hatte das Papier geöffnet und las dennoch nicht.
Er horchte auf Fouquet, der seiner Mutter bewunderungswürdig gedrechselte Complimente über ihre Hände und ihre Arme machte.
Das Gesicht von Anna von Oesterreich entrunzelte sich und ging beinahe zum Lächeln über.
Fouquet bemerkte, daß der König, statt zu lesen, ihn anschaute und auf ihn horchte; er machte eine halbe Wendung und befand sich, während er zugleich, so zu sagen, Anna von Oesterreich anzugehören fortfuhr, dem König gegenüber.
»Ihr wißt, Herr Fouquet, daß Seine Eminenz sehr krank ist?« sprach der König.
»Ja, Sire, ich weiß es,« antwortete Fouquet, »der Cardinal ist in der That sehr krank. Ich war auf meinem Landgute Vaux, als die Nachricht so dringend bei mir eintraf, daß ich Alles verließ.«
»Ihr habt diesen Abend Vaux verlassen, mein Herr?«
»Vor anderthalb Stunden, ja, Eure Majestät,« antwortete Fouquet, indem er auf eine ganz mit Brillanten besetzte Uhr schaute.
»Anderthalb Stunden,« sagte der König, mächtig genug, um seinen Zorn zu bemeistern, doch nicht, um sein Erstaunen zu verbergen.
»Ich verstehe, Sire, Eure Majestät zweifelt an meinem Wort, und sie hat Recht! doch wenn ich so rasch gekommen bin, ist es wahrhaftig ein Wunder. Man schickte mir aus England drei Paar Pferde, welche, wie man mich versicherte, sehr rasch sein sollten; sie waren von vier zu vier Stunden aufgestellt, und ich probirte sie diesen Abend. Sie haben in der That den Weg von Vaux nach dem Louvre in anderthalb Stunden zurückgelegt, und Eure Majestät sieht, daß ich nicht betrogen worden bin.«
Die Königin Mutter lächelte mit einem geheimen Neid.
Fouquet kam diesem schlimmen Gedanken entgegen und fügte rasch bei:
»Solche Pferde, Madame, sind auch nicht für Unterthanen, sondern für Könige gemacht, denn die Könige dürfen nie irgend Jemand, in was es auch sein mag, nachstehen.«
Der König erhob das Haupt.
»Ihr seid aber nicht König, daß ich wüßte, Herr Fouquet,« sprach Anna von Oesterreich.
»Madame, die Pferde warten auch nur auf einen Wink Seiner Majestät, um in die Ställe des Louvre geführt zu werden; und wenn ich mir dieselben zu probiren erlaubt habe, so geschah es nur in der Furcht, ich dürfte dem König etwas anbieten, was nicht gerade ein Wunder wäre.«
Der König wurde sehr roth.
»Ihr wißt, Herr Fouquet,« erwiederte die Königin Mutter, »es ist nicht der Brauch am Hof von Frankreich, daß ein Unterthan seinem König etwas anbietet,«
Ludwig machte eine Bewegung.
»Madame,« entgegnete Fouquet sehr bewegt, »ich hoffte, meine Liebe für Seine Majestät, mein unablässiges Verlangen, ihr zu gefallen, würden diesem Grund der Etiquette als Gegengewicht dienen. Uebrigens war es nicht ein Geschenk, was ich anzubieten mir erlaubte, sondern ein Tribut, den ich entrichten wollte.«
»Ich danke, Herr Fouquet,« sagte der König mit höflichem Ton, »ich bin Euch erkenntlich für die Absicht, denn ich liebe in der That die guten Pferde; aber Ihr wißt, daß ich nicht reich bin; Ihr wißt es besser, als irgend Jemand, Ihr, mein Oberintendant der Finanzen. Ich kann also, selbst wenn ich wollte, ein so theures Gespann nicht kaufen.«
Fouquet schleuderte einen Blick voll Stolz der Königin Mutter zu, welche über die falsche Stellung des Ministers zu triumphiren schien und erwiederte:
»Der Luxus ist die Tugend der Könige, Sire; der Luxus macht sie Gott ähnlich; durch den Luxus sind sie mehr als die anderen Menschen. Mit dem Luxus nährt und ehrt ein König seine Unterthanen. Unter dem sanften Luxus der Könige entsteht der Luxus der Privatleute, eine Quelle der Reichthümer des Volks. Durch die Annahme des Geschenkes von sechs unvergleichlichen Pferden hätte Seine Majestät die Eitelkeit der Züchter unseres Landes, des Limousin, des Perche, der Normandie, gestachelt, und ein für Alle nützlicher Wetteifer wäre daraus entstanden . . . doch der König schweigt und ich bin folglich verurtheilt.«
Während dieser Zeit machte Ludwig XIV., um sich eine Haltung zu geben, das Papier von Mazarin, auf das er noch keinen Blick geworfen hatte, auf und zu.
Endlich verweilte sein Auge darauf, und schon bei der ersten Zeile stieß er einen leichten Schrei aus.
»Was gibt es denn, mein Sohn?« fragte Anna von Oesterreich, indem sie sich rasch dem König näherte.
»Vom Cardinal,« antwortete der König fortfahrend . . . »Ja, ja, das ist gut von ihm.«
»Geht es ihm denn schlimmer?«
»Leset,« sprach der König und gab das Papier seiner Mutter, als dächte er, Anna von Oesterreich müßte nothwendig lesen, um sich von einer so erstaunlichen Sache, wie die, welche das Papier enthielt, zu überzeugen.
Anna von Oesterreich las ebenfalls. Während sie las, funkelten ihre Augen von einer immer lebhafteren Freude, welche sie vergebens zu verbergen suchte, und die die Blicke von Fouquet anzog.
»Ja, eine förmliche Schenkung,« sagte sie.
»Eine Schenkung?« wiederholte Fouquet.
»Ja,« sagte der König, dem Oberintendanten der Finanzen besonders antwortend, »ja, auf dem Punkte, zu sterben, macht mir der Herr Cardinal eine Schenkung mit seinem ganzen Vermögen.«
»Vierzig Millionen I« rief die Königin. »Ah! mein Sohn, das ist ein schöner Zug vom Herrn Cardinal, der vielen böswilligen Gerüchten widersprechen wird; vierzig Millionen, langsam aufgehäuft, fließen so mit einem Schlag in Masse in den königlichen Schatz; . . . das ist die Handlungsweise eines treuen Untertanen und eines wahren Christen.«
Und nachdem sie noch einmal ihre Augen auf die Urkunde geheftet hatte, gab sie dieselbe Ludwig XIV. zurück, den das Aussprechen dieser ungeheuren Summe ganz zittern machte.
Fouquet war einige Schritte rückwärts gegangen und schwieg.
Der König reichte ihm das Papier ebenfalls.
Der Oberintendant verweilte nur eine Secunde mit seinem hoffärtigen Blick darauf. Dann verbeugte er sich und sprach:
»Ja, Sire, eine Schenkung, wie ich sehe,«
»Ihr müßt antworten, mein Sohn,« rief Anna von Oesterreich.
»Wie dies, Madame?«
»Durch einen Besuch beim Cardinal.«
»Aber ich habe Seine Eminenz erst vor einer Stunde verlassen.«
»Dann schreibt, Sire.«
»Schreiben!» rief der junge König mit einem Widerstreben.
»Ei! mein Sohn,« sagte Anna von Oesterreich, »mir scheint, ein Mann, der ein solches Geschenk gemacht hat, ist wohl berechtigt, zu erwarten, daß man ihm mit einiger Eile, dankt.«
Dann sich gegen den Oberintendanten umwendend:
»Ist das nicht Eure Ansicht, Herr Fouquet?«
»Das Geschenk ist wohl der Mühe werth, ja, Madame,« erwiederte her Oberintendant mit einem Adel, welcher dem König nicht entging.
»Nehmt es also an und dankt,« sprach Anna von Oesterreich.
»Was sagt Herr Fouquet?« fragte Ludwig XIV.
»Seine Majestät will meine Ansicht wissen?«
»Ja.«
»Dankt, Sire . .
»Ah!« machte Anna von Oesterreich.
»Doch nehmt nicht an,« fuhr Fouquet fort.
»Warum nicht?« fragte Anna von Oesterreich.
»Ihr habt es selbst gesagt, Madame,« erwiederte Fouquet, »weil die Könige von ihren Unterthanen Geschenke weder annehmen können, noch dürfen.«
Der König blieb stumm zwischen diesen zwei so sehr entgegengesetzten Ansichten.
»Aber vierzig Millionen!«