weil ich die Million von König Karl gerettet habe?«
»Welche Million?«
»Ah! es ist wahr. Ihr habt das nie erfahren, mein Freund; doch Ihr dürft mir deshalb nickt grollen, es war nicht mein Geheimniß. Das Wort Remember, das König Karl auf dem Schaffot aussprach . . . «
»Und das Erinnere Dich heißt.«
»Ganz richtig. Dieses Wort bedeutete: Erinnere Dich, daß eine Million in den Gewölben von Newcastle vergraben ist, und daß diese Million meinem Sohn gehört.«
»Ah! sehr gut, ich begreife. Doch was ich auch begreife, und was mir furchtbar vorkommt, ist, daß Seine Majestät König Karl II., so oft er an mich denkt, sich sagen wird: »»Das ist ein Mensch, durch dessen Schuld ich beinahe meine Krone verloren hatte. Zum Glück bin ich edelmüthig, groß, voll Geistesgegenwart gewesen.«« Dies wird von mir und von sich dieser junge Herr sagen, der in einem sehr abgetragenen Wamms in das Schloß von Blois kam und mich, seinen Hut in der Hand, fragte, ob ich ihm nicht Eintritt beim König von Frankreich verschaffen wolle.«
»D’Artagnan, d’Artagnan,« sprach Athos, seine Hand auf die Schulter des Musketiers legend, »Ihr seid nicht billig.«
»Ich habe das Recht dazu.«
»Nein, denn Ihr kennt die Zukunft nicht.«
D’Artagnan schaute seinem Freund in die Augen und lachte.
»In der That, mein lieber Athos,« sagte er, »Ihr habt herrliche Worte, die ich nur bei Euch und bei dem Herrn Cardinal Mazarin kennen lernte.«
Athos machte eine Bewegung.
»Verzeiht,« fuhr d’Artagnan lachend fort, »verzeiht, wenn ich Euch beleidige. Die Zukunft! hu! wie schön sind doch die Worte, welche versprechen, und wie füllen sie den Mund so gut in Ermanglung von etwas Anderem! Mordioux! wann werde ich, nachdem ich so Viele gefunden, welche versprachen, Einen finden, der gibt!
»Doch lassen wir das,« fuhr d’Artagnan fort. »Was macht Ihr hier, mein lieber Athos, seid Ihr Schatzmeister des Königs?«
»Wie! Schatzmeister des Königs?«
»Ja, da der König eine Million besitzt, so braucht er einen Schatzmeister. Der König von Frankreich, der ohne einen Sou ist, hat wohl seinen Oberintendanten der Finanzen, Herrn Fouquet. Es ist wahr, dagegen besitzt Herr Fouquet eine schöne Anzahl von Millionen.«
»Oh! unsere Million ist schon lange ausgegeben,« sagte Athos lachend.
»Ich begreife, sie ist in Seide, in Sammet, in Edelsteinen und in Federn aller Art und von allen Farben aufgegangen. Alle diese Prinzen und Prinzessinnen bedurften gar sehr der Schneider und der Näherinnen. Ei! Athos, erinnert Ihr Euch, was wir ausgegeben haben, um uns zu equipiren, als wir bei La Rochelle im Felde lagen, und um unsern Einzug zu Pferde zu halten? Zwei bis dreitausend Livres, bei meiner Treue; doch der Leib eines Königs ist weiter und man braucht eine Million, um den Stoff zu kaufen. Sagt, Athos, seid Ihr nicht Schatzmeister, so seid Ihr wenigstens wohl gelitten bei Hofe?«
»So wahr ich ein Edelmann bin, ich weiß es nicht,« erwiederte Athos ganz einfach.
»Ei! geht doch, Ihr solltet es nicht wissen!«
»Ich habe den König seit Dover nicht wiedergesehen.«
»Mordioux, dann hat er Euch vergessen, das ist königlich!«
»Seine Majestät hat so viel zu thun gehabt.«
»Oh!« rief d’Artagnan mit einer von jenen witzigen Grimassen, wie nur er allein sie zu machen wußte, »bei meiner Ehre, ich fange wieder an, mich in Monsignor Giulio Mazarin zu verlieben. Wie! mein lieber Athos, der König hat Euch nicht wiedergesehen?«
»Nein.«
»Und Ihr seid nicht wüthend?«
»Ich? warum? Bildet Ihr Euch etwa ein, mein lieber d’Artagnan, ich habe für den König auf diese Art gehandelt? Ich kenne ihn gar nicht, diesen jungen Mann. Ich habe den Vater vertheidigt, der einen für mich geheiligten Grundsatz vertrat, und ich habe mich zum Sohn aus Sympathie für eben diesen Grundsatz hinziehen lassen. Dieser Vater war indessen ein würdiger Cavalier, ein edler Sterblicher, wie Ihr Euch erinnern werdet.«
»Es ist wahr, ein braver, vortrefflicher Mann, der ein trauriges Leben, aber einen sehr schönen Tod hatte.«
»Wohl, mein lieber d’Artagnan, begreift: diesem König, diesem Mann von Herz, diesem Freund, meines Geistes, wenn ich so sagen darf, schwur ich in seiner letzten Stunde, treu das Geheimniß über ein vergrabenes Gut zu bewahren, das seinem Sohn zugestellt werden sollte, um ihn bei Gelegenheit zu unterstützen; der junge Mann suchte mich aus; er erzählte mir von seinem Unglück, er wußte nicht, daß ich etwas Anderes für ihn war, als eine lebendige Erinnerung an seinen Vater; ich erfüllte gegen Karl II. nur, was ich Karl l. versprochen hatte. Was liegt mir daran, ob er dankbar oder undankbar ist! Ich habe mir einen Dienst geleistet, indem ich mich von dieser Verantwortlichkeit frei machte, und nicht ihm.«
»Ich habe immer behauptet, die Uneigennützigkeit sei die schönste Sache der Welt,« sagte d’Artagnan seufzend.
»Wie! mein lieber Freund, seid Ihr nicht in derselben Lage wie ich? Wenn ich Eure Worte gut begriffen, ließet Ihr Euch durch das Unglück dieses jungen Mannes rühren; das ist noch viel schöner von Euch, als von mir, denn ich hatte eine Pflicht zu erfüllen, während Ihr dem Sohn des Märtyrers durchaus nichts schuldig waret. Ihr hattet ihm nicht den Preis für jenen kostbaren Blutstropfen zu bezahlen, den er vom Boden seines Schaffots auf meine Stirne fallen ließ. Was Euch zu handeln bewog, ist das Herz allein, das Ihr unter Eurem scheinbaren Skepticismus, unter Eurem scharfen Gespötte besitzt; ich vermuthe, Ihr habt das Vermögen eines Dieners, das Eurige Vielleicht eingesetzt, Ihr geiziger Wohlthäter, und man mißkennt Euer Opfer. Was ist daran gelegen! Wollt Ihr Planchet sein Geld zurückgeben? Ich begreife das, mein Freund, denn es geziemt sich nicht, daß ein Edelmann von einem Untergeordneten entlehnt, ohne ihm Kapital und Zinsen heimzubezahlen. Es sei! ich werde la Fère verkaufen, wenn es sein muß, oder wenn es nicht nöthig ist, einen kleinen Pachthof. Ihr bezahlt Planchet und, glaubt mir, es bleibt Korn genug für uns Beide und für Raoul auf meinen Speichern. Auf diese Art, mein Freund, werdet Ihr nur gegen Euch selbst eine Verbindlichkeit haben, und wenn ich Euch gut kenne, wird es keine geringe Befriedigung für Euren Geist sein, daß Ihr Euch sagen könnt: »»Ich habe einen König gemacht.«« Habe ich Recht?«
»Athos! Athos!« murmelte d’Artagnan träumerisch, »ich sagte Euch schon einmal, am Tag, wo Ihr predigt, werde ich in die Kirche gehen; an dem Tag, wo Ihr mir sagen werdet, es gebe eine Hölle, bekomme ich bange vor dem Rost und dem Schürhaken. Ihr seid besser als ich, oder vielmehr besser als die ganze Welt, und ich kann mir nur ein Verdienst zuerkennen, das, daß ich nicht eifersüchtig bin. Außer diesem Fehler habe ich, Gott soll mich verdammen, wie die Engländer sagen, alle andere.«
»Ich kenne Niemand, der den Werth von d’Artagnan besäße,« erwiederte Athos. »Doch wir sind nun ganz sachte zu dem Haus gekommen, das ich bewohne; wollt Ihr bei mir eintreten, mein Freund?«
»Ei! das ist die Taverne zum Hirschhorn, wie mir scheint.« sagte d’Artagnan.
»Ich gestehe, mein Freund, ich habe sie ein wenig deshalb gewählt. Ich liebe die alten Bekannten, ich setze mich gern an den Platz, wo ich ganz gelähmt von Müdigkeit, ganz von der Verzweiflung ergriffen niedersank, als Ihr am 31. Januar Abends zurückkamet.«
»Nachdem ich die Wohnung des verkleideten Henkers entdeckt hatte? Ja, das war ein furchtbarer Tag.«
»Kommt also,« sagte Athos.
Sie traten in die einst gemeinschaftliche Stube ein. Die Taverne im Allgemeinen und diese Stube insbesondere hatten große Veränderungen erlitten. Der ehemalige Wirth der Musketiere, der für einen Gastgeber ziemlich reich geworden war, hatte seine Schenke geschlossen und aus der erwähnten Stube eine Niederlage für Colonialwaaren gemacht. Das übrige Haus vermiethete er meublirt an Fremde.
Mit unsäglicher Gemüthsbewegung erkannte d’Artagnan die ganze Ausstattung des Zimmers im ersten Stock wieder: das Täfelwerk, die Tapeten und sogar die