockig, das Näschen spitz und fast dreist aufwärts gebogen. Die Augen schelmisch. Sie blitzten und sprühten vor Spottlust. Die überaus lebhaften und beweglichen Züge ihres Gesichtes nahmen zuweilen einen komischen Ausdruck an; es schimmerte ein gewisser Humor hindurch. Seiten und meist plötzlich bekam dies Gesicht einen Anflug von Nachdenklichkeit, dann wurde es sanft und treuherzig, sie war jedoch nicht im Stande, sich lange solcher Regung zu überlassen. Sie faßte leicht und elegant die lächerlichen Seiten der Menschen auf und zeichnete vorzügliche Caricaturen. Von Kindheit an hatte man ihr Alles zu Willen gethan und das war sogleich zu bemerken: Leute, die in ihrer Kindheit verwöhnt wurden, behalten bis an ihr Lebensende ein eigenes Gepräge. Der Bruder liebte sie , obgleich er behauptete, daß sie nicht wie eine Biene, wohl aber wie eine Wespe steche; denn die Biene, nachdem sie gestochen habe, sterbe, für die Wespe jedoch hätte der Stich weiter keine Folgen. Dies Gleichniß machte sie böse.
– Sind Sie für längere Zeit hergekommen? wandte sie sich mit gesenktem Blicke und mit der Reitgerte spielend an Astachow.
– Nein, ich denke morgen schon wieder abzureisen.
– Wohin?
– Nach Hause.
– Nach Hause? Und darf ich fragen, warum?
– Warum? Ich habe Geschäfte zu Hause, die keinen Aufschub dulden.
Nadeschda blickte ihn an.
– Sind Sie denn ein so . . . pünktlicher Mensch?
– Ich bestrebe mich, es zu sein, entgegnete Astachow.
– In der jetzigen positiven Zeit muß jeder ordentliche Mensch gesetzt und pünktlich sein.
– Das ist sehr wahr, bemerkte Ipatow. – Glauben Sie nicht, Iwan Iljitsch?
Iwan Iljitsch blickte blos Ipatow an, während Jegor Kapitonitsch äußerte:
– Ja, das ist wahr.
– Schade, sagte Nadeschda: – uns fehlt eben gerade ein joune premier. Sie spielen doch wohl Theater.
– Ich habe mich nie in diesem Fache versucht.
– Ich bin überzeugt, Sie würden gut spielen. Sie haben eine so . . wichtige Haltung ; heut zu Tage wird das von einem jeune premier gefordert. Wir wollen, mein Bruder und ich, ein Theater hier zu Stande bringen. Wir werden uns übrigens nicht allein auf Lustspiele beschränken, wir werden Alles spielen – Dramen, Balletts und sogar Trauerspiele. Warum sollte Mascha nicht zu einer Kleopatra oder Phädra passen? Betrachten Sie sie nur!
Astachow wandte sich um . . . Mit dem Kopf an die Thür gelehnt und die Hände gekreuzt, blickte Maria in Gedanken versunken hinaus in die Ferne . . . In diesem Augenblicke mahnte in der That ihre ganze Figur und Stellung an Umrisse antiker Statuen. Sie hatte Nadeschda’s letzte Worte nicht gehört, als sie jedoch gewahr wurde, daß die Blicke Aller sich plötzlich auf sie richteten, errieth sie sogleich den Grund, wurde roth und wollte sich in’s Gastzimmer zurückziehen . . . Nadeschda ergriff jedoch gewandt ihren Arm, zog sie mit dem coquetten Schmeicheln eines Kätzchens an sich und küßte ihre fast männliche Hand. Maria erröthete noch mehr.
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