seufzte.
»Nun, Mylord?« fragte d’Artagnan.
»Ich sagte also, wenn ich eines Tages auch nach Frankreich ginge . . . «
»Ihr werdet dahin gehen,« sprach d’Artagnan lächelnd, »ich stehe Euch dafür.«
»Und warum dies?«
»Ah! ich habe eine eigenthümliche Art der Vorhersagung, und selten täusche ich mich, wenn ich einmal vorhersage. Kommt Ihr also nach Frankreich? . . . «
»Wohl, mein Herr, Ihr, von dem die Könige die kostbare Freundschaft verlangen, die ihnen Kronen zurückgibt . . . darf ich Euch um ein wenig von der großen Theilnahme bitten, die Ihr meinem Vater habt angedeihen lassen?«
»Mylord,« erwiederte d’Artagnan, »glaubt mir, ich werde mich für sehr geehrt halten, wenn Ihr Euch dort noch erinnern wollt, daß Ihr mich hier gesehen habt. Und nun erlaubt . . . «
Dann sich gegen Lady Henriette umwendend, sprach er:
»Madame, Eure Hoheit ist eine Tochter Frankreichs, und in dieser Eigenschaft hoffe ich sie in Paris wiederzusehen. Einer meiner glücklichsten Tage wird der sein, wo mir Eure Hoheit einen Befehl ertheilen wird, der mich daran erinnert, daß sie die Empfehlung ihres erhabenen Bruders nicht vergessen hat.«
Und er verbeugte sich vor der jungen Prinzessin, die ihm mit einer ganz königlichen Anmuth die Hand zum Kusse reichte.
»Ah! Madame,« sagte Buckingham ganz leise, »was müßte man thun, um von Eurer Hoheit eine ähnliche Gunst zu erlangen?«
»Ei! Mylord,« erwiederte Lady Henriette, »fragt Herrn d’Artagnan, und er wird es Euch sagen.«
XXII.
Wie d’Artagnan, als wäre er eine Fee, ein Landhaus aus einer tannenen Kiste zog
Die Worte des Königs in Betreff der Eitelkeit von Monk hatten d’Artagnan keine geringe Furcht eingeflößt. Der Lieutenant hatte sein ganzes Leben die große Kunst besessen, seine Feinde zu wählen, und geschah es, daß er unversöhnliche und unüberwindliche annahm, so war dies der Fall, weil er unter keinem Vorwand es anders machen konnte. Doch die Gesichtspunkte verwandeln sich ungemein im Leben. Es ist dies eine magische Laterne, deren Ansichten das Auge des Menschen jedes Jahr verändert. Daraus geht hervor, daß zwischen dem letzten Tag eines Jahres, wo man weiß sah, und dem ersten des andern, wo man schwarz sehen wird, nur der Raum einer Nacht liegt.
Als d’Artagnan von Calais mit seinen zehn Strolchen abreiste, kümmerte er sich ebenso wenig darum, ob es einen Strauß mit Goliath, mit Nebukadnezar oder mit Holofernes gegolten hätte, oder ob er seinen Degen mit einem Rekruten gekreuzt oder einen Streit mit seiner Wirthin bekommen haben würde. Er glich dem Sperber, der, wenn er Hunger hat, einen Widder angreift. Der Hunger blendet. Aber der gesättigte d’Artagnan, der reiche d’Artagnan, d’Artagnan der Sieger, d’Artagnan stolz auf einen so schwierigen Triumph, d’Artagnan hatte zu viel zu verlieren, um nicht Zahl für Zahl mit dem wahrscheinlichen schlimmen Geschick zu rechnen.
Während er von seiner Vorstellung zurückkehrte, dachte daher d’Artagnan nur daran, einen so mächtigen Mann wie Monk für sich zu gewinnen, einen Mann, den auch Karl, obgleich er König war, auf das Schonendste behandelte und sich geneigt zu erhalten suchte; denn kaum wieder auf seinen Thron gestellt, konnte der Beschützte noch des Beschützers bedürfen, und würde ihm folglich vorkommenden Falles nicht die kleine Befriedigung verweigern, Herrn d’Artagnan deportiren, oder ihn in irgend einen Thurm von Middlessex einsperren, oder ihn auf der Ueberfahrt von Dover nach Boulogne ein wenig ertränken zu lassen. Solche Befriedigungen gewähren Könige den Vicekönigen, ohne sich irgend ein Bedenken daraus zu machen.
Es war sogar nicht einmal nöthig,.daß sich der König bei der Gegenrolle des Stückes, wo sich Monk seine Genugthuung nehmen würde, thätig zeigte. Die Rolle des Königs könnte sich ganz einfach darauf beschränken, daß er dem Vicekönig von Irland Alles verzeihen würde, was er gegen d’Artagnan unternähme. Das Gewissen des Herzogs von Albermale brauchte nicht mehr zu seiner Beruhigung als ein lachend ausgesprochenes! A b s o l v o t e, oder das Gekritzel Charles the King unten an einem Pergament, und mit diesen zwei ausgesprochenen oder drei geschriebenen Worten war der arme d’Artagnan für immer unter den Trümmern seiner Einbildungskraft begraben.
Und dann, was ein für einen so vorsichtigen Mann, wie unser Musketier, sehr beunruhigender Umstand war, und dann sah er sich allein, und die Freundschaft von Athos genügte nicht, um ihn zu beruhigen.
Hätte es sich nur um eine gute Austheilung von Degenstichen gehandelt, so würde der Musketier allerdings auf seinen Landsmann gezählt haben; doch bei zarten Verhältnissen zu einem König, wo das Vielleicht eines unglücklichen Zufalls zu der Rechtfertigung von Monk oder von Karl II. beitragen dürfte, kannte d’Artagnan hinreichend Athos, um sicher zu sein, er würde der Redlichkeit des Ueberlebenden den schönsten Theil bewilligen und sich darauf beschränken, viele Thrakien auf dem Grabe des Tobten zu vergießen und, falls der Todte sein Freund wäre, hernach eine Grabschrift für ihn mit den pomphaftesten Superlativen abzufassen.
»Offenbar,« dachte der Gascogner, und dieser Gedanke war das Resultat der Betrachtungen, die er ganz leise angestellt hatte, während wir sie ganz laut anstellen, »offenbar muß ich mich mit Herrn Monk versöhnen und einen Beweis von seiner vollkommenen Gleichgültigkeit in Beziehung auf das Vergangene erlangen. Ist er, was Gott verhüten möge, noch verdrießlich und zurückhaltend im Ausdruck dieses Gefühls, so gebe ich mein Geld Athos mit, ich bleibe in England gerade lang genug, um ihn zu entschleiern; dann, da ich ein lebhaftes Auge und einen leichten Fuß habe, ergreife ich das erste feindliche Zeichen, mache mich aus dem Staube, verberge mich bei Mylord von Buckingham, der mir im Grunde ein guter Teufel zu sein scheint, und erzähle ihm zum Lohn für seine Gastfreundschaft die ganze Geschichte mit den Diamanten, die jetzt Niemand mehr compromittiren kann, als eine alte Königin, welche, da sie nun die Frau eines Erzknausers, wie Herr von Mazarin, ist, wohl dafür, daß sie einst die Geliebte eines schönen, edlen Herrn wie Buckingham gewesen, angesehen werden darf. Mordioux! das ist abgemacht, und dieser Monk wird mich nicht übertreffen. Ei! überdies habe ich eine Idee!«
Man weiß, daß es d’Artagnan im Allgemeinen nicht an Ideen gebrach.
Während seines Selbstgesprächs hatte sich d’Artagnan bis ans Kinn zugeknöpft, und nichts erregte in ihm so sehr die Einbildungskraft, als diese Vorbereitung zu einem Kampf, von den Römern Accinctio genannt. Er kam ganz erhitzt in die Wohnung des Herzogs von Albermale. Man führte ihn beim Vicekönig mit einer Eile ein, welche bewies, daß man ihn als zum Hause gehörig betrachtete. Monk war in seinem Arbeitscabinet.
»Mylord,« sagte d’Artagnan mit jenem Ausdruck von Offenherzigkeit, den der Gascogner so gut auf seinem listigen Gesicht zu verbreiten wußte, »Mylord, ich komme, um Eure Herrlichkeit um einen Rath zu bitten.«
Ebenso moralisch zugeknöpft, als es sein Gegner physisch war, erwiederte Monk:
»Verlangt, mein Lieber.«
Und sein Gesicht bot einen nicht minder offenen Ausdruck, als das von d’Artagnan.
»Mylord, versprecht mir vor Allem Geheimhaltung und Nachsicht.«
»Ich verspreche Euch Alles, was Ihr wollt. Sagt, was gibt es?«
»Mylord, ich bin nicht ganz mit dem König zufrieden.«
»Ah! wahrhaftig? Und in welcher Hinsicht, mein lieber Lieutenant, wenn es Euch beliebt?«
»Seine Majestät überläßt sich zuweilen für seine Diener sehr compromittirenden Scherzen, und der Scherz, Mylord, ist eine Waffe, welche die Leute vom Schwert, wie wir, ungemein verletzt.«
Monk gab sich alle Mühe, um seine Gedanken nicht zu verrathen; doch d’Artagnan belauerte ihn mit einer zu beharrlichen Aufmerksamkeit, um nicht eine unmerkliche Röthe auf seinen Wangen wahrzunehmen.
»Ich, was mich betrifft,« sagte Monk mit der allernatürlichsten Miene, »ich bin kein Feind des Scherzes, mein lieber Herr d’Artagnan; meine Soldaten werden Euch sogar sagen, daß ich sehr oft im