Александр Дюма

Die Fünf und Vierzig


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wer seid Ihr denn?«

      »Eine Frau… rettet mich, beschützt mich!«

      Ernauton erbleichte, aber der Edelmuth trug den Sieg über das Erstaunen und die Furcht davon.

      Er stellte seine Schutzbefohlene vor sich, brach ihr Bahn durch gewaltige Streiche mit dem Knopfe seines Degens und trieb sie bis zur Ecke der Rue du Mouton, gegen eine offene Thüre.

      Der junge Page stürzte darauf zu und verschwand in dieser Thüre, die ihn zu erwarten schien und sich hinter ihm schloß.

      Er hatte nicht einmal Zeit gehabt, ihn nach seinem Namen zu fragen, nach wo er ihn wiederfinden würde.

      Aber während er verschwand, machte ihm der Page, als hätte er seinen Gedanken errathen, ein Zeichen voll von Versprechungen.

      Nunmehr frei, wandte sich Ernauton gegen den Mittelpunkt des Platzes um und umfaßte mit einem Blicke das Schaffot und die königliche Loge.

      Salcède lag starr und bleifarbig auf dem Blutgerüste ausgestreckt.

      Catharina stand leichenbleich und zitternd in der Loge.

      »Mein Sohn,« sagte sie endlich, sich den Schweiß von der Stirne wischend, »Ihr würdet wohl daran thun, mit Eurem Scharfrichter zu wechseln. Dieser ist ein Liguist.«

      »Woran seht Ihr es?«

      »Schaut! Schaut!«

      »Nun, ich schaue.«

      »Salcède hat nur einen Zug erlitten, und er ist todt.«

      »Weil er zu empfindlich für den Schmerz ist.«

      »Nein, nein! entgegnete Catharina, mit einem Lächeln der Verachtung, das ihr die geringe Scharfsichtigkeit ihres Sohnes entriß, »nein, sondern weil er unter dem Schaffot mit einem feinen Strick in dem Augenblick erdroßelt worden ist, wo er diejenigen, welche ihn sterben ließen, anklagen wollte. Laßt den Leichnam durch einen gelehrten Doctor untersuchen, und ich bin sicher, Ihr findet um seinen Hals den Kreis, den der Strick daran zurückgelassen hat.«

      »Ihr habt Recht,« sprach Heinrich, dessen Augen einen Moment funkelten, »mein Vetter von Guise ist besser bedient als ich.«

      »Stille! Stille! mein Sohn, keinen Lärmen, man würde unserer spotten; denn die Partie ist diesmal wiederum verloren.«

      »Joyeuse hat wohl daran gethan, sich anderwo zu belustigen,« sagte der König, »man kann auf nichts in dieser Welt zählen, nicht einmal auf die Hinrichtungen. Gehen wir, meine Damen, gehen wir.«

       Sechsten Kapitel

      Die beiden Joyeuse

      Die Herren von Joyeuse hatten sich, wie wir gesehen, während dieser ganzen Scene durch die Hintergebäude des Stadthauses entfernt; sie ließen bei den Equipagen des Königs ihre Lackeien, welche mit ihren Pferden auf sie warteten, und gingen neben einander durch die Straßen dieses volkreichen Quartiers, welche an diesem Tage ganz verlassen waren, so sehr zog das Schauspiel auf der Grève die Bevölkerung an sich.

      Sobald sie außen waren, wanderten sie Arm in Arm fort, aber ohne mit einander zu reden.

      Kurz zuvor noch so freudig, war Henri ernst, in Gedanken versunken, beinahe düster.

      Anne schien unruhig und gleichsam über das Stillschweigen seines Bruders verlegen.

      Er war es auch, der zuerst dieses Stillschweigen brach.

      »Nun, Henri,« fragte er, »wohin führst Du mich.

      »Ich führe Dich nicht, ich gehe Dir voran, mein Bruder,« erwiederte Henri, als ob er plötzlich erwachte.

      »Wünschest Du irgend wohin zu gehen, mein Bruder?«

      »Und Du?«

      Henri lächelte traurig.

      »Oh! Ich,« sagte er, »mir ist es gleichviel, wohin ich gehe.«

      »Du gehst doch diesen Abend irgendwohin,« entgegnete Anne, »denn jeden Abend gehst Du zu derselben Stunde aus, um erst ziemlich spät in den Nacht nach Hause zu kommen, und zuweilen kommst Du gar nicht nach Hause.«

      »Willst Du mich ausfragen, mein Bruder?« sagte Henri mit einer reizenden Weichheit, gemischt mit einer gewissen Ehrfurcht vor seinem älteren Bruder.

      »Ich Dich ausfragen? Gott behüte mich! Die Geheimnisse gehören denjenigen, welche sie bewahren.«

      »Wenn Du es wünschest, habe ich keine Geheimnisse für Dich. Du weißt es wohl.«

      »Du wirst keine Geheimnisse für mich haben, Henri?«

      »Nie, mein Bruder; bist Du nicht zugleich mein Herr und mein Freund?«

      »Verdammt! ich dachte, Du kümmerst Dich nicht um mich, der ich nur ein armer Laie bin; ich dachte, Du hättest unseren weisen Bruder, diesen Pfeiler der Gottesgelehrtheit, diese Leuchte der Religion, diesen gelehrten Architekten der Gewissensfälle des Hofes, der eines Tages Cardinal sein wird, ich dachte, Du vertrautest ihm, und fändest in ihm zugleich Beichte, Absolution und wer weiß… Rath; denn in unserer Familie,« fügte Anne lachend bei, »ist man zu Allem gut, Du weißt es, davon zeugt unser vielgeliebter Vater.«

      Henri du Bouchage ergriff die Hand seines Bruders und drückte sie liebevoll.

      »Du bist für mich mehr als Gewissensrath, mehr als Beichtiger, mehr als Vater, mein lieber Anne,« sagte er, »ich wiederhole, Du bist mein Freund.«

      »So sprich, mein Freund, warum habe ich Dich, der Du so heiter warst, allmälig traurig werden sehen, und warum gehst Du, statt bei Tage auszugehen, jetzt nur noch bei Nacht aus?«

      »Mein Bruder, ich bin nicht traurig,« erwiederte Henri lächelnd.

      »Was bist Du denn?«

      »Ich bin verliebt.«

      »Gut, und dieses Versunkensein?«

      »Kommt davon her, daß ich unablässig an meine Liebe denke.«

      »Und Du seufzest, während Du mir das sagst?«

      »Ja.«

      »Du seufzest, Du, Henri, Graf du Bouchage, Du, der Bruder von Joyeuse, Du, den die schlimmen Zungen den dritten König von Frankreich nennen? Du weißt, Herr von Guise ist der zweite, wenn nicht gar der erste! Du, der Du reich, der Du schön bist, der Du Pair von Frankreich sein wirst, wie ich, und Herzog, wie ich, bei der ersten Gelegenheit, die ich finde, Du bist verliebt, nachdenkend und seufzest; Du, der Du: Hilariter3 zum Wahlspruch hast.«

      »Mein lieber Anne, alle diese Gaben der Vergangenheit oder alle diese Verheißungen der Zukunft haben nicht für mich in der Reihe der Dinge gezählt, welche mein Glück machen sollten. Ich besitze keinen Ehrgeiz.«

      »Das heißt, Du besitzest keinen mehr.«

      »Oder ich strebe wenigstens nicht nach den Dingen, von denen Du sprichst.«

      »In diesem Augenblick vielleicht; doch später wirst Du darauf zurückkommen.«

      »Nie, mein Bruder, ich wünsche nichts, ich will nichts.«

      »Und Du hast Unrecht, mein Bruder. Wenn man den Namen Joyeuse, einen der schönsten Namen Frankreichs, führt, wenn man einen Bruder hat, der der Günstling des Königs ist, so wünscht man Alles, so will man Alles, … und hat man Alles.«

      Henri schüttelte schwermüthig sein blondes Haupt.

      »Sprich, da wir nun allein und von aller Welt entfernt sind,« sagte Anne. »Der Teufel soll mich holen, wir sind über das Wasser gekommen, und befinden uns auf dem Pont de la Tournelle, ohne daß wir es bemerkt haben… Ich glaube nicht, daß in dieser Einöde, bei diesem scharfem kalten Nordost, in der Nähe dieses grünen Wassers irgend Jemand uns behorchen wird… Hast Du mir etwas Ernstes zu sagen, Henri?«

      »Nichts, nichts, wenn nicht, daß ich verliebt bin, und das weißt Du schon, mein Bruder, da ich es Dir soeben gestanden habe.«

      »Aber den Teufel! das ist nichts Ernstes,« erwiederte Anne, mit dem Fuße stampfend.