die seit gestern durch den Tod ihres Pastors erledigt ist.
– O mein Gott! Herr Rector, rief ich, von einem ersten Gefühle hingerissen, aus. Der arme Herr Snart ist gestorben? . . . Welches Unglück!
– Wie! Sie gewinnen eine Stellung bei diesem Tode, Sie erben eine Pfarre, die neunzig Pfund Sterling werth ist, und als Sie zugleich diese Katastrophe und ihre Vorstellung erfahren, stoßen Sie einen Ausruf des Schmerzes und nicht einen Freudenschrei aus? . . . Aber, mein lieber Herr Williams, das ist ganz evangelisch!
– Ich bitte Sie um Verzeihung, Herr Rector, antwortete ich, daß mein erstes Wort nicht ein Wort der Dankbarkeit gewesen ist, aber ich kannte den armen Herrn Snart; ich kannte seine Gattin, eine gute und würdige Frau, Herr Rector, und obgleich ich wußte, daß er sehr krank war, so hoffte ich doch, daß er längere Tage zu leben hatte. . . Gott hat ihn zu sich gerufen: der Wille Gottes geschehe!
Und ich flüsterte leise einige Worte des Gebets für die Ruhe der Seele des würdigen Pastors.
Der Rector blickte mich mit einem gewissen Erstaunen an.
– Jetzt, Herr Bemrode, sagte er zu mir, wissen Sie, daß ich für die erledigten Pfarrstellen ernenne, aber auf die Vorstellung der Gemeinden. Sie haben einen Mitbewerber; kämpfen Sie mit ihm; halten Sie Ihre Probepredigt. Er wird gleichfalls die seinige halten, und obgleich dieser Mitbewerber mein Neffe ist, so gebe ich Ihnen dennoch mein Wort, mein lieber Herr Bemrode, daß, wenn die Gemeinde Sie verlangt, Sie ernannt werden sollen.
– Herr Rector, sagte ich zu ihm, das, ich gestehe es Ihnen, erfüllt mich mit Bewunderung; ich bin daher auch trotz dem wohlwollenden Anerbieten, das Sie mir machen, bereit, mich vor Ihrem Herrn Neffen zurückzuziehen, und werde Ihnen darum nicht weniger dankbar sein, als wenn Sie mich ernannt hätten.
– Nicht doch, Herr Bemrode, nicht doch, rief der Rector aus; man sagt, daß Sie sehr gelehrt in den alten Sprachen, ganz bewandert in der Philosophie und in der Theologie, beredtsam wie Demosthenes und Cicero mit einander sind . . . Concurriren Sie, mein lieber Herr Williams Bemrode, concurriren Sie mit meinem Neffen; ich sage Ihnen nicht allein: » Das ist mein Wunsch«; ich füge hinzu: » Das ist mein Wille.«
Ich verneigte mich.
– Herr Rector, antwortete ich, vor einer solchen Erklärung Ihres Willens würde ich glauben, Ihr unparteiisches Wohlwollen zu beleidigen, wenn ich den Kampf ausschlüge, den Sie mir vorschlagen. – Es ist wahr, fuhr ich mit Zuversicht fort, daß ich ziemlich gute Studien gemacht habe; es ist wahr, daß ich einige Kenntnisse in der Theologie und in der Philosophie habe, und ich stand sogar im Begriff, eine Abhandlung über diese letzte Wissenschaft anzufangen, als ich die Ehre gehabt habe, von Ihnen beschieden zu werden, mein Herr; es ist ferner wahr, daß ich mich nicht für gänzlich der Gabe der Sprache entblößt glaube, obgleich es mir bis jetzt bei meinen Versuchen öffentlich zu sprechen, mißlungen ist; aber von Ihnen, Herr Rector, ermuthigt, unterstützt und protegirt, wird es mir hoffentlich gelingen . . . und, wenn ich nicht über einen Mitbewerber triumphire, der kein gewöhnlicher Mensch sein kann, da er Ihr Neffe ist, so habe ich wenigstens die Gewißheit, daß ich mit Ehren unterliegen werde.
Wie Sie haben sehen können, mein lieber Petrus, hatte ich seit dem Anfange dieser Unterhaltung ziemlich geläufig auf die verschiedenen Aufforderungen des Rectors geantwortet; ich hatte sogar zu sehen geglaubt, daß, indem er mich ohne Zweifel nach meinem ersten Besuche beurtheilte, ihn diese Leichtigkeit des Vortrages ein wenig verlegen gemacht hatte; ein spöttisches Lächeln, das sich auf seinen Lippen gezeigt, als er mich mit Demosthenes und Cicero verglichen, war mir nicht entgangen; aber die Absicht, mir nützlich zu sein, war bei diesem würdigen Manne so offenbar, es wäre ihm so leicht gewesen, mich in dem Falle nicht holen zu lassen, wo seine Absicht nicht die gewesen, welche er sagte; – ich suchte so vergebens das Interesse, das er haben könnte, mich zu täuschen, daß ich weder bei dieser Verlegenheit, noch bei diesem spöttischen Lächeln stehen blieb, und mit den Ausdrücken der lebhaftesten und besonders der aufrichtigsten Dankbarkeit Abschied von ihm nahm.
Ich kehrte mit großen Schritten, zu meinem Wirthe, dem Kupferschmied, zurück, der mich voller Ungeduld erwartete. – Nun? fragte er mich, sobald er mich erblickte.
– Ei nun, sagte ich zu ihm, mein lieber Wirth, die Zukunft hängt nur noch von mir ab! Der arme Herr Snart ist gestorben, und der Rector hat mich rufen lassen, um mich zu benachrichtigen, daß ich berufen wäre, um für die erledigte Pfarrstelle zu concurriren, was um so schöner von seiner Seite ist, da es in diesem Augenblicke nur einen einzigen Mitbewerber um diese Pfarrstelle giebt, und dieser Mitbewerber sein Neffe ist.
– Sein Neffe? den Teufel! äußerte der Kupferschmied, indem er sich hinter dem Ohre kratzte. Und auf welche Weise concurriren Sie?
– Durch eine Predigt. Er und ich, wir werden jeder die unsrige halten. . . Das ist das, was man die Probepredigt nennt. Die Gemeinde wird unter uns richten, und der, den sie vorzieht, wird ernannt werden.
– Den Teufel! den Teufel! wiederholte der Kupferschmied, indem er sich immer stärker hinter dem Ohre kratzte; eine Predigt! . . . Und das erschreckt Sie nicht, ein zweites Mal vor den Bewohnern von Ashbourn zu predigen?
– Ich weiß nicht, woher das kömmt, mein lieber Wirth: wie. ich glaube, wäre ich gestern in der That lieber gestorben, als die Kanzel wieder zu besteigen, auf welcher ich eine so schwere Niederlage erlitten habe. . . Aber seit meiner Unterredung mit dem Rector sagt mir irgend Etwas, daß es mir gelingen wird, und ich bin voller Vertrauen zu dieser geheimen Stimme, indem ich hoffe, daß sie mir von dem Herrn, und nicht von meinem Stolze und meiner Eitelkeit kommt.
– Es sei, sagte mein Wirth; aber ich rathe Ihnen Eines, mein lieber Herr Bemrode, nämlich Ihre Schüler nicht zu sehr zu vernachlässigen; vielleicht werden Sie sehr glücklich sein, sie eines Tages wiederzufinden. . .
– Im Gegentheile, antwortete ich lächelnd mit einer Zuversicht, die meinen Wirth zu erschrecken schien, im Gegentheile, ich habe meine ganze Zeit nöthig, um meine Probepredigt vorzubereiten; noch heute Abend richte ich an diese wackeren jungen Leute ein Rundschreiben, in welchem ich ihnen melde, daß ich zu meinem großen Bedauern, da ich mich auf dem Punkte befände, für die Pfarrstelle von Ashbourn ernannt zu werden, mich gezwungen sähe, ihre Erziehung zu unterbrechen; morgen mache ich mich an die Arbeit, und nächsten Sonntag halte ich meine Probepredigt.
– Ist dieser Entschluß gefaßt, lieber Herr Bemrode?
– Unwiderruflich, mein lieber Wirth.
– Dann wünsche ich, antwortete der wackere Mann, daß Sie ihn nicht bereuen mögen. . .
Und er entfernte sich, indem er den Kopf schüttelte, sich weit stärker als jemals hinter dem Ohre kratzte und murmelte:
– Den Teufel! den Teufel! den Teufel! diese Großmuth des Herrn Rectors scheint mir nicht natürlich . . .
Was mich anbetrifft, so ging ich wieder in mein Zimmer hinauf; ich schrieb meine fünf Abschiedsbriefe an meine fünf Schüler, und machte mich noch an demselben Abend an meine Probepredigt.
VIII.
Hoc
Indem Sie mich so ungeduldig sehen, mich an meine Probepredigt zu machen, lieber Petrus, müssen Sie sich wohl denken, daß mir für diese Predigt eine jener vortrefflichen Ideen gekommen war, die sich des Menschen von Erfindungsgabe bemächtigen, und die ihm keine Ruhe mehr lassen, bis er mit ihnen fertig geworden ist.
Diese Idee war ganz in dem Geschmacke, und ich möchte fast sagen, in der Mode der Zeit.
Es war eine Art von evangelischer Charade, die bestimmt war, die drei großen Tugenden Christi hervortreten zu lassen.
Das Losungswort der Charade war die lateinische Sylbe Hoc, die aus drei Buchstaben besteht, welche die Anfangsbuchstaben dreier Worte bilden, die meiner Predigt zum Texte dienten: Humilitas, 0bedientia, Castias.
Zuverlässig ist uns das erhabenste Beispiel der Demuth, des Gehorsams und der Keuschheit von Christus gegeben worden:
Der Demuth, – indem er als der Sohn eines armen Zimmermannes auf die Welt kam, und zum Orte seiner Geburt eine Krippe,