einen klugen, entschlossenen Mann bei sich haben, der Ihnen mit Rath und That an die Hand geht, falls sich Gefahren auf der Reise darbieten sollten. Wenn Ew. Majestät einen solchen Mann nicht zu finden wissen, so will ich Ihnen den Marquis d’Agoult, Major in der Garde, vorschlagen.
Der König nahm diesen zweiten Rath an.
Wir werden später sehen, wie es kam, daß der Major d’Agoult nicht in Varennes war, und die Veränderungen andeuten, welche seine Anwesenheit den Ereignissen hätte geben können.
In einem dritten Briefe befahl der König dem Grafen von Bouillé, von Châlons nach Montmédy eine Reihe von Poststationen mit frischen Pferden zu errichten; denn seine Absicht sey nicht nach Rheims zu gehen, wo er gekrönt worden sey und leicht erkannt werden könne; er wolle den Weg über Varennes nehmen.
Der Graf von Bouillé antwortete, der König könne in Rheims die Jalousien seines Wagens geschlossen halten; der Weg über Varennes sey gefährlich, weil an zwei Orten keine Post sey und Pferde dahin geschickt werden müßten. Überdies liege auf der ganzen Straße, welche sich von der geraden Linie entferne, gar kein Militär, und die Absendung von Truppen könne leicht Verdacht erregen.
Der König blieb bei seinem Entschlusse. Er schickte eine Million in Assignaten an den Grafen von Bouillé, um die mit den Truppensendungen verbundenen Kosten zu bestreiten, und gab ihm den Befehl, die Straße, welche von Châlons über Varennes nach Montmédy führt, durch einen klugen und entschlossenen Offizier recognosciren zu lassen.
Der Graf von Bouillé konnte nicht umhin, diesem gemessenen Befehle Folge zu leisten. Er schickte am 10. Juni Herrn von Goguelat ab, um diesen Auftrag zu vollziehen, für welchen in der That ein kluger, entschlossener Offizier nothwendig war. Wir werden sehen, ob Goguelat beide Eigenschaften besaß.
Der Graf von Bouillé hatte alle Truppen von Lothringen, Elsaß, Franche-Comté und Champagne unter seinem Befehle. Diese aus neunzig Bataillonen und hundertvier Escadrons bestehende Streitmacht deckte die ganze Grenze, von der Marne bis zur Maas. Er mußte indeß eine Auswahl treffen und die Franzosen, d. i. die Patrioten, so viel als möglich entfernen.
An dem bestimmten Tage setzten sich die verschiedenen Corps in Marsch. Sechzehn Kanonen wurden nach Montmédy beordert. Das Regiment Royal-Allemand rückte gegen Stenay vor. Eine Escadron Husaren stand zu Dun; eine andere wurde nach Varennes verlegt. Außerdem sollten dort noch zwei Escadrons Dragoner am Tage der Durchreise des Königs eintreffen. Der Graf von Damas, der den Befehl über dieselben führte, hatte Befehl, eine Abtheilung nach St. Ménehould zu entsenden, und außerdem sollten fünfzig Husaren die Sommebrücke zwischen Châlons und Varennes besetzen.
»Es waren die Esterhazy-Husaren,« sagte mir »Herr Mathieu, ein vierundachtzigjähriger Greis, der vormals Notar in St. Ménehould gewesen war, »ich sehe sie noch mit ihren braunen Pelzen.«
Der alte Mann hat viel gesehen und mir Alles sehr bereitwillig mitgetheilt.
Jenseits Châlons sollte der König auf jeder Station eine Truppenabtheilung finden; zuerst in Pont-Somme-Vesle; dann in St. Ménehould; dann in Varennes, in Dun und in Stenay.
Am 27. Mai schrieb der König an den Grafen von Bouillé, daß seine Abreise auf den 19. Juni festgesetzt sey.
Man hatte die Abreise anfangs auf den 11. festgesetzt, aber man setzte Mißtrauen in Madame de Rochereuil, die Kammerfrau des Dauphin. Sie war die Geliebte Gouvion’s, des Adjutanten Lafayette’s, und hatte bis zum 12. Dienst; man konnte daher am 11. nicht abreisen.
Am 15. mußten die Oesterreicher die Posten bei Montmédy besetzt haben.
Der König sollte mit der königlichen Familie in einer gewöhnlichen Stadtkutsche abreisen. Der große Reisewagen sollte ihn in Bondy erwarten. Wenn der König nicht um zwei Uhr Nachts in Bondy ankam, so war vorauszusetzen, daß man ihn vor den Tuilerien oder an der Barriere angehalten. In diesem Falle sollte der zu Bondy wartende Courier rasch nach Pont-Somme-Vesle reiten und dem Herzoge von Choiseul melden, daß der Fluchtplan mißlungen sey. Der Herzog von Choiseul sollte die Nachricht an den nächsten Postencommandanten und dieser wieder weiter befördern, so daß zuletzt der Graf von Bouillé benachrichtigt würde. Jedermann sollte dann auf seine Sicherheit bedacht seyn.
Der Graf von Bouillé erhielt genaue Weisungen und traf demgemäß seine Anordnungen. Er schickte den Herzog von Choiseul sogleich nach Paris, wo dieser die Befehle des Königs erwarten und zwölf Stunden früher abreisen sollte.
Die Reiter Choiseul’s sollten am Morgen des 18. in Varennes eintreffen, um am 19., nach hinlänglicher Rast, den Reisewagen nach Dun zu begleiten.
In Varennes war, wie schon erwähnt, keine Post. Außerhalb des Städtchens sollte der König durch einen auf der Landstraße wartenden Vertrauten erfahren, wo er frische Pferde finden würde. Es sollte schnell umgespannt werden.
Der Herzog von Choiseul sollte nach seiner Rückkehr von Paris den Befehl über die zu Pont-Somme-Vesle aufgestellten Husaren wieder übernehmen, den König und die königliche Familie erwarten und bis St. Ménehould begleiten. Dort sollten die Husaren von den unter Andoin’s Befehl stehenden Dragonern abgelöst werden und den Weg absperren. Hinter dem Könige sollte Niemand mehr durchgelassen werden. Nach vierundzwanzig Stunden sollte die Absperrung der Straße aufgehoben werden.
Der Herzog von Choiseul sollte eine schriftliche Ordre, vom Könige unterzeichnet, erhalten, und dadurch ermächtigt werden, nöthigenfalls Gewalt anzuwenden. Er sollte sechshundert Louisd’or unter den Soldaten vertheilen.
Der Graf von Bouillé der sich in Metz befand, sollte sich unter dem Vorwande einer Inspectionsreise nach Montmédy begeben.
So war Alles verabredet und festgesetzt. Der König hatte genügende Zeit zum Nachdenken; es sollte nichts abgeändert werden. Am 2. Juni ist der Herzog von Choiseul in Paris; am 14. ist der Graf von Bouillé in Longwy, wo er den Brief des Königs erhält.
Die Abreise war um vierundzwanzig Stunden aufgeschoben. Wozu dieser Aufschub? Aus einem sehr wichtigen Grunde. Der König hatte das Quartal seiner Civilliste erst am 20. Morgens zu bekommen. Ludwig XVI., der sparsame König, wollte dieses Quartal nicht einbüßen. Wenn Paris, wie Heinrich IV. sagte, wohl eine Messe werth war, so konnte für sechs Millionen wohl ein Tag geopfert werden.
Dieser ganz triftige Grund trieb den Grafen von Bouillé fast zur Verzweiflung; mußte er doch auf der ganzen Straße Gegenbefehle ertheilen, mußten doch die Truppen einen Tag länger auf ihren Stationen verbleiben. Aber er mußte sich fügen.
Am 20. Juni rückte der Graf von Bonillé bis Stenay vor. Dort fand er das Regiment Royal-Allemand, auf welches er sich verlassen konnte.
Wir wollen jetzt sehen, was sich in diesen letzten Tagen zu Paris begab.
Die Königin suchte, wie schon erwähnt, alle Schwierigkeiten durch List zu überwinden. Am 19. besuchte sie mit dem Dauphin die Promenade auf den äußersten Boulevards. Am 20. sagte sie zu Herrn von Montmorin, dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten: »Haben Sie Madame Elisabeth gesehen? Sie macht mir viel Verdruß; ich war so eben bei ihr, ich habe Alles aufgeboten, um sie zur Theilnahme an der Frohnleichnamsprocession zu bewegen; sie lehnt es entschieden ab. Suchen Sie sie doch zu überreden, daß sie uns ihre Vorurtheile zum Opfer bringe.«
An demselben Tage begegnete sie einem Commandanten der Nationalgarde und fragte ihn lachend:
»Nun, spricht man in Paris noch von der Flucht des König?«
»Nein, Majestät,« antwortete der Commandant. »man ist jetzt von der Anhänglichkeit des Königs an die Verfassung und von seiner Liebe zum Volke zu fest überzeugt.«
»Man hat Recht,« erwiederte Maria Antoinette mit ihrem huldreichsten Lächeln.
Dann beschäftigte man sich mit den materiellen Einzelheiten.
Am 17. wurde de Moustier, vormaliger Leibgardist, in den Tuilerien von einem Unbekannten angeredet. Dieser forderte ihn im Namen des Königs auf, ihm zu folgen.
De Moustier gehorchte, und zehn Minuten nachher befand er sich im Zimmer des Königs.
Der König redete ihn bei seinem Namen an und ersuchte ihn, seinen ehemaligen Cameraden Valory und von Malden zu sagen, sie möchten