Александр Дюма

Isaak Laquedem


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lebendigen Scheibe zu versuchen.

      Doch, – wegen der Heiligkeit des Tages wahrscheinlich und um sein Gewissen sicher zu stellen, – schwellte der Soldat seine Lungen mit aller Luft an, die sie fassen konnten, und rief zum dritten Male:

      »Wer da?«

      Diesmal mußte der Reisende, um nicht zu antworten, taub oder stumm sein.

      Die Soldaten hielten sich an die Hypothese, er sei taub, denn nur stumm, hätte er durch ein Zeichen mit dem Kopfe oder mit der Hand antworten können, und es fiel ihm nicht einmal ein, ein solches Zeichen zu machen.

      Da es aber durchaus nicht verboten war, auf die Tauben zu schießen, während ausdrücklich das Gebot bestand, auf diejenigen zu schießen, welche nicht antworteten, so legte der Soldat, nachdem er redlich und großmüthig dem Reisenden ein paar Secunden zum Nachdenken und wohl auch dazu gegeben hatte, daß er unter dem Nachdenken näher rücke und ihm ein leichter zu treffendes Ziel biete, legte der Soldat, sagen wir, den Kolben seiner Büchse an seine Schulter, senkte den Lauf des Gewehrs in der Richtung des Reisenden, drückte, unter dem Stillschweigen und der aufmerksamen Neugierde seiner Kameraden, auf die Feder und gab Feuer.

      Zum Unglück schlüpfte in dem Augenblick, wo sich die Lunte auf die Pfanne senkte, ein fremder Arm zwischen den Soldaten durch, hob den Lauf des Gewehrs auf, das hierdurch von der Linie abwich, und der Schuß ging in die Luft.

      Der Soldat, da er glaubte, er habe es mit einem seiner Kameraden zu thun, drehte sich wüthend um und schickte sich an, an ihm seine verlorene Kugel zu rächen.

      Doch kaum hatte er denjenigen erkannt, welcher den von uns erwähnten Act der Gewalt vollführt, als sich der schon auf seinem Gesichte verbreitete Ausdruck des Zorns unmittelbar in einen Ausdruck des Gehorsams und der Demuth verwandelte, während sich der schon begonnene Fluch in dem Ausrufe des Erstaunens: »Der gnädige Herr Napoleone!« vollendete.

      Und indeß die Schildwache zwei Schritte zurückwich, traten die andern Condottieri auf die Seite, um einem jungen Manne von fünfundzwanzig bis sechsundzwanzig Jahren Platz zu machen, der auf der Plattform erschienen war und sich, ohne bemerkt zu werden, der Gruppe genähert hatte.

      Dieser junge Mann, auf dessen Gesicht sich leicht der italienische Typus in seiner ganzen Feinheit, in seiner ganzen Stärke, in seiner ganzen Beweglichkeit erkennen ließ, war elegant gekleidet in ein Kriegscostume, von dem er jedoch für den Augenblick nur die leichten Stücke trug, die der Kapitän des fünfzehnten Jahrhunderts beinahe nie ablegte: nämlich das stählerne Halsstück und den Waffenrock als Vertheidigungswaffen, das Schwert und den Dolch als Angriffswaffen. Eine Art von Mütze von Sammet mit einer Brocatkrämpe und einem langen Schilde bedeckte und beschützte zugleich seinen Kopf, denn zwischen dem reichen Stoffe und dem nicht minder reichen Futter hatte der Hutmacher, oder vielmehr der Waffenschmied eine eiserne Plattmütze angebracht, die einem ersten Schwertstreiche zu widerstehen vermochte. Lange büffellederne Stiefel, die im Nothfall bis zur Hälfte des Schenkels heraufgezogen werden konnten, im Augenblick aber bis unter das Knie niedergeschlagen waren, vervollständigten dieses Costüme, welches übrigens, mit geringen Abweichungen, das von der Mehrzahl der Cavaliere und der Bandenführer jener Zeit angenommene war.

      Eine lange, an seinem Halse hängende, goldene Kette, die ein Medaillon trug, worauf in zwei an einander gefügten Wappenschilden auf Emaille die Wappen des Papstes und des Papstthums glänzten, deutete an, daß dieser junge Mann eine hohe Stelle beim obersten Kirchenfürsten einnahm; es war in der That Napoleone Orsini, Sohn von Carlo Orsini, Graf von Tagliacozzo, den Se. Heiligkeit Papst Paul II., obgleich er das dreißigste Jahr noch nicht erreicht, zum Gonfalionere der Kirche ernannt hatte, und den der Adel ferner Ahnen, die Größe seiner Person und die Herrlichkeit seines Geschmacks und seiner Neigungen mehr als jeden Andern würdig machten, diesen Platz einzunehmen.

      Er war damals der Hauptrepräsentant der großen Familie Orsini, die sich vom elften Jahrhundert an im ersten Range der römischen Gesellschaft auszeichnete, einer Familie, welche dergestalt bei Gott in Gnade stand, daß der heilige Dominicus für sie sein erstes Wunder verrichtete. Ein Napoleone Orsini, als er sich im Jahre 1217 nach der Tone Fiscale begab, die er schon zu jener Zeit inne hatte, und in der, wie man sieht, sein Nachkömmling noch befehligte, – wurde vor dem Thore vom Kloster des heiligen Sixtus vom Pferde geworfen und starb auf der Stelle. Zum Glück kam in diesem Augenblick der heilige Dominicus aus dem Kloster heraus; er sah Knappen, Pagen, Diener, welche um den Leib ihres Herrn standen und weinten, erkundigte sich nach dem Namen und dem Range des Verschiedenen und erfuhr, der Mann, den er hier vor sich liegen sah, sei der berühmte Napoleone Orsini, die Glorie Roms, die Stütze der Kirche und damals der würdigste Erbe seines Namens. Der Heilige näherte sich den trostlosen Dienern, bekam Mitleid mit diesem großen Privatunglück, das durch die Stellung desjenigen, welcher ein Opfer desselben war, zu einem öffentlichen Unglück wurde, hob die Hand auf, wandte sich an die Leute des Verstorbenen und sprach:

      »Weinet nicht, denn durch die Gnade Gottes ist Euer Herr nicht todt!«

      Und da Pagen, Knappen und Diener dem, was der arme Mönch, welchen sie für einen Narren hielten, sagte, keine Aufmerksamkeit schenkten und den Kopf schüttelnd stärker als je weinten, so fügte der Stifter der Inquisition bei:

      »Napoleone Orsini, stehe auf, steige wieder zu Pferde und ziehe Deines Wegs . . . Man erwartet Dich in Casa Rotondo.«

      Was der Todte sogleich zum großen Erstaunen der Zuschauer und auch zu seinem eigenen großen Erstaunen that, denn er war lange genug des Lebens beraubt geblieben, daß seine Seele bis zum dritten Kreise der unteren Welt niedergesunken, und daß seine Knochen durch den feuchten Wind des Grabes vereist worden waren.

      Aus Dankbarkeit für dieses Wunder gebot auch der Napoleone Orsini des 13. Jahrhunderts, es sollen, soweit dies übrigens thunlich wäre. Alle diejenige, welche denselben Namen führen wie er, ihre Soldaten, ihre Diener, kurz die Leute in ihrem Solde sich in Zukunft wohl hüten, irgend einen Mord während der vierundzwanzig Stunden jedes grünen Donnerstages zu begehen, das heißt während der Jahrestage des Tages, an welchem er gestorben, und wo er durch die Gnade Gottes und den Dazwischentritt des heiligen Dominicus wiedererweckt worden war.

      Darum hatte Napoleone Orsini des 15. Jahrhunderts, Gonfalionere der Kirche, die Büchse des Soldaten in dem Augenblicke aufgehoben, wo der Schuß losgehen und ihn unschuldiger Weise das Gebot seines Ahnherren übertreten lassen sollte.

      Sechzig Jahre nach der Auferstehung von Napoleone Orsini war Giovanni Gaëtano Orsini, sein Sohn, unter dem Namen Nicolaus III. Zum Papste erwählt worden.

      Und da sah man nun, daß das Wunder des heiligen Dominicus zu höheren Wohlfahrt der Kirche verrichtet worden war, da dieser, ein Jahr nach der Auferstehung von Napoleone Orsini geborene, würdige Papst durch Rudolf von Habstburg dem Kirchenstaate Impola, Bologna, Faënza zurückgeben ließ und Karl von Anjou zwang, auf die Reichsverweseung von Taskana und auf den Titel eines Patriziers von Rom zu verzichten.

      Seit der Erhebung zur päpstlichen Würde von Gaëtano Orsini nahmen übrigens die Glücksumstände dieser edlen Familie immer mehr zu; Remonde Orsini, Graf von Leva erlangte das Fürstentum Tarento; Bertoldo Orsini wurde zum General der Florentiner ernannt; Antonio Giovanni Orsini. Der vor kaum zehn Jahren gestorben, war fünfzig Jahre hindurch eine der mächtigsten Stützen und einer der furchtbarsten Gegner der Könige von Neapel gewesen, denen er zwei- oder dreimal die Krone genommen und wiedergegeben hatte; derjenige endlich welchen wir so eben in Scene gebracht haben, führte nicht minder mächtig, nicht minder ausgezeichnet, als sein Vorgänger, zugleich den Krieg gegen die Colona von Neapel, gegen den Grafen Federigo von Montefeltro, Herzog von Urbino, und gegen den Grafen Averso, der kürzlich erst den Orsini ihr Lehen Anguillara wieder abgenommen hatte, was sie nicht abhielt, in ihrem Wappen den schwarzen Aal zu behalten, wie England in dem seinigen die Lilien von Frankreich behielt, selbst nachdem es Calais verloren.

      Es hatte sich nun zufällig ereignet, daß an demselben Morgen Napoleone Orsini in seine Festung Casa Rotondo, von der die Torre Fiscale ein Außenwerk bildete, gekommen war, denn er wollte durch sich selbst in Erfahrung bringen, ob, wie man ihm gemeldet, sein persönlicher Feind, der Connetable von Neapel in der Stadt Rovillä angekommen, welche auf dem Abhange des Berges von Albano kaum drei Viertelmeilen von der Torre Fiscale lag.

      Diese