Александр Дюма

Der Arzt auf Java


Скачать книгу

die Stadt, das Gehölz der Wurzelbäume und die Rhede überblickte, bildeten große Bambusstäbe, an dem obern Ende zusammengebunden und mit Cocosnußzweigen oder vielmehr des Leichnams. Es war der des Doctor Basilius. Es war das bleiche, doch ruhige Gesicht mit den an die Stirne geklebten Haaren und dem verzerrten Munde, welches der junge Mann in dem Gemache des Erdgeschosses, von wo er kam, auf dem Bette hatte liegen sehen.

      Eusebius fühlte seine Knie unter sich brechen, sein Haar sich auf der Stirne sträuben; er wich zurück, ohne den Blick von dem Leichnam abwenden zu können, erreichte die Fallthür, glitt die Bambusleiter herab und entfloh, ohne die Negerin darin zu hindern, dem Verstorbenen ihre Thränen und die blutigen Zeugen ihrer Verzweiflung zu widmen.

      Als Eusebius van der Beek wieder in dem heitern Zimmer war, hatte seine Aufregung einen solchen Grad erreicht, daß er sich setzen mußte. Große Schweißtropfen perlten von seiner Stirn; seine Zähne schlugen krampfhaft auf einander; sein Herz klopfte so. gewaltig, daß es ihn zu.ersticken drohte. Um Luft in das Gemach einzulassen, in welchem er sich befand, zog er die chinesische Jalonsie in die Höhe, die das Fenster schloß. Dasselbe ging auf einen Garten, der mit europäischen Gebüschen bepflanzt war, die in diesem kalkigen Boden verkümmert wuchsen, wie die tropischen Bäume in unsern Treibhäusern.

      Zwei Malayen waren schweigend mit einer Arbeit beschäftigt, welche Eusebius so aufmerksam machte, daß er für den Augenblick darüber seinen Schrecken vergaß. Die beiden Männer hatten.in der Mitte des Gartens eine Art von Scheiterhaufen errichtet, der bereits bis zu der Höhe von sechs Fuß gelangt war, und noch immer legten sie symmetrisch Holzstücke auf, so daß er riesige Dimensionen annahm. Zwischen jede Holzlage schoben sie kleine Bündel Reisstroh, harzige Baumzweige und besonders Zweige von Terebinthen und Kampherbäumen.

      Eusebius sprang, im höchsten Grade verwundert, durch das Fenster und näherte sich den beiden Malayen, die sich dadurch in ihrer Arbeit nicht stören ließen.

      »Was Teufel macht Ihr denn da?« fragte er sie.

      »Seht Ihr es denn nicht?« erwiederte Einer von ihnen in schlechtem Holländisch. »Das gleicht doch nicht etwas Anderem, als einem Scheiterhaufen.«

      »Und was wollt Ihr damit anfangen?«

      Der Malaye zuckte die Achseln, kletterte auf den Holzstoß hinauf und ordnete einige Stücke, die sein Arbeitsgenosse nachlässig gelegt hatte.

      Eusebius wiederholte seine Frage.

      »Nun,« entgegnete der Malaye, »soll der Todte etwa in das Meer geworfen werden, wie ein Hund?«.

      Indem er so sprach, deutete er nicht etwa auf das Erdgeschoß, wo Eusebius den Todten in einem Ebenholzbette erblickt hatte, sondern auf eine Art von Hindu-kiosk am Ende des Gartens. Durch unbesiegliche Neugier getrieben, schritt Eusebius auf diesen Kiosk zu. Es war ein ziemlich umfangreiches Gebäude, dessen weiß getünchte Mauern auf grob gehauenen Quadersteinen ruhten und phantastische Gestalten darstellten, Männer mit Thier- oder Elephantenköpfen, vierarmige Körper, Hermaphroditen, Kurz das ganze Personal der Hindu-Theogonie.«

      An der Thür stand ein Greis mit weißem Bart, welcher das Gewand der Brahminen der Küste von Malabar trug und die Arbeit der beiden Malayen zu überwachen schien.

      »Der Todte?« fragte Eusebius kurz.

      Ohne zu antworten, deutete der Greis mit dem Finger über seine Schulter nach dem Innern des Kiosk und trat zur Seite, um ihn hindurch zulassen. Eusebius erblickte sich jetzt in einem geräumigen Gemache, welches durch ein Dutzend Hängelampen von antiker Form beleuchtet wurde, in denen Flammen brannten, die helles Licht verbreiteten. In der Mitte stand ein Bett, oder vielmehr ein Haufe von übereinander gelegten Kissen und auf diesen Kissen lag ein Leichnam, den Eusebius sogleich für den des Doctor Basilius erkannte. Er wich in nichts von den beiden andern Leichen ab, die er bereits gesehen hatte; dem Körper gegenüber unter einer Nische, in welcher ein Bild des Gottes Brahma stand, und vor welcher drei der erwähnten Lampen brannten, saß ein Weib auf einem goldenen Sessel, den Rücken gegen die Mauer gestützt.

      Diese dritte Erscheinung der Leiche machte Eusebius vollends verwirrt. Er fühlte sich plötzlich in die Welt der Phantome versetzt und wußte nicht mehr, ob er lebte oder ob er träumte; sein Blut stürmte mit Gewalt gegen sein Gehirn und brauste vor seinen Ohren; er glaubte, sein Verstand würde ihn verlassen; allein sobald seine Blicke auf das Weib gefallen waren, welches neben dem Todten wachte, vermochte er sich nicht von demselben abzuwenden. Es war ein junges Mädchen, dessen Haut nicht die Broncefarbe der Indianerinnen der Halbinsel oder der Malayen der Sunda-Inseln zeigte, sondern das helle Gelb, wie man es bei den Frauen von Visapour sieht. Sie hatte jene Regelmäßigkeit der Züge, welche den kaukasischen Stamm charakterisirt, und ihre großen Augen waren, was bei Frauen dieser Farbe eine sehr seltene Ausnahme ist, von dem reinsten Dunkelblau. Ihre Schultern waren entblößt. Ihre Brust wurde mit einer Art von Küraß von sehr leichtem Holz bedeckt, verziert mit Gold und Silber und mit Edelsteinen. Diese Hülle zeigte die Umrisse des Busens und ging nicht tiefer, als bis zum Wagen herab. Eine Mousselinschärpe umschloß ihren Gürtel, und die durchsichtigen Falten desselben dienten als Uebergang der Nacktheit des obern Theiles des Körpers zu der faltenreichen Fülle, in welcher die Hüften und die untern Theile verschwanden, die bis zu den Füßen beinahe ganz verdeckt waren.

      Ihre Arme, ihr Hals und ihre Finger waren mit einer Menge von Hals- und Armbändern und Ringen von eigenthümlichen Formen und wunderbarer Arbeit bedeckt. Ihr Kopf trug keine dieser Zierathen; ein einfacher Kranz von Blumen und Blättern des Lotos vermählte sich mit ihren schwarzen Haaren, glänzend wie das Gefieder des Raben.

      Sie saß stumm und regungslos, wie eine Bildsäule; ihre Augen allein verriethen ihr Leben und ihre auf Eusebius gerichteten Blicke schienen ihn zu sich zu rufen.

      »Wer sind Sie?« fragte Eusebius-.

      Das gelbe Mädchen sah ihn an und schien ihm durch ein Zeichen zu verstehen geben zu wollen, daß sie ihn nicht verstünde. Der junge Mann ergriff ihre Hand; sie ließ dies geschehen. Diese Hand war eisig kalt und dennoch war es Eusebius, als gösse sie Feuer in seine Adern.

      »Kommen Sie!« sagte er, indem er ihr ein Zeichen gab, aufzustehen. Das gelbe Mädchen senkte langsam die Augenwimpern und machte mit dem Kopfe ein verneinendes Zeichen, indem es auf den Leichnam zeigte. Eusebius erinnerte sich jetzt an den Gebrauch der Indianer Malabars, welcher verlangt, daß die Frau den Scheiterhaufen des Mannes besteige. Er deutete auf den Holzstoß, den man durch die Thür des Kiosk unter der Arbeit der beiden Indianer sich vergrößern sah, und richtete auf das gelbe Mädchen einen fragenden Blick. Sie nickte traurig mit dem Kopfe, nahm dann aus ihrem Haar eine Lotosblume und überreichte sie dem Holländer. Ohne.zu wissen, was er that, nahm Eusebius die Blume und rief dabei aus: »Aber das ist unmöglich! Dieser barbarische Gebrauch, in Indien selbst abgeschafft, kann hier nicht mehr bestehen. Ueberdies war der Mann nicht Ihr Gatte, und die religiösen Vorurtheile können Sie nicht dazu verdammen, mit ihm den Scheiterhaufen zu besteigen. Ich werde den Gouverneur aufsuchen, und nicht dulden, daß ein so junges und so schönes Mädchen einen so grausamen Tod stirbt.

      In diesem Augenblick glaubte Eusebius das scharfe, höhnische Gelächter des Doctor Basilius zu vernehmen. Er wendete sich um, indem er erwartete, den Doctor vor sich stehen oder wenigstens auf seinem Lager aufgerichtet zu sehen; aber die Leiche lag ruhig und regungslos an ihrem Platze; keine Muskel des Gesichtes zuckte.

      Eusebius erlag jetzt dem wachsenden Entsetzen, dem er einen Augenblick durch den Anblick der wunderbaren Schönheit entrissen worden war, die diese dritte Leiche bewachte; er bedeckte das Gesicht mit beiden Händen, und entfloh, ohne rückwärts zu blicken.

      VI.

      Der Datou-Noungal

      Als Eusebius sich auf dem Quai erblickte, fühlte er seine Brust von einer gewaltigen Last erlöst und athmete frei auf. Es schien ihm, als käme er aus der Welt der Todten, um wieder in das gewöhnliche Leben einzutreten. Er er freute sich an der Bewegung, welche in diesem Augenblicke die Rhede und die Straßen zeigten. Wagen kamen und gingen und kreuzten sich nach allen Richtungen. Die Menschenmenge, die sich in allen möglichen Trachten durcheinander drängte, in allen Sprachen schrie und fluchte, schien ihm ein materielles Zeugniß für die Wirklichkeit seiner Existenz zu sein, und bewies ihm endlich, daß