also, wie es Euch beliebt, mein Gast,« sprach Orsini; »schlagt meine Empfehlung aus oder nehmt sie an; thut meiner ganzen Tafel die Ehre an oder begnügt Euch mit einem Glase Wasser und einem Stücke Brod, macht ein reichliches oder ein mäßiges Mahl, sitzend oder stehend; Ihr seid zu Hause, Ihr seid der Gebieter, und ich bin nur der Erste von Euern Dienern. Nur überschreitet die Schwelle, auf der Ihr stehen geblieben . . . mir ist es, als wäret Ihr nicht unter meinem Dache, so lange Ihr jenseits dieser Thüre verweilt.«
Der Reisende verbeugte sich und ging mit langsamem, ernstem Schritte aus die Tafel zu.
»Gnädiger Herr,« sprach er, während er ein Stück Brod brach und ein Glas mit Wasser voll goß, »es freut mich, zu sehen, mit welcher Pietät Ihr das Gelübde Eures Ahnherrn Napoleone Orsini erfüllt. . . Ich glaubte indessen, er habe sich darauf beschränkt, Euch für die ganze heilige Woche, in der wir uns befinden, den Mord zu verbieten, sei aber nicht so weit gegangen, Euch zugleich zwei Tugenden zu gebieten, welche so schwer auszuüben, wie die prachtliebende Freigebigkeit und die Demuth.«
»Ich befolge auch meine eigene Eingebung und nicht das Gelübde meines Ahnherrn, wenn ich mich Euch gegenüber zugleich freigebig und demüthig zeige,« erwiedene Orsini, der seinen Gast mit einer wachsenden Neugierde anschaute, – »doch mir scheint, und bemerkt wohl, ich verlange Euer Geheimnis, nicht von Euch, – mir scheint, trotz der Lumpen, mir denen Ihr bedeckt seid, wenn ich mit Euch spreche, spreche ich mit einem geächteten Fürsten, mit einem entthronten König, mit einem Kaiser, der eine Pilgerfahrt nach Rom vollbringt, wie Friedrich III, von Schwaben oder Heinrich IV, von Deutschland.«
Der Reisende schüttelte schwermüthig den Kopf und erwiederte:
»Ich bin weder ein Fürst, noch ein König, noch ein Kaiser; ich bin ein armer Reisender, dessen einziger Vorzug vor den anderen Leuten darin besteht, daß er viele Menschen gesehen, viele Länder durchwandert, viele Dinge behalten hat. Kann ich durch das Wenige von Erfahrung, was ich erlangt, Euch die Gastfreundschaft belohnen, die Ihr mir so großmüthig bietet?«
Orsini heftete auf den Unbekannten, der ihm dieses Anerbieten machte, welches er zu benutzen geneigt schien, einen tiefen, forschenden Blick.
»In der That,« sagte er, »ich verzichte auf meinen ersten Gedanken, auf Eurem kahlen Haupte die abwesende Krone zu suchen. Wenn ich Euch genauer betrachte, finde ich, daß Ihr eher das Ansehen eines Weisen des Morgenlands habt, der alle Sprachen spricht, in allen Geschichten unterrichtet, in allen Wissenschaften gelehrt ist . . Ich glaube also, daß Ihr, wenn Ihr wolltet, ebenso leicht in den Herzen, als in den Büchern lesen würdet, und daß Ihr, wenn ich etwas von Euch wünschte, diesen Wunsch errathen würdet, ohne daß ich nöthig hätte, ihn gegen Euch auszudrücken.«
Und als ob sich wirklich ein geheimes Verlangen im Herzen des jungen Mannes entzündete, funkelten seine Augen, während er seinen Gast anschaute.
»Ja, ja,« sagte dieser, wie mit sich selbst sprechend, »Ihr seid jung, Ihr seid ehrgeizig, Ihr heißt Orsini; es ist Eurem Stolze unerträglich, daß Ihr neben Euch, um Euch, in derselben Zeit mit Euch Männer habt, die sich Savelli, Gaëtani, Colonna, Frangipani nennen . . . Ihr wollt diese ganze Welt von Nebenbuhlern durch Euern Luxus, durch Eure Freigebigkeit, durch Eure Herrlichkeit, durch Euern Reichthum beherrschen, wie Ihr Euch dieselbe durch Euren Muth und Eure Tapferkeit zu beherrschen fähig fühlt. Ihr habt in Eurem Solde nicht nur eine einfache Wache, sondern ein wahres Heer. Ihr habt nicht nur fremde Condottieri, nicht nur Engländer, Franzosen, Deutsche, sondern auch eine ganze Schaar von Vasallen, bestehend aus Euren Lehen Bracciano, Cerveteri, Anriolo, Citta Rello, Vicovaro, Rocca-Giovine, Santo Gemini, Trivelliano. . . was weiß ich? Alles dies plündert, raubt, sengt. Steckt die Güter Eurer Feinde in Brand, erschöpft aber zugleich die Eurigen, so daß Ihr am Ende jedes Jahres, zuweilen sogar am Ende jedes Monats, bemerkt, daß die vier- bis fünftausend Mann, die Ihr nährt, kleidet, besoldet, mehr kosten, als sie eintragen, und daß Ihr, nicht wahr, gnädiger Herr? die Einkünfte von König Salomo oder den Schatz des Sultans Harun al Raschid haben müßtet, um diese furchtbaren Ausgaben zu bestreiten.«
»Ich sagte es wohl, Du seist ein Weiser,« rief Orsini lachend, unter diesem Lachen jedoch eine Hoffnung verbergend, »ich sagte es, Du besitzest alle Wissenschaften, wie jener berühmte Nicolaus Flamel, von dem am Anfange dieses Jahrhunderts so viel die Rede gewesen ist; ich sagte . . . wenn Du wolltest . . .«
Der Kapitän hielt hier inne, als zögerte er, seine Worte zu vollenden.
»Nun?« fragte der Reisende.
»Wenn Du wolltest, so würdest Du, wie er . . .«
Er hielt abermals inne.
»Was würde ich thun? Sprecht!«
Orsini näherte sich dem Reisenden, legte ihm die Hand aus die Schulter und sagte:
»Du würdest Gold machen!«
Der Unbekannte lächelte. Die Frage setzte ihn nicht in Erstaunen: die beständige Sorge und Beschäftigung der Alchemie, dieser blinden Mutter der Chemie, war im ganzen 15. Jahrhundert, und zum Theil auch im 16., Gold zu machen.
»Nein,« erwiederte er, »ich vermöchte kein Gold zu machen.«
»Und warum nicht?« rief naiver Weise Orsini, »da Du so viel Dinge weißt!«
»Weil der Mensch nie etwas Anderes machen kann, als zusammengesetzte und secundäre Materien, während das Gold ein einfacher Körper, eine Urmaterie ist. Nie hat ein Mensch Gold gemacht, nie wird ein Mensch Gold machen. Um Gold zu machen, braucht man Gott, die Erde und die Sonne!«
»Oh! was sagst Du da, schlimmer Prophet!« rief Napoleone Orsini ganz verdrießlich. »Man kann kein Gold machen?«
»Man kann es nicht,« erwiederte der Reisende.
»Du täuschest Dich! Du täuschest Dich!« versetzte Orsini, als wollte er nicht auf eine lange gehegte Hoffnung verzichten.
»Ich täusche mich nicht,« sprach kalt der Reisende.
»Also Du sagst, man könne kein Gold machen?«
»Man kann keines machen,« wiederholte der Unbekannte; »doch man kann, was ungefähr aus dasselbe herauskommt, das entdecken, welches in der Erde vergraben ist.«
Der junge Kapitän bebte.
»Ah! Du glaubst das?« rief er, indem er lebhaft den Unbekannten beim Arm nahm. »Nun wohl! weißt Du, was man behauptet?«
Der Reisende schaute Orsini an, blieb jedoch stumm.
»Man behauptet,« fuhr Orsini fort, »es seien Schätze in dieser Feste vergraben!«
Der Reisende wurde nachdenkend; dann, nach einem Augenblick, sagte er, mit sich selbst sprechend, wie er es schon gethan, und wie es seine Gewohnheit zu sein schien:
»Seltsam! Herodot erzählt, bei den alten Äthiopiern seien viele Schätze vergraben, und sie werden von Greisen bewacht. Er gibt auch den Saft einer Pflanze an, mit dem man sich nur die Augen einzureiben hat, damit diese Greise sichtbar werden, und damit man folglich weiß, wo diese Schätze vergraben sind.«
»Oh!« fragte Orsini ganz bebend vor Ungeduld, »solltest Du von diesem Safte mitgebracht haben?«
»Ich?«
»Hast Du mir nicht gesagt, Du seist viel gereist?«
»Es ist wahr, ich bin viel gereist, und aus meinen Reisen habe ich vielleicht oft mit den Füßen diese Pflanze getreten, ohne daß es mir einfiel, meine Augen mit dem Safte einzureiben, der unter meinen Sandalen floß.«
»Ah!« murmelte Orsini, indem er seine Mütze aus den Tisch warf und mit vollen Händen seine Haare faßte.
»Aber,« fuhr der Reisende fort, »ich bin Euch etwas schuldig für Eure Gastfreundschaft, und wenn Ihr mir folgen wollt, so werde ich Euch die Geschichte des Grabes, aus dem Ihr eine Feste gemacht, und die der kaiserlichen Villa erzählen, aus der Ihr ein guelsisches Schloß gebaut habt.«
Orsini drückte durch eine Geberde Verachtung aus.
»Höret immerhin,« sprach der Reisende; »wer weiß, ob Ihr nicht in dieser Geschichte einen abgerissenen Faden findet, der Euch leiten könnte bei den