weiß ich, daß ich in Zwischenräumen Stunden der Hellsichtigkeit habe, die mich sogar erschrecken, gnädiger Herr. In einer von diesen Stunden sah ich vor fünfundzwanzig Jahren das Geschick eines Edelmannes am Hofe von König Franz klar in den Gestirnen, welche bei seiner Geburt herrschten, und in den verwickelten Linien seiner Hand geschrieben. Dieses seltsame gefahrvolle Geschick fiel mir ungemein auf. Beurtheilt mein Erstaunen, als ich in Eurer Hand und in den Gestirnen Eurer Geburt ein Horoskop dem ähnlich, welches mich einst so sehr in Erstaunen gesetzt hatte, herauszufinden glaubte. Doch ich konnte es nicht so klar unterscheiden wie einst, und ein Zwischenraum von fünfundzwanzig Jahren verwirrte meine Erinnerungen. Im vorigen Monat, gnädiger Herr, sprachet Ihr endlich in Eurem Fieber einen Namen aus; ich hörte nur diesen Namen, doch er ergriff mich. Es war der Name des Grafen von Montgommery!«
»Des Grafen von Montgommery?« rief Gabriel erschrocken.
»Ich wiederhole Euch, gnädiger Herr, daß ich nur diesen Namen gehört habe; am Uebrigen war mir wenig gelegen. Denn dieser Name war der des Mannes, dessen Schicksal mir leuchtend wie der helle Mittag erschienen war. Ich lief nach Hause, durchwühlte meine alten Papiere und fand das Horoskop des Grafen von Montgommery wieder. Doch es ist seltsam und mir in den dreißig Jahren, seitdem ich studiere, noch nicht vorgekommen. Ihr müßt mit dem Grafen von Montgommery in geheimnißvollen Beziehungen, in seltsamer Verwandtschaft stehen, und Gott, der nie zwei Menschen zwei gleiche Geschicke gegeben hat, hatte Euch Beide ohne Zweifel zu denselben Ereignissen vorbehalten. Denn ich hatte mich nicht getäuscht: die Linien der Hand und die Gestirne des Himmels waren für Euch Beide dieselben. Ich will übrigens nicht sagen, es finde keine Verschiedenheit in den einzelnen Umständen von Eurer Beider Leben statt, die vorherrschende Thatsache aber, welche es charakterisiert, ist dieselbe. Ich habe den Grafen von Montgommery einst aus dem Auge verloren, dennoch aber weiß ich, daß eine von meinen Weissagungen sich für ihn verwirklicht hat. Er hat den König mit einem Feuerbrand an der Stirne verwundet. Ob sein übriges Geschick in Erfüllung gegangen ist, weiß ich nicht. Ich kann nur behaupten, daß das Unglück und der Tod, wodurch er bedroht war, auch Euch bedrohen!«
»Ist es möglich?« sagte Gabriel.
»Hier, gnädiger Herr,« sprach Nostradamus, indem er dem Vicomte d’Ermès ein zusammengerolltes Papier überreichte, »hier ist das Horoskop, das ich zur Zeit für den Grafen von Montgommery geschrieben hatte. Ich würde es heute nicht anders für Euch schreiben.«
»Gebt, Meister, gebt, dieses Geschenk ist in der That unschätzbar, und Ihr könnt nicht glauben, in welchem Maße es für mich kostbar wird.«
»Ein letztes Wort, damit Ihr auf Eurer Hut seid, obgleich Gott der Gebieter ist und man nicht wohl seinen Rathschlüssen entgehen kann. Die Nativität von Heinrich II. weissagt, er werde in einem Duell oder in einem Einzelkampfe seinen Tod finden.«
»Ja welchem Zusammenhang? . . .«
»Wenn Ihr dieses Pergament gelesen habt, werdet Ihr mich verstehen, gnädiger Herr. Nun habe ich nur noch von Euch Abschied zu nehmen und Euch zu wünschen, daß die Katastrophe, welche Gott in Euer Leben gelegt hat, wenigstens unwillkührlich sein möge.«
Hiernach verbeugte sich Nostradamus vor Gabriel, der ihm die Hand drückte und ihn bis zur Thüre geleitete, und ging hinaus.
Sobald er zu Aloyse zurückkam, entfaltete Gabriel das Pergament, und nachdem er sich versichert hatte, daß ihn Niemand stören oder belauern konnte, las er mit lauter Stimme; wie folgt:
»Bei Spiel, bei Liebe wird er berühren
Des Königs Stirne
Mit Wunden schlagen oder Hörner setzen
Des Königs Stirne;
Er wolle oder nicht, er wird verletzen
Des Königs Stirne;
Ihn wird lieben, dann – o weh! – tödten
Des Königs Dame.«
»Es ist gut!« rief Gabriel, die Stirne strahlend und den Blick triumphierend. »Nun kannst Du mir erzählen, liebe Aloyse, wie Heinrich II. den Grafen von Montgommery meinen Vater, lebendig begraben hat.«
»Der König Heinrich II.!« rief Aloyse, »woher wißt Ihr, gnädiger Herr.«
»Ich errate es! Doch Du kannst mir das Verbrechen enthüllen, da Gott mir schon die Rache hat verkündigen lassen.«
XVIII.
Der schlimmste Fall einer Coquette
Wir vervollständigen durch die Memoiren und Chroniken der Zeit die Erzählung von Aloyse, welche ihr Gatte Perrot Navrigny, der Stallmeister und Vertraute des Grafen von Montgommery, von allen Lebensumständen seines Gebieters unterrichtet hatte, und geben in Folgendem die düstere Geschichte von Jacques von Montgommery, dem Vater von Gabriel. Sein Sohn kannte die allgemeinen und officiellen Verhältnisse, aber die unselige Entwickelung, welche diese Geschichte schloß, war ihm unbekannt, wie Allen.
Jacques von Montgommery, Herr von Lorges, war wie alle seine Ahnen muthig und tapfer, und unter der kriegerischen Regierung von Franz l. sah man ihn stets in der ersten Reihe da, wo man sich schlug. Er wurde auch bald zum Obersten des französischen Fußvolks ernannt.
Unter seinen hundert Heldenthaten war jedoch ein ärgerliches Ereigniß das, auf welches Nostradamus anspielte.
Es fiel im Jahr 1521 vor; der Graf von Montgommery war ungefähr zwanzig Jahre alt und erst Kapitän; der Winter war streng und die jungen Leute machten, den jungen König Franz l. an der Spitze, eine Schneeballpartie: ein Spiel nicht ohne Gefahr und zu jener Zeit sehr in der Mode. Man theilte sich in zwei Lager, die Einen vertheidigten ein Haus und die Andern griffen es mit Schneeballen an. Der Graf von Enghien, Herr von Cérisoles, wurde in einem solchen Spiel getödtet. Es fehlte nicht viel, so hätte Jacques von Montgommery den König auch getödtet. Als die Schlacht beendigt war, wollte man sich wieder erwärmen; man hatte das Feuer erlöschen lassen, und alle diese stürmischen jungen Thoren wollten es wieder anzünden. Jacques brachte in aller Eile zuerst einen Brand in einer Feuerzange, doch er traf unter Weges auf Franz I., der nicht mehr Zeit hatte sich zu schützen, und mit dem feurigen Scheit heftig auf die Stirne gestoßen wurde. Es entstand hiedurch zum Glück nur eine Wunde, doch eine ziemlich bedeutende, und die häßliche Narbe, die sie zurückließ, gab Anlaß zu der Mode des langen Bartes und der kurzen Haare, nach der Verordnung von Franz I.
Da der Graf von Montgommery dieses unglückliche Ereigniß durch tausend schöne Waffenthaten vergessen machte, so bewahrte der König keinen Groll gegen ihn und erhob ihn zu den höchsten Stellen bei Hof und im Heere. Im Jahre 1530 heirathete Jacques Claudine de la Boissière. Es war eine einfache Convenienzheirath, dennoch beweinte er lange seine Frau, welche im Jahre 1533 nach der Geburt von Gabriel starb. Der Grund seines Charakters war, wie bei allen denjenigen, welche zu etwas Unseligem vorherbestimmt sind, die Traurigkeit. Als er Witwer und allein war, bestanden seine Zerstreuungen in Degenstichen; er stürzte sich aus Langerweile in die Gefahr. Doch im Jahre 1538, nach dem Waffenstillstand von Nizza, als dieser Mann des Krieges und der Thätigkeit sich in die Hofordnung fügen und mit einem Paradedegen an der Seite in den Gallerien der Tournelles und des Louvre spazieren gehen mußte, da wäre er vor Ueberdruß beinahe gestorben.
Eine Leidenschaft rettete ihn und brachte ihn ins Verderben.
Die königliche Circe zog in ihren Zaubergarten dieses naive, kräftige alte Kind. Er verliebte sich in Diana von Poitiers.
Düster und verdrießlich ging er drei Monate um sie her, ohne ein einziges Mal das Wort an sie zu richten, doch er schaute sie mit einem Blick an, der Alles sagte. Es brauchte nicht so viel für die Großseneschallin, um zu begreifen, daß diese Seele ihr gehörte. Sie schrieb seine Leidenschaft in einen Winkel ihres Gedächtnisses, um sich bei Gelegenheit derselben u bedienen.
Die Gelegenheit kam. Franz I. fing an seine schöne Geliebte zu vernachlässigen, und er wandte sich Madame d’Étampes zu, welche minder schön war, aber den großen Vortheil, auf eine andere Art schön zu sein, für sich hatte.
Als die Symptome der Vernachlässigung offenkundig wurden, sprach Diana zum ersten Male in ihrem Leben mit Jacques von Montgommery. Dies geschah in