Александр Дюма

Die Fünf und Vierzig


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Spiel von zwei weißen Augenlidern, welche sich senkend den breiten blauen Kreis hervorheben, von dem seine Augen begränzt waren.

      Glänzte aber im Gegentheil dieser schwarze Augenstern zwischen diesen Brauen und der falben Umrahmung der Augenhöhle, so hätte man glauben sollen, es springe ein Blitz aus den Falten zweier kupferner Wolken hervor.

      Dieser Mönch hieß Bruder Borromée; er war seit drei Wochen Säckelmeister des Klosters.

      Der Andere war ein junger Mensch von siebzehn bis achtzehn Jahren, mit lebhaften schwarzen Augen, kühner Miene, hervorspringendem Kinn, klein aber gut gewachsen, der, wenn er seine weiten Aermel zurückschlug, mit einem gewissen Stolz zwei nervige, in der Geberde behende Arme sehen ließ.

      »Der Prior schläft noch, Bruder Borromée,« sagte der jüngere von den beiden München zu dem anderen, »wecken wir ihn auf?«

      »Hüten wir uns wohl, Bruder Jacques,« erwiederte der Säckelmeister.

      »Es ist in der That Schade, daß wir einen Prior haben, der so lange schläft,« versetzte der junge Bruder, »denn man hätte diesen Morgen die Waffen probiren können; habt Ihr gesehen, was für schöne Panzer und Büchsen darunter sind?«

      »Stille, mein Bruder, man könnte Euch hören.«

      »Welch ein Unglück,« sprach der kleine Mönch, indem er mit dem Fuße auf den Boden stampfte, was jedoch durch den dicken Teppich gedämpft wurde, »welch ein Unglück, das Wetter ist heute so schön, der Hof ist so trocken, welch eine schöne Uebung hätte man heute vornehmen können, Bruder Borromée!«

      »Man muß warten, mein Kind,« entgenete Bruder Borromée mit einer geheuchelten Unterwürfigkeit, welche durch das Feuer seiner Blicke Lügen gestraft wurde.

      »Aber warum befehlt Ihr nicht immerhin, daß die Waffen ausgetheilt werden?« sprach ungestüm Jacques, während er seine herabgefallenen Aermel wieder zurückschlug.

      »Ich, befehlen?«

      »Ja, Ihr.«

      »Ich befehle nicht, Ihr wißt es wohl, mein Bruder,« erwiederte Borromée mit Salbung, »ist nicht der Herr da?«

      »In diesem Lehnstuhl, … eingeschlafen, … während alle Welt wacht,« sagte Jacques mit einem weniger ehrfurchtsvollem als ungeduldigen Tone, »der Herr?«

      Und ein Blick stolzen Verständnisses schien bis in die Tiefe des Herzens von Bruder Borromée dringen zu wollen.

      »Achten wir seinen Rang und seinen Schlummer,« sprach dieser, indem er mitten in das Zimmer trat, doch so unglücklich, daß er einen Schämel auf den Boden warf.

      Obgleich der Teppich das Geräusch des Schämels dämpfte, wie er das des Stampfens von Bruder Jacques gedämpft hatte, fuhr Dom Gorenflot doch bei diesem, Lärmen auf und erwachte.

      »Wer ist da?« rief er mit der bebenden Stimme einer eingeschlafenen Schildwache.

      »Ehrwürdiger Herr Prior,« sagte der Bruder Borromée, »verzeiht, wenn wir Eure fromme Meditation stören, aber ich komme, um Eure Befehle einzuholen.«

      »Ah! guten Morgen, Bruder Borromée,« sprach Gorenflot mit einem leichten Zeichen des Kopfes.

      Dann nach einem Augenblick des Nachdenkens, in welchem er offenbar alle Saiten seines Gedächtnisses angespannt hatte, fragte er, drei bis viermal mit den Augen blinzelnd:

      »Welche Befehle?«

      »In Beziehung auf die Waffen und Rüstungen?«

      »In Beziehung auf die Waffen und Rüstungen?« wiederholte Gorenflot.

      »Allerdings, Eure Herrlichkeit hat befohlen, Waffen und Rüstungen herbeizuschaffen.«

      »Wem?«

      »Mir.«

      »Bei Euch habe ich Waffen bestellt?«

      »Ganz gewiß, ehrwürdiger Herr Prior,« antwortete Borromée mit gleichem, festem Tone.

      »Ich!« wiederholte Dom Modeste, im höchsten Maße erstaunt, »ich! und wann dies?«

      »Vor acht Tagen?«

      »Ah! vor acht Tagen… Doch wozu Waffen?«

      »Ihr sagtet mir, ehrwürdiger Herr und ich will Eure eigenen Worte wiederholen, Ihr sagtet mir: »»Bruder Borromée, es wäre gut, wenn man sich Waffen verschaffen würde, um unsere Mönche und Brüder zu bewaffnen; die gymnastischen Uebungen entwickeln die Kräfte des Körpern, wie die frommen Ermahnungen die den Geistes entwickeln.«

      »Ich habe das gesagt?« versetzte Gorenflot.

      »Ja, ehrwürdiger Herr Prior, und ich, ein unwürdiger, gehorsamer Bruder, beeilte mich, Eure Befehle zu vollziehen, und verschaffte mir Kriegswaffen.

      »Das ist seltsam,« murmelte Gorenflot, »ich erinnere mich an nichts von dem Allem.«

      »Ehrwürdiger Herr Prior, Ihr fügtet sogar der lateinischen Text bei: Militat spiritu, militat gladio.«

      »Ah!« rief Dom Gorenflot, die Augen übermäßig aufreißend, »ich habe den Text beigefügt!«

      »Ich besitze ein treues Gedächtniß, ehrwürdiger Herr Prior,« erwiederte Borromée, die Augen niederschlagend.

      »Wenn ich es gesagt habe,« versetzte Gorenflot, indem er sachte den Kopf von oben nach unten schüttelte, »so hatte ich meine Gründe, es zu sagen, Bruder Borromée. In der That, es war stets meine Ansicht, man müsse den Körper üben, und als ich noch einfacher Mönch war, kämpfte ich mit dem Wort und sogar mit dem Schwert… Militat… spiritus… Sehr gut, Bruder Borromée, das war eine Eingebung des Herrn.«

      »Ich will also Eure Befehle vollendet ausführen,« sagte Borromée, indem er sich mit Jacques zurückzog, der ihn, ganz bebend vor Freude, unten an seinem Rocke zupfte.

      »Geht,« sprach Gorenflot majestätisch.

      »Ah! ehrwürdiger Herr Prior,« sagte Borromée, der einige Secunden nach seinem Verschwinden wieder eintrat, »ich vergaß…«

      »Was?«

      »Im Sprechzimmer ist ein Freund Eurer Herrlichkeit, der mit Euch zu reden wünscht.«

      »Wie nennt er sich?«

      »Meister Robert Briquet,«

      »Meister Robert Briquet,« versetzte Gorenflot, »das ist kein Freund von mir, Bruder Borromée, sondern ein einfacher Bekannter.«

      »Eure Ehrwürden wird ihn also nicht empfangen?«

      »Doch, doch,« sagte mit gleichgültigem Tone Gorenflot, »dieser Mensch zerstreut mich; laßt ihn heraufkommen.«

      Bruder Borromée verbeugte sich zum zweiten Male und ging hinaus. Bruder Jacques aber hatte nur einen Sprung von dem Zimmer des Priors bis in die Kammer gemacht, wo die Waffen aufbewahrt wurden.

      Fünf Minuten nachher öffnete sich die Thüre wieder und Chicot erschien.

       Viertes Kapitel

      Die zwei Freunde

      Dom Modeste verließ die andächtig vorgebeugte Stellung nicht, die er angenommen hatte.

      Chicot durchschritt das Zimmer und ging auf ihn zu.

      Der Prior war nur so gnädig, den Kopf ein wenig zu senken, um dem Eintretenden anzudeuten, daß er ihn bemerke.

      Chicot schien sich nicht einen Augenblick über die Gleichgültigkeit des Priors zu wundern; er schritt immer weiter vor, grüßte, als er eine ehrfurchtsvoll abgemessene Entfernung erreicht hatte, und sprach:

      »Guten Morgen, Herr Prior.«

      »Ah! Ihr seid hier,« sagte Gorenflot, »Ihr seid wieder auferstanden, wie es scheint?«

      »Habt Ihr mich todt geglaubt, Herr Prior?«

      »Bei Gott! man sah Euch nicht mehr.«

      »Ich hatte Geschäfte.«

      »Ah!«

      Chicot wußte, daß Gorenflot,