frisieren, Gewehre putzen, kurz Alles was Eure Herrlichkeit von einem Diener verlangen können.«
»Wo hast Du das gelernt?«
»Bei dem Capitän Nelson.«
»Auf welchem Schiffe hast Du gedient?«
»Drei Jahre am Bord des »Boreas.«
»Wo hat Dich denn Sanders aufgegabelt?«
»Als der »Boreas« abgetakelt wurde, zog sich der Capitän Nelson nach Norfolkshire zurück, und ich ging wieder nach Nottingham, wo ich geheiratet habe.«
»Wo hast Du denn deine Frau?«
»Sie ist auch bei Ew. Herrlichkeit im Dienst.»
»In welcher Eigenschaft?«
»Sie hat die Aufsicht über die Wäsche und den Hühnerhof.«
»Wer ist Kellermeister?«
»Die Stelle ist noch nicht besetzt; Mr. Sanders hält den Posten für zu wichtig und wollte nicht darüber verfügen.«
»M. Sanders ist ein unbezahlbarer Mann. Hörst Du wohl, Tom, der Kellermeisterposten ist noch unbesetzt.»
»Ich hoffe,« antwortete Tom, »daß der Keller nicht leer ist.»
»Sie können sich davon überzeugen,« sagte der Kammerdiener.
»Ja, das will ich thun,« sagte Tom, »mit der Erlaubniß des Commandanten.«
Sir Edward gab ihm durch einen Wink zu verstehen, daß er ihm diesen wichtigen Auftrag ertheile, und der brave Seemann folgte dem Kammerdiener.
II
Tom’s Besorgnisse waren ganz unbegründet: der Theil des Schlosses, welcher in diesem Augenblicke der Gegenstand seiner Wißbegierde war, befand sich in demselben vortrefflichen Zustande wie der ganze übrige Haushalt. Tom, der in solchen Dingen ein Kenner war, ließ dem Anordner volle Gerechtigkeit widerfahren: je nachdem die Qualität oder das Alter des Weines es erheischte, standen oder lagen die Flaschen, aber alle waren voll, und ein im Erdboden steckendes Stäbchen mit einem daran genagelten Zettel war gleichsam die Fahne für jedes einzelne Armeecorps. Die ganze Anordnung machte den strategischen Kenntnissen des würdigen Mr. Sanders die größte Ehre.
Tom zollte dieser regelrechten Aufstellung seinen Beifall, und da vor jedem Flaschenbataillon eine Probeflasche ausgestellt war, so hob er ohne weiteres drei dieser Schildwachen auf und erschien mit denselben vor seinem Commandanten.
Sir Edward saß an einem Fenster der Wohnung, die er wegen der Aussicht auf den See für sich gewählt hatte. Der Anblick dieser kleinen Wasserfläche, welche wie ein Spiegel in dem grünen Rahmen der Wiesen glänzte, hatte alle Erinnerungen des Seemannes geweckt; aber als Tom eintrat, sah er sich um, und als ob er sich seiner Wehmuth geschämt hätte, fing er an zu husten, wie es seine Gewohnheit war, wenn er seine Gedanken bezwingen und ihnen eine andere Richtung geben wollte.
Tom sah auf den ersten Blick was für Gefühle den Commandanten erfüllten; aber Sir Edward wollte seine wehmüthige Stimmung nicht merken lassen und nahm einen heitern Ton an.
»Nun, alter Camerad,« sagte er, »der Feldzug scheint nicht schlecht gewesen zu sein; wie ich sehe, hast Du Gefangene gemacht.«
»Ja, Herr Commandant,« antwortete Tom; »der Strand, den ich in Augenschein genommen habe, ist stark bevölkert. Sie können lange aus die künftige Ehre von Altengland trinken , nachdem Sie zu seiner bisherigen Ehre so viel beigetragen haben.«
Sir Edward hielt gedankenlos ein Glas hin, nippte einige Tropfen Bordeaux, den der König Georg nicht verschmäht haben würde, und fing an ein Liedchen zu pfeifen. Dann stand er schnell auf, ging im Zimmer auf und ab, sah die Gemälde an und trat wieder ans Fenster.
»Ich sehe wohl, Tom,« sagte er, »daß unser Quartier so gut ist, wie es am Lande sein kann.«
»Das will ich meinen,« erwiederte Tom, der einen lustigen Ton annahm, um den Commandanten zu erheitern; »ich glaube, daß ich in acht Tagen gar nicht mehr an die »Juno« denken werde.
»O, die »Juno« war eine schöne Fregatte, lieber Tom, sagte Sir Edward seufzend; »sie glitt wie eine Möwe über die Wellen hin – und wie leicht führte sie jedes Manöver aus! wie tapfer war sie im Gefecht! – Doch wir wollen nicht mehr davon reden – oder vielmehr wir wollen recht oft von ihr sprechen. Sie ist unter meinen Augen vom Kiel bis zum Mastkorbe gebaut worden; sie war mein Liebling, mein Kind, – jetzt ist mir’s, als wäre sie verheiratet, auf immer von mir getrennt. Gott gebe, daß ihr Mann gut steuert, denn ich würde untröstlich sein, wenn ihr ein Unglück begegnete. – Komm, lieber Tom, wir wollen in den Garten gehen.«
Sir Edward, der feine Rührung nicht mehr zu verbergen suchte, nahm den Arm seines treuen Gefährten und ging die in den Garten führende Freitreppe hinunter.
Es war einer jener reizenden Parks, von denen die Engländer allen Nationen die Muster gegeben haben, mit Grasplätzen, Blumenfiguren, Gebüschen und Alleen.
Hier und da standen einige hübsche Häuschen. Vor einem derselben bemerkte Sir Edward seinen Verwalter.
Sanders kam auf ihn zu.
»Es freut mich, Master Sanders,« rief ihm der Gutsherr schon von weitem zu, »es freut mich, daß ich Gelegenheit finde, Ihnen meinen wärmsten Dank auszudrücken. Wahrhaftig, Sie sind ein lieber, vortrefflicher Mann.« – Sanders verneigte sich. – »Wenn ich gewußt hätte, wo Sie zu finden sind , würde ich nicht so lange gewartet haben.«
»Ich danke dem Zufall, der Ew. Herrlichkeit hierher geführt hat,« antwortete Sanders, über das Compliment sichtlich erfreut. »In diesem Hause wohne ich in Erwartung Ihrer Verfügungen.
»Gefällt es Ihnen nicht in Ihrer Wohnung?«
»Ja wohl, ich wohne hier seit vierzig Jahren; mein Vater ist hier gestorben und ich bin hier geboren; aber wenn Ew. Herrlichkeit anders darüber verfügen —«
»Zeigen Sie mir das Haus,« sagte Sir Edward.
Sanders führte den Gutsherrn in die »Cottage«, die er bewohnte. Diese Wohnung bestand ans einer kleinen Küche, einer Wohnstube, einem Schlafzimmer und einem Arbeitszimmers in welchem alle auf die Besitzung Williamhouse bezüglichen Schriften und Bücher sorgfältig aufbewahrt wurden. In dem ganzen Häuschen herrschte echt holländische Sauberkeit und Ordnung.
»Wie viel Gehalt haben Sie?« fragte Sir Edward.
»Hundert Guineen. Diesen Gehalt hat bereits mein Vater bezogen und obgleich ich bei seinem Tode erst fünfundzwanzig Jahre alt war, erbte ich seinen Platz und seine Besoldung. Wenn Ew. Herrlichkeit finden, daß es zu viel ist, so werde ich mir jeden Abzug gefallen lassen.«
»Im Gegentheil,« antwortete Sir Edward, »ich will Ihren Gehalt verdoppeln und Ihnen eine Wohnung im Schlosse geben.«
»Ich danke pflichtschuldigst,« erwiederte Sanders; »aber ich erlaube mir gehorsamst zu bemerken, daß eine so beträchtliche Gehaltserhöhung überflüssig ist. Ich gebe kaum die Hälfte meiner Besoldung aus, und da ich nicht verheiratet bin, weiß ich nicht wer meine Ersparnisse einst erben soll. – Und was den Wohnungswechsel betrifft —«
»Nun , sagen Sie gerade heraus, was Sie darüber denken,« sagte der Gutsherr.
»Ich werde mich, wie in allen anderen Dingen, dem Willen Eurer Herrlichkeit fügen und auf Ihren Befehl ausziehen; aber – ich bin an diese Cottage gewöhnt; ich weiß Alles zu finden, ich brauche nur die Hand auszustrecken, um zu nehmen, was ich suche. Hier habe ich meine Jugend verlebt; alle Möbeln stehen noch auf ihrem Platze; hier am Fenster, in diesem Lehnstuhl pflegte meine Mutter zu sitzen; dieses Gewehr hat mein Vater an den Nagel über dem Camin gehängt; dort steht das Bett, in welchem der würdige Greis seinen Geist aufgegeben hat. – Verzeihen Sie mir, aber ich würde es fast als eine Entweihung ansehen, wenn ich Alles dies freiwillig verändern wollte. Doch wenn Ew. Herrlichkeit befehlen —«
»Gott behütet« unterbrach Sir Edward; »ich kenne die Macht der Erinnerungen zu gut, als daß ich die Ihrigen nicht achten sollte. Bleiben Sie hier, lieber Sanders, so lange es Ihnen beliebt. – Bei der Verdoppelung