habe immer irgendwo einen Dummkopf gefunden, der mir die Zeit der Aufgaben, der Ruthen, der trockenen Brodkrusten rühmte . . . Es ist sonderbar, nie habe ich dies geliebt, und so thätig, so nüchtern ich war (und Ihr wißt, ob ich dies gewesen bin, Athos), so einfach ich in meinen Kleidern erschien, habe ich darum doch nicht minder die Stickereien von Porthos mein erknappen, fadenscheinigen Kasake, die den Nordostwind im Winter, die Sonne im Sommer durchließ, vorgezogen. Seht, mein Freund, ich werde stets demjenigen mißtrauen, welcher behauptet, er ziehe das Schlimme dem Guten vor. Von der vergangenen Zeit aber, wo Alles schlimm für mich war, von der vergangenen Zeit, wo jeder Monat ein Loch mehr in meiner Kasake und in meiner Haut, einen Goldthaler weniger in meiner armseligen Börse sah, von dieser abscheulichen Zeit der Schwankungen beklage ich durchaus nichts, nichts, nichts, als unsere Freundschaft, denn bei mir gibt es ein Herz, und wunderbarer Weise ist dieses Herz nicht durch den Wind der Dürftigkeit, der durch die Löcher meines Mantels strich, vertrocknet, oder durch die Degen aller Fabriken, welche in die Löcher meines unglücklichen Fleisches eindrangen, durchbohrt worden.«
»Beklagt nicht unsere Freundschaft,« sprach Athos; »sie wird nur mit uns sterben. Die Freundschaft besteht hauptsächlich aus Erinnerungen und Gewohnheiten, und wenn Ihr so eben eine kleine Satyre auf die meinige gemacht habt, weil ich zögere, Euch meinen Auftrag in Frankreich zu enthüllen . . . «
»Ich? . . . O Himmel! wenn Ihr wüßtet, lieber und guter Freund, wie mir fortan alle Aufträge und Sendungen der Welt gleichgültig sein werden!«
Und er schob seine Pergamente in seine weite Tasche.
Athos stand vom Tische auf und rief den Wirth, um die Rechnung zu bezahlen.
»Seitdem ich Euer Freund bin,« sagte d’Artagnan, »habe ich nie eine Zeche bezahlt; Porthos oft, Aramis zuweilen, und Ihr zoget beinahe immer Eure Börse beim Nachtisch. Nun bin ich reich und will es versuchen, ob es Heldenmuth erfordert, zu bezahlen.«
»Thut es,« sprach Athos und steckte seine Börse wieder in seine Tasche.
Die zwei Freunde wandten sich sodann nach dem Hasen, doch nicht ohne daß d’Artagnan von Zeit zu Zeit rückwärts schaute, um den Transport seiner lieben Thaler zu bewachen. Die Nacht hatte ihren dichten Schleier über dem gelben Wasser der Themse ausgebreitet; man hörte die Geräusche der Tonnen und der Blockrollen, Vorläufer der Abfahrt, welche so oft das Herz der Musketiere in einer Zeit schlagen gemacht hatten, wo die Gefahr der See die geringste von denjenigen war, welchen sie die Stirne bieten sollten. Diesmal hatten sie sich auf einer großen Fregatte einzuschiffen, die sie in Gravesend erwartete, und stets zart in kleinen Dingen, hatte ihnen Karl II. eine von seinen Yachten mit zwölf Mann von seiner schottischen Leibwache geschickt, um dem Botschafter, den er nach Frankreich absandte, Ehre anzuthun. Um Mitternacht brachte die Yacht ihre Passagiere an Bord der Fregatte, und um acht Uhr Morgens schiffte die Fregatte den Botschafter und seinen Freund vor dem Hafendamm vor Boulogne aus. Während sich der Graf und Grimaud mit den Pferden beschäftigten, um unmittelbar nach Paris abzureisen, lief d’Artagnan nach dem Wirthshaus, wo ihn seinem Befehle gemäß seine kleine Armee erwarten sollte. Diese Herren frühstückten Austern, Seefische und aromatischen Branntwein, als d’Artagnan erschien. Sie waren sehr heiter, doch keiner hatte die Grenzen der Vernunft überschritten. Ein Freudengeschrei empfing den General.
»Hier bin ich,« sprach d’Artagnan: »der Feldzug ist beendigt. Ich komme und bringe Jedem den zugesagten Ergänzungssold.«
Die Augen glänzten,
»Ich wette, es finden sich schon keine hundert Livres mehr in der Bügeltasche des Reichsten von Euch.«
»Das ist wahr,« rief man im Chor.
»Meine Herren,« sprach nun d’Artagnan, »hört den letzten Befehl. Der Handelsvertrag ist durch den Handstreich abgeschlossen worden, der uns zu Herren des gewandtesten Finanzmanns von England gemacht hat, denn ich muß es Euch nun gestehen, der Mann, um dessen Entführung es sich handelte, war der Schatzmeister des General Monk.«
Das Wort Schatzmeister brachte eine gewisse Wirkung bei der ganzen Armee hervor. D’Artagnan bemerkte, daß nur allein die Augen von Menneville nicht von einem vollkommenen Glauben zeugten.
»Diesen Schatzmeister,« fuhr d’Artagnan fort, »habe ich auf ein neutrales Gebiet, nämlich nach Holland gebracht; ich habe ihn den Vertrag unterzeichnen lassen, ich habe ihn selbst nach Newcastle zurückgeführt, und da er mit unserem Verfahren gegen ihn zufrieden sein mußte, da die tannene Kiste stets ohne Stöße transportirt wurde und überdies ganz weich ausgepolstert war, so verlangte ich eine Belohnung für Euch. Hier ist sie.«
Er warf einen ziemlich ansehnlichen Sack auf das Tischtuch. Alle streckten unwillkührlich die Hand darnach aus.
»Einen Augenblick Geduld, meine Lämmer!« rief d’Artagnan; »wo es Beneficien gibt, gibt es immer auch Lasten.«
»Hoho!« murmelte die Versammlung.
»Wir werden uns in einer Stellung befinden, meine Freunde, welche für Leute ohne Gehirn nicht haltbar wäre; ich spreche unumwunden: wir stehen zwischen dem Galgen und der Bastille.«
»Oho!« rief der Chor.
»Das ist leicht zu begreifen. Ich mußte dem General Monk das Verschwinden seines Schatzmeisters erklären; ich erwartete hierzu den sehr unvorhergesehenen Augenblick der Zurückberufung von Karl II., der einer meiner Freunde ist.«
Die Armee tauschte einen Blick der Zufriedenheit gegen den ziemlich hoffärtigen Blick von d’Artagnan.
»Sobald der König wieder auf seinem Thron saß, gab ich Herrn Monk seinen Geschäftsführer zurück, es ist wahr, etwas gerupft, doch ich habe ihn immerhin zurückgegeben. Der General, als er mir verzieh, denn er hat mir verziehen, konnte sich nicht enthalten, mir folgende Worte zu sagen, die ich Euch Alle tief zwischen den Augen unter dem Gewölbe des Schädels einzugraben auffordere: »»Mein Herr, der Scherz ist gut, doch ich liebe natürlich die Scherze nicht; wenn je ein Wort von dem, was Ihr gethan habt«« (Ihr versteht, Herr von Menneville), »»Euren Lippen oder denen Eurer Gefährten entschlüpfte, so habe ich in meinem Gouvernement Schottland und Irland siebenhundert und einundvierzig Galgen von Eichenholz, welche mit Eisen gepflockt sind und jede Woche frisch mit Fett eingeschmiert werden. Ich mache mit einem von diesen Galgen jedem von Euch ein Geschenk, und bemerkt wohl, lieber Herr d’Artagnan,«« fügte er bei (bemerkt auch, lieber Herr von Menneville), »»es blieben mir immer noch siebenhundert und dreißig für meine kleinen Vergnügungen . . . Dabei . . . ««
»Ah! ah!« rief die Armee, »es ist noch etwas dabei?«
»Eine Erbärmlichkeit: »»Herr d’Artagnan, ich überschicke dem König von Frankreich den fraglichen Vertrag mit der Bitte, alle diejenigen, welche an dem Unternehmen Theil genommen, vorläufig in die Bastille zu stecken und dann mir zuzusenden; das ist eine Bitte, der der König sicherlich entsprechen wird.««
Ein Schrei des Schreckens erhob sich von allen Ecken des Tisches.
»Ruhig, ruhig,« sagte d’Artagnan; »dieser brave Herr Monk hat Eines vergessen; er weiß den Namen von keinem von Euch; ich allein kenne Euch, und ich werde Euch nicht verrathen, das mögt Ihr mir wohl glauben. Warum denn auch? Was aber Euch betrifft, so kann ich nicht annehmen, Ihr werdet je so albern sein, Euch selbst anzuzeigen, denn um die Ausgaben für Kost und Wohnung zu ersparen, würde Euch der König ganz einfach nach Schottland schicken, wo die siebenhundert und einundvierzig Galgen sind. So steht die Sache, meine Herren. Und nun habe ich dem, was ich Euch zu sagen die Ehre gehabt, kein Wort mehr beizufügen. Ich bin fest überzeugt, daß man mich vollkommen begriffen hat, nicht wahr, Herr von Menneville?«
»Vollkommen,« erwiederte dieser.
»Nun zu den Thalern!« sagte d’Artagnan; »schließt die Thüren.«
Er sprach es und schüttelte den Sack auf den Tisch aus, von wo mehrere schöne Goldthaler herabfielen.
Jeder machte eine Bewegung nach dem Boden.
»Gut, gut!« rief d’Artagnan; »Niemand bücke sich und ich werde meine Summe schon wieder finden.«
Er fand sie in der That, gab Jedem fünfzig von diesen schönen Thalern und empfing