Александр Дюма

Jacquot Ohnohr


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gekommen war.

      Der Fürst Danilo hatte eben seinen Vater, den Fürsten Boris, verloren und wollte das Schloß Grubenski, wovon er so viel hatte reden hören, mit eigenen Augen sehen.

      Wir kamen gegen zehn Uhr Abends an; gleich nach der Ankunft legte sich der Fürst nieder, denn er war sehr ermüdet.

      Am folgenden Tage um acht Uhr Morgens ließ er mich in sein Zimmer rufen; ich fand ihn noch im Bette.

      »Iwan,« sagte er zu mir, »was ist denn das für ein Geheul, welches ich während der ganzen Nacht gehört habe, und welches mich keine Minute schlafen ließ?«

      »Gnädigster Herr,« antwortete ich, »es sind wahrscheinlich die Hunde gewesen, die von ihrem Stalle aus die Nähe eines Wildes gewittert haben.«

      »O! o!« rief der Fürst Danilo Borisowitsch, die Augenbrauen zusammenziehend; »ist denn ein Hundestall im Schlosse?«

      »Ei ja, mein Fürst,« antwortete ich, indem ich ihm eine angenehme Nachricht mitzutheilen glaubte, »Sie besitzen eine vortreffliche Meute: fünfhundert Windhunde, hundertzwanzig Hühnerhunde und sechzig Windspiele, dazu sind etwa vierzig Hundeaufseher angestellt.«

      »Da habe ich also hier zwischen sechs – und siebenhundert Hunde und vierzig Männer, um sie zu bedienen?« rief der Fürst.

      »So ist es, gnädigster Herr,« versetzte ich.

      »Aber diese verwünschten Thiere,« fuhr der Fürst fort, »müssen in einem Tage so viel Brod fressen, daß man hundertundfünfzig arme Leute einen ganzen Monat damit sättigen könnte.«

      »O! mehr, gnädigster Herr!«

      »Nun bitte ich Dich, Iwan, es so einzurichten, daß alle diese Hunde gehängt oder ersäuft werden; was diese Hundeaufseher betrifft, die kannst Du ja bei irgend einer anderen Arbeit anstellen; die, welche anderswo Geld verdienen können, entlässest Du; und das Geld, welches zur Erhaltung der Meute nöthig war, wollen wir zur Gründung einer Elementarschule in Makarieff oder Niskevo anwenden.«

      »Ich werde Eurer Excellenz gehorchen,« antwortete ich. Und mich verneigend, ging ich, um den Befehl zu geben, daß die sechshundert-achtzig Hunde an demselben Abend ersäuft und gehängt werden sollten, wie es Seine Excellenz zu wünschen geruht hatte.

      Aber eine halbe Stunde später, als die Execution eben vor sich gehen sollte, kam ein Greis von einigen sechzig Jahren zu dem Fürsten. Sein Gesicht war runzelig, sein weißes Haar fiel über seine Schultern; er hatte keinen einzigen Zahn mehr, aber seine Augen zeigten einen Glanz, welcher andeutete, daß er noch weit von dem Ende seines Lebens entfernt sei.

      Sein Kostüm bestand in einem himbeerfarbigen Sammetrocke mit goldenen Tressen, ledernen Beinkleidern und großen sogenannten französischen Stiefeln.

      Sein Rock war in der Taille von einem tscherkessischen Gürtel zusammen gehalten, und ein Jagdmesser hing an seiner Seite.

      Er hielt seinen dreieckigen Hut in der Hand.

      Obgleich ein wenig hart gegen die Hunde, wie wir gesehen haben, war der Fürst Danilo, der sich zum Philanthropen gebildet hatte, vortrefflich gegen die Menschen.

      Er empfing den Greis also mit Freundlichkeit und fragte ihn, wer er sei.

      »Eurer Gnaden zu Befehl,« versetzte dieser mit noch fester Stimme, »ich bin ein alter Leibeigener Eurer Excellenz; ich heiße Jacquot Ohnohr und war im Augenblick seines Todes erster Stallmeister des Fürsten Alexis, Ihres Großvaters.«

      Ohne Zweifel war der Name Jacquot Ohnohr dem Fürsten Danilo nicht unbekannt; denn er erhob lebhaft die Augen zu der Stelle, wo die Ohren fehlten, deren Abwesenheit dem armen Jacquot den Beinamen zugezogen hatte, unter welchem er bekannt war.

      »Sei willkommen, mein Freund,« sagte der Fürst Danilo, »und setze Dich nieder; Du bist vielleicht ermüdet?«

      »Danke Ihnen, gnädigster Herr. Es würde nicht passend für mich sein, mich vor Eurer Excellenz niederzusetzen; nein, ich komme nur, mich zu Ihren Füßen zu werfen und Sie anzuflehen, meine Bitte zu erfüllen.«

      »Welchen Gegenstand betrifft dieselbe, mein Alter?« fragte Danilo Borisowitsch.

      »Man sagt mir, gnädigster Herr, daß Sie geneigen, Ihren fürstlichen Zorn auf uns zu werfen.«

      »Was ist Dir, mein armer Jacquot? Solltest Du vielleicht den Verstand verloren haben?«

      »Ach! gnädigster Herr, es würde nichts. Erstaunenswerthes sein, beim Anblick einer solchen Unmenschlichkeit den Verstand zu verlieren: sechshundert-achtzig Hunde zu tödten, die Niemandem etwas zu Leide gethan haben! Aber, gnädigster Herr, es ist nicht mehr oder weniger, als die Ermordung der unschuldigen Kinder durch den König Herodes! Wie haben sich diese armen Hunde gegen Eure Excellenz vergangen? Glauben Sie mir, es ist kein Scherz, eine solche Quantität Blut zu vergießen, und obgleich es nur Blut von Thieren ist, werden Sie Gott von diesem Blut Rechenschaft ablegen müssen.«

      »Genug, Greis! Ich habe beschlossen, daß es so sein soll; höre also auf —«

      Aber der Greis unterbrach kühn seinen Herrn.

      »Und warum sollte ich aufhören? Bin ich nicht der einzige Vertheidiger, den der gute Gott diesen armen Thieren gegeben hat? Wenn ich schweige, wer wird für sie sprechen? Ich fahre also fort. Wie können Sie, gnädigster Herr, so grausam sein, diese unglücklichen Hunde niedermetzeln zu lassen, denn diese Meute, von Ihren Vorfahren begründet, bildet einen Theil der Familie, sie ist immer neu und doch immer dieselbe, seit länger als hundert Jahren. Ihr Ruf, nachdem er sich durch ganz Rußland verbreitet, ist nach Frankreich gedrungen, und man hat an den fremden Höfen davon gesprochen; mehrere regierende Fürsten haben an Ihre Vorfahren geschrieben oder schreiben lassen, um von der Race zu haben; und plötzlich wollen Sie ohne irgend einen Grund diese so sehr gerühmte Race vernichten? Woran denken Sie, mein kleiner Vater?« sagte der Greis sich erhitzend; »wenn Sie eine solche Handlung begingen, würden sich die Gebeine Ihrer Väter umdrehen in ihrem Grabe und der Geist des armen Alexis aus seinem Sarge hervorgehen, um einen fleischlosen Arm auszustrecken und Sie zu verfluchen. – Erinnern Sie sich also, mein würdiger und lieber Herr, daß die Meute der Fürsten Grubenski unvermindert existiert und sich immer vermehrt hat, seit der Regierung Peter des Großen, ruhmwürdigen Angedenkens! Aus welchem Grunde wollen Sie denn heute so grausam dagegen verfahren? Vergessen Sie nicht, daß die Niedermetzelung der Strelitzen ein Makel gewesen ist, wovon sich der große Kaiser nur mit großer Mühe hat rein waschen können, und doch waren die Strelitzen strafbar, während die Hunde es nicht sind. Es würde für Sie und für Ihre fürstliche Nachkommenschaft eine ewige Schande, eine unauslöschliche Erniedrigung sein, keine Meute zu haben, ohne die Qualen Ihres eigenen Gewissens zu rechnen, dem Sie durch einen solchen Mord eine große Last aufgeladen. Der Hund, gnädigster Herr, ist auch ein Geschöpf Gottes, und es steht in der heiligen Schrift: Der Gerechte erbarmet sich auch eines Viehes! Wie können nun Sie, mein kleiner Vater, der Sie ein so gutes Gesicht haben, so gegen den Willen Gottes handeln? – Sie sehen, gnädigster Herr, ich habe, um mich vor Ihnen darzustellen, das Kostüm angelegt, welches ich trug, als ich die Ehre hatte, erster Stallmeister des Grafen Alexis, Ihres Großvaters, reichen Angedenkens, zu sein; es hat seit sechs Jahren im Schranke gehangen; ich glaubte es nicht mehr anzulegen, als um darin begraben zu werden; sehen Sie, gnädigster Herr, ich habe auch den tscherkessischen Gürtel umgeschnallt, den er mir drei Tage nach der glücklichen Ankunft Ihrer Mutter im Schlosse schenkte – Sie lagen damals noch in der Wiege, mein kleiner Vater. Drei Tage nach dieser Ankunft, die ein Gegenstand der Furcht für Alle war, und die der Himmel indessen doch segnete, fand eine große Jagd statt. Niemand konnte den Fuchs einholen, als unser Nachbar Iwan Ramiroff, der ihn beinahe erreicht hätte; als ich dies sah, eilte ich zur Verfolgung des bösen Thieres, erreichte es und rettete so die Ehre des Hauses. Jetzt habe ich Alles gesagt; Sie können jetzt nach Ihrem Willen handeln; nur werde ich dieses Zimmer nicht eher verlassen, als bis ich für meine Hunde Gnade erlangt habe.«

      »Aber was willst Du denn endlich?« fragte der Fürst, der durch diese lange Vertheidigungsrede einigermaßen erweicht wurde.

      »Ich will, mein Fürst, wenn es noch immer Ihr Wille ist, die Hunde hängen und ersäufen zu lassen, daß es vorher Eurer gnädigsten Excellenz gefallen möge, mir den Kopf