lassen wir ihm die Gerechtigkeit widerfahren, daß Raoul ohne den Zufall und Fräulein von Montalais, zwei versuchende Dämone, nach Erfüllung seiner Botschaft sogleich nach dem Hause seines Vaters galoppirt wäre, wobei er ohne Zweifel den Kopf umgedreht hätte, jedoch ohne einen Augenblick anzuhalten, und hätte er auch Louise die Arme nach ihm ausstrecken sehen.
Der erste Theil seines Rittes wurde auch von Raoul dem Bedauern des Vergangenen, das er so schnell verlassen, nämlich der Geliebten geweiht; die andere Hälfte dem Freunde, den er wiederfinden sollte . . . zu langsam für seine Sehnsucht.
Raoul fand die Gartenthüre offen und sprengte sein Pferd unter die Allee, ohne auf die Zeichen des Zorns zu merken, die mit seinen Armen ein Greis machte, der ein Tricot von veilchenblauer Wolle trug und eine alte, abgetragene Sammetmütze auf dem Kopf hatte.
Dieser Greis, der mit seinen Händen eine Rabatte von Zwergrosen und Margarethenblumen ausgätete, entrüstete sich, als er ein Pferd so in seine mit frischem Sand bestreuten und gerechten Alleen lausen sah.
Er wagte sogar ein kräftiges: He! das den Reiter sich umzudrehen bewog. Nun ging rasch eine Veränderung vor, denn sobald der Greis das Gesicht von Raoul gesehen hatte, sing er an, in der Richtung des Hauses wegzulaufen, mit einem unterbrochenen Knurren, das bei ihm der Paroxismus einer tollen Freude zu sein schien.
Raoul kam zu den Ställen, übergab sein Pferd einem kleinen Lackei und stieg die Freitreppe mit einem Eifer hinauf, welcher sicherlich das Herz seines Vaters ergötzt hätte.
Er durchschritt das Vorzimmer, den Speisesaal und den Salon, ohne Jemand zu finden; endlich, als er an die Thüre des Cabinets des Herrn Grafen de la Fère kam, klopfte er ungeduldig an und trat, beinahe ohne das Wort: Herein! abzuwarten, das ihm eine ernste und zugleich sanfte Stimme zurief, ein.
Der Graf saß vor einem mit Papieren und Büchern bedeckten Tisch. Es war immer noch der edle und schöne Mann von einst; doch die Zeit hatte seinem Adel, seiner Schönheit einen feierlicheren, ausgezeichneteren Charakter verliehen. Eine weiße, faltenlose Stirne unter seinen langen, mehr grauen, als schwarzen Haaren, ein durchdringendes und sanftes Auge unter den Wimpern eines Jünglings, der seine und kaum ergrauende Schnurrbart, welcher Lippen von einer so reinen und zarten Formung umgab, als wären sie nie von sterblichen Leidenschaften zusammengezogen worden; eine gerade und geschmeidige Taille, eine tadellose, aber abgemagerte Hand, dies war der erhabene Edelmann, dessen Lob unter dem Namen Athos so vieler ausgezeichneter Menschen Mund ausgesprochen hatte. Er beschäftigte sich eben damit, die Blätter eines Heftes Manuscript, das ganz von seiner Hand ausgefüllt war, zu verbessern.
Raoul faßte seinen Vater bei den Schultern, beim Hals, wie er konnte, und umarmte ihn so zärtlich, so rasch, daß der Graf weder die Kraft, noch die Zeit hatte, sich loszumachen und seine väterliche Erschütterung zu bewältigen.
»Ihr hier, Ihr hier, Raoul!« sprach er. »Ist das möglich?«
»Oh! Herr, Herr! welche Freude, Euch wiederzusehen!«
»Ihr antwortet mir nicht, Vicomte? Habt Ihr einen Urlaub, um in Blois zu sein, oder ist ein Unglück in Paris geschehen?«
»Es ist, Gott sei Dank! nur Glückliches geschehen,« erwiederte Raoul, der sich allmälig beruhigte; »der König verheirathet sich, wie ich Euch in meinem letzten Briefe zu melden die Ehre gehabt habe, und reist nach Spanien. Seine Majestät wird durch Blois kommen.«
»Um Monsieur einen Besuch zu machen?«
»Ja, Herr Graf. Da er befürchtete, er könnte ihn unversehens überfallen, oder da er ihm besonders angenehm zu sein wünschte, so hat mich der Herr Prinz abgeschickt, um die Quartiere bereit zu halten.«
»Habt Ihr Monsieur gesehen?« fragte der Graf lebhaft.
»Ich habe diese Ehre gehabt.«
»Im Schloß?«
»Ja, mein Herr,« erwiederte Raoul, die Augen niederschlagend, weil er ohne Zweifel in der Frage des Grafen mehr als Neugierde fühlte.
»Ah! wahrhaftig, Vicomte? Ich mache Euch mein Compliment.«
Raoul verbeugte sich.
»Aber Ihr habt in Blois noch Jemand gesehen?«
»Ich habe Ihre königliche Hoheit Madame gesehen.«
»Sehr gut. Doch ich spreche nicht von Madame.«
Raoul erröthete und antwortete nicht.
»Ihr hört mich nicht, wie es scheint, Herr Vicomte?« sprach Herr de la Fère, ohne seine Frage stärker zu betonen, während er jedoch seinem Blicke einen etwas strengeren Ausdruck verlieh.
»Ich höre Euch vollkommen, Herr Graf,« erwiederte Raoul, »und wenn ich meine Antwort vorbereite, so geschieht es nicht, weil ich eine Lüge suche, wie Ihr wißt.«
»Ich weiß, daß Ihr nie lügt, und muß mich auch wundern, daß Ihr so lange Zeit braucht, um mir Ja oder Nein zu sagen.«
»Ich kann Euch nur antworten, wenn ich Euch gut verstehe, und wenn ich Euch gut verstanden habe, so werdet Ihr meine ersten Worte schlimm aufnehmen! Es mißfällt Euch ohne Zweifel, Herr Graf, daß ich . . . «
»Fräulein de la Vallière gesehen habe, nicht wahr?«
»Von ihr wollt Ihr sprechen, ich weiß es wohl, Herr Graf,« sagte Raoul mit unbeschreiblicher Weichheit.
»Und ich frage Euch, ob Ihr sie gesehen habt?«
»Herr Graf, als ich ins Schloß kam, wußte ich durchaus nicht, Fräulein de la Vallière könnte dort sein; erst als ich zurückkehrte, nachdem ich meine Sendung vollbracht hatte, führte uns der Zufall zusammen. Ich habe die Ehre gehabt, ihr meine Achtung zu bezeigen.«
»Wie heißt der Zufall, der Euch mit Fräulein de la Vallière zusammenbrachte?«
»Fräulein von Montalais, mein Herr.«
»Wer ist Fräulein von Montalais?«
»Eine junge Person, die ich nicht kannte, die ich nie gesehen hatte. Sie ist Ehrenfräulein von Madame.«
»Herr Vicomte, ich werde mein Verhör nicht weiter treiben und mache es mir schon zum Vorwurf, daß ich es so lange habe dauern lassen. Ich hatte Euch empfohlen, Fräulein de la Vallière zu vermeiden und sie nur mit meiner Erlaubniß zu sehen. Oh! ich weiß, daß Ihr mir die Wahrheit gesagt und keinen Schritt gethan habt, um sich ihr zu nähern. Der Zufall hat mich beeinträchtigt; ich habe Euch nicht anzuklagen. Ich werde mich also mit dem begnügen, was ich Euch schon in Beziehung auf Fräulein de la Vallière gesagt habe. Gott sei mein Zeuge, ich mache ihr keinen Vorwurf; es läßt sich nur nicht mit meinen Plänen in Einklang bringen, daß Ihr ihr Haus besucht. Ich bitte Euch noch einmal, mein lieber Raoul, Euch hiernach zu richten.
Es war, als ob das so reine und durchsichtige Auge von Raoul bei diesem Worte sich trübte.
»Nun, mein Freund,« fuhr der Graf mit seinem sanften Lächeln und seinem gewöhnlichen Tone fort, »sprechen wir nun von etwas Anderem. Ihr werdet vielleicht zu Eurem Dienste zurückkehren?«
»Nein, mein Herr, ich kann den ganzen Tag bei Euch bleiben. Der Herr Prinz hat mir glücklicher Weise keine andere Pflicht vorgeschrieben. als die, welche so sehr mit meinen Wünschen übereinstimmte.«
»Der König befindet sich wohl?«
»Vortrefflich.«
»Und der Herr Prinz auch?«
»Wie immer.«
Der Graf vergaß Mazarin: das war eine alte Gewohnheit.
»Wohl! Raoul, da Ihr nur mir gehört, so werde ich Euch meinerseits auch meinen ganzen Tag schenken. Umarmt mich noch einmal . . . Ihr seid zu Hause, Vicomte . . . Ah! hier ist unser alter Grimaud! . . . Kommt, Grimaud, der Herr Vicomte will Euch auch umarmen.«
Der lange Greis ließ sich das nicht wiederholen; er lief mit offenen Armen herbei. Raoul ersparte ihm die Hälfte des Wegs.
»Wollen wir nun mit einander in den Garten gehen, Raoul? Ich zeige Euch die neue Wohnung, die ich Euch für Eure Urlaube habe bereiten